„Andreas Dorau wird heute erstmals Mal 60“ steht auf einer Tafel vorm Knust geschrieben. Dabei ignoriert der Mann, der die Musikwelt nun schon seit 44 Jahren mit seinen schräg-schönen Elektro-Popsongs wie „So ist das nun mal“ bereichert, seine Ehrentage am liebsten. Am Freitag macht er aus der Not eine Tugend und feiert einfach, dass sein neues Album „Im Gebüsch“ just am selben Tag erschienen ist. Clever!
Den Abend eröffnet „der ewig junge Popstar“ (The Gap) mit „Ausruhen“, einem Stück seines 2011er-Albums „Todesmelodien“. Im Text geht es um Menschen in einem Pflegeheim. So viel zum Thema subtile Selbstironie. Damit ja niemand auf die Idee kommt, einer „Hoch soll er leben“-Veranstaltung beizuwohnen – trotz Luftballons im Gebälk und einem Glitzervorhang – verschwindet Dorau direkt nach dem zweiten Lied wieder und überlässt die Bühne der Berliner Musikerin Güner Künier.
Geburtstag im Knust mit vielen Gästen – und einer nackten Häkelpuppe
Die singt zu knarzigen Drums aus dem Computer über Emanzipation, teils ins ihrer Muttersprache Türkisch – eine Entdeckung! Dorau hat sich noch mehr Gäste eingeladen: Brezel Göring von Stereo Total etwa. Der hat eine lebensgroße Häkelpuppe namens „Wollita“ dabei, die nichts anhat. Mit ihr hat seine Partnerin Françoise Cactus († 2021) vor einem Vierteljahrhundert einen Kunstskandal ausgelöst. Die Berliner Boulevardmedien witterten, ui ui ui!, Pornografie.
Cactus hat einst auch das tolle Stück „Ein trauriger Tag“ mitgeschrieben und mitgesungen, das Dorau im Duett heute mit einem aufgekratzten Brezel Göring spielt. Sie übertönen damit den Versuch einiger Wahnsinniger im Publikum, die ein „Happy Birthday“ anstimmen. Dann schneit noch Carsten Friedrichs von „Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen“ von draußen rein und singt mit Dorau „Du bist so beeinflussbar“.
Feier mit Erobique, Carsten Friedrichs, Brezel Göring und Güner Künler
Als sie sich kurz verhaspeln, entschuldigt der sich: „Mein Fehler! Ich bin heute so beeinflussbar“. Und Erobique tut das, was er am besten kann: Geschmeidig an den Tasten eskalieren. Nach 100 Minuten kündigt Andreas Dorau dann „das endgültig letzte Stück“ an. Er werde gehen, während die anderen weiterspielen: „Dann kann ich früher nachhause.“ Mit 60 Jahren weiß man eben, Prioritäten zu setzen.