Wegen der Rammstein-Causa sind das Aufeinander-Achtgeben („Awareness“) und sichere Orte („Safe Spaces“) in der Musikbranche gerade große Themen – auch auf Festivals. Das „Hurricane“ ist gerade mit 78.000 Gästen in Scheeßel in vollem Gange. Hier gibt es das sogenannte „Panama“-Konzept, bei dem man mit der Code-Frage „Wo geht‘s nach Panama?“ Crewmitglieder um Hilfe in brenzligen Situationen bitten kann. MOPOP war auf dem Festival unterwegs und hat nachgefragt, ob sich die Gäste wirklich sicher fühlen.
„Bis jetzt fühlen wir uns zu 100 Prozent sicher”, sagen Amelie (v.l., 20), Masha (20), Kim (21), Julian (21) und Magdalina (20) aus Hamburg. „Aber es ist auch erst der erste Tag. Wir sind nur coolen Leuten begegnet. Als jemand flirten wollte, wurde sogar gefragt, ob man Single und das in Ordnung sei. Aber wir kommen auch aus Hamburg und feiern sonst auf dem Kiez – dadurch sind wir sehr abgehärtet. Dort könnten wir nicht so freizügig herumlaufen. Wir wurden hier auch auf unsere Kleidung angesprochen, aber eher gefragt, woher wir die Klamotten haben.“
Hurricane: „Einfach keine linke, woke Bubble“
Rike, Jule, Lara, Lina, Nina (alle 22), Britta und Marie (beide 23): „Wir fühlen uns hier sicher und sind auch das dritte Jahr hier. Beim Joggen, Einkaufen oder normalen Feiern finden wir es viel schlimmer. Natürlich gibt es diese unangenehmen Schilder. Aber wenn diese Leute uns nicht anquatschen, verbuchen wir das unter witzig.“
Alice und Zoe (beide 20) und Marlene (30) aus Kiel: „Das ,Hurricane‘ ist auf jeden Fall safer als Situationen im Alltag, aber als Safe-Space-Festival würden wir es nicht bezeichnen. Aber das kommt auch durch Größe und Zielgruppe. Am Warm-up-Tag sind uns aufdringliche Männer begegnet. Auf kleineren Festivals ist die Awareness oft schon auf Plakaten am Einlass geklärt. Hier wird sich auch Mühe gegeben: Es gibt überall Hinweise auf den ,Panama‘-Code. Aber trotzdem ist die Grund-Awareness bei einigen Menschen nicht da. Aber das ist wohl eher ein gesellschaftliches und nicht das Problem vom ,Hurricane‘. Wir würden uns aber wünschen, dass es mehr Dusch-Einzelkabinen und mehr sichere Orte gibt.“
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Nele, Carla (beide 24) und Marie (25) aus Berlin: „Schon bei der ersten Show wurde eine von uns mehrfach von schwitzenden, oberkörperfreien Typen angegrapscht. Wir finden es deswegen gut, wenn die Acts selbst am Anfang ihrer Shows noch mal darauf hinweisen, dass man sich im Moshpit angemessen zu verhalten hat. Für richtige Awareness sind hier aber auch einfach zu viele Menschen, Prolls und zu viel Mainstream. Das ist hier einfach keine linke, woke Bubble. Das wissen wir – aber wir waren schon letztes Jahr hier und sind in diesem Jahr trotzdem wiedergekommen.“
Inga, Malte, Jan Ole (beide 20) und Agnes (22) aus Hamburg und Köln: „Für uns ist das Festival kein Safe Space. Hier gibt es zum Beispiel ein Camp, das hat ein ,Titten TÜV‘-Schild hängen. Die haben auch Frauen beim Vorbeilaufen mit Wasser bespritzt. Wir mussten heute auch schon jemandem erklären, warum wir gendern. Im letzten Jahr hatte eine von uns auch die Gruppe verloren und wurde dann alleine im Moshpit angebaggert. Das Awareness-Konzept hier ist gut, es wird überall darüber informiert – aber ob es funktioniert? Es gibt ja auch nur den einen sicheren Ort hier auf dem Festival und den kann man von bestimmten Ausgangspunkten aufgrund der Entfernung nicht so gut erreichen. Wirklich negativ finden wir, dass es keine sicheren Orte gibt, um Menstruationstassen zu reinigen. Dafür müsste man in Gruppenduschen oder an die normalen Waschbecken gehen, aber das macht man ja auch nicht. Unserer Meinung nach sind kleinere Techno-Festivals da viel besser aufgestellt. Dort gibt es überall sogenannte ,Missoirs‘, die genau dafür sind.“
Hurricane: „Auf Techno-Festivals gibt es viel mehr Awareness“
Ildiko (18) aus Bremen: „Für mich ist das Festival safe. Es gibt hier sicher Menschen, die nicht die besten Absichten haben, aber die Stimmung ist angenehm und die Menschen sehr nett. Es ist ja auch so groß hier. Man sucht sich einfach die Gruppen, wo man sich wohlfühlt und die anderen lässt man links liegen.“