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„Wo bist du eigentlich hergekommen?“: Kettcar veröffentlichen wütenden Song über Rassismus

Schwarzweißfoto der Band, die fünf Musiker stehen beziehungsweise lehnen an einem Tresen in einer Kneipe
Kettcar bringen am Freitag ihre Single „München“ raus. Den Text schrieb Bassist Reimer Bustorff (2. v. r.).
Foto: Andreas Hornoff

„Wo bist du eigentlich hergekommen?“, fragt Sänger Marcus Wiebusch im rockig-wütenden „München“. Die erste Single des für April angekündigten Kettcar-Albums „Gute Laune ungerecht verteilt“, die heute rausgekommen ist, könnte aktueller nicht sein. Es geht darin um Alltagsrassismus, darum, dass Menschen, die vermeintlich nicht „bio-deutsch“ aussehen, tagtäglich Diskriminierung erfahren. Darum, dass ihnen mal offener, mal verborgener die Zugehörigkeit abgesprochen wird. Den Text hat Bassist Reimer Bustorff geschrieben. Und mit Zeilen wie „Wir beide im Kiosk und die Frau hinterm Tresen sagte: ,Ich meine nicht dich! Hier wird nicht geklaut! Kannst deinem Freund übersetzen: Ich hab ihn im Blick!‘“ passt er erschreckend gut in eine Zeit, in der AfD, Neonazis und CDU-Vertreter gemeinsam an ihrer Idee von „völkischer Reinheit“ und arbeiten. MOPOP hat bei Bustorff nachgefragt, wie der Song entstanden ist.

MOPOP: Man könnte sagen, ihr habt da heute das Lied der Stunde rausgebracht – aber das Thema ist ja leider die ganze Zeit da. Trotzdem macht „München“, dass man beim Hören ganz schnell die Faust in der Tasche ballt. Warum hast du den Text geschrieben? 
Reimer Bustorff: Der Text ist letztes Jahr für unser neues Albums entstanden. Ich habe versucht, mich dem Thema Rassismus zu nähern, den ich natürlich nie persönlich am eigenen Leib erfahren habe. Ich habe aber in meiner Jugend viel Fußball gespielt, oft mit Jungs, deren Eltern eine Migrationsgeschichte mitgebracht haben. Da blieben diese rassistischen Alltagserfahrungen, in denen man oft fassungslos danebenstand, nicht aus. In der Zeit waren Yachi und ich auch dicke. Seitdem hat sich eigentlich nichts verändert, die Rechtsradikalen schüren immer wieder Hass und versuchen, die Gesellschaft zu spalten und die Demokratie zu unterwandern. 

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Das Video zu „München“ nimmt einem beim Anschauen komplett die Luft – dabei passiert eigentlich gar nicht viel. In langen Einstellungen werden Häuser gezeigt, in denen der NSU Menschen ermordet hat. Im Abspann gedenkt ihr der Opfer. Das macht Gänsehaut, und nicht die gute Art. Wie kam es zu dem Video? 
Idee und Video kommen von Mario Möller, mit dem wir auch schon zu „Sommer ’89“ zusammengearbeitet haben. Wir wollten auf keinen Fall den Text direkt 1:1 bebildert wissen, und er war es dann, der die Idee hatte, direkt zu den Tatorten der NSU-Morde zu gehen. Mit dem stillen Draufhalten der Kamera hat er es geschafft, eine Emotionalität zu erzeugen, die nochmals vergegenwärtigt, wie unfassbar es ist, dass diese Taten inmitten unserer Gesellschaft so geschehen konnten. 

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Ihr thematisiert Rassismus, rechte Hetze und rechten Hass. Das ist alles leider nicht neu, es kommt aber gerade auch bei Leuten an, die sich sonst vielleicht eher nicht damit auseinandersetzen. Was können diese Menschen deiner Meinung nach jetzt tun? 
Ja, leider ist der Text auch für mich zeitlos. Wie gesagt: Das Thema umgibt mich seit Beginn der 1980er Jahre. Immer wieder gab es Übergriffe, Attentate, Brandanschläge, Aufmärsche von Rechten und so weiter, die dazu führten, dass die Bevölkerung sich empört und auf die Straße geht, das ist dann ja auch gut und richtig. Sich gegen Rechtsradikalismus zu positionieren ist immer wichtig. Es braucht aber, wie man sieht, eine permanente grundsätzliche Ächtung und auch Verantwortung, Befeuerungen aus der politischen Mitte sind da kontraproduktiv. Bildungsarbeit und guter Geschichtsunterricht an den Schulen kann sicher auch was bewegen, wenn man manchen revisionistischen Aussagen folgt. 

Kundgebung „Hamburg steht auf!“: Kettcar spielen am 19.1. gegen 16.35 Uhr am Jungfernstieg
Single: „München“ ab sofort überall zu hören
Album: „Gute Laune ungerecht verteilt“, ab 5.4. via Grand Hotel van Cleef
Konzert: 27.4., 19.30 Uhr, Sporthalle, 49,30 Euro

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