Alles Liebe und Gute, Joni Mitchell! Die Singer/Songwriter-Ikone wird morgen 80 Jahre alt! Ein Geburtstagsständchen von Künstlern und Publikum gab es ihr zu Ehren bereits am Sonntag gegen Ende einer fast dreieinhalbstündigen Supersause auf Kampnagel! Das Hamburger Frauentrio The Joni Project, das im Winter 2020/2021 zusammengefunden und am Freitag sein Album „Shades Of Blue“ in Anlehnung an Mitchells „Blue“-Klassiker veröffentlicht hatte, scharte dafür ein Dutzend Kollegen um sich – Frauenüberschuss ausdrücklich erwünscht! Wenn es überhaupt noch einen Beleg braucht, wie reich die Musikszene an weiblichen Talenten und Stimmen ist, fand man ihn an diesem Abend.
„Wir werden versuchen, sehr viele Farben von Joni auf die Bühne zu bringen. Es ist ordentlich was da, um Farben zu machen“, verspricht Stefanie Hempel, die mit Anne de Wolff und Iris Romen The Joni Project bildet. Vom Mellotron über die Violine bis hin zum Kontrabass bleibt kein Instrument ungespielt. Und auch kein Glas trocken: „Das ist ein Saufsong“, meint Hempel über „A Case Of You“ und erntet Lacher. Katharina Franck, früher Frontfrau der Rainbirds, kommt als erste Gästin auf die Bühne. „Joni hat viele Songs über Männer gesungen, das unterscheidet mich von ihr“, witzelt die „Nicht-Berufslesbe“, nachdem sie eine tolle Interpretation von „Coyote“ über Schauspieler Sam Shepard zum Besten gegeben hat.
Ein Name, den man sich auf jeden Fall merken muss, ist Catt aka Catharina Schorling. Die Multiinstrumentalistin und Sängerin zieht die Zuschauer in ihren Bann, als sie am Piano „Woman Of Heart And Mind“ darbietet. Sichtlich bewegt kündigt Jazz-Sängerin Lisa Bassenge im grünen Hosenanzug das Lied „Little Green“ an, das Mitchell 1966 geschrieben hat: Kurz nachdem sie ihre Tochter zur Adoption freigegeben hatte, weil sie einfach zu arm war. Bei dem Lied bleibt kein Auge trocken.
Liedermacherin Anna Depenbusch zeigt sich mit „California“ mal von einer ganz anderen Seite. Genauso wie die Dänin Gitte Hænning, die man hierzulande in erster Linie für Schlager wie „Ich will ’nen Cowboy als Mann“ kennt: Für ihre jazzige Interpretation von „Chelsea Morning“ erntet sie viel Jubel. Nach einer kurzen Pause geht es in der zweiten Konzerthälfte weiter mit noch tolleren Songs und Storys: „I sing my sorrow and I paint my joy“ hat Joni, die sich auch als Malerin betätigt, einmal gesagt. „The Gallery“ verfasste sie allerdings über den malenden Leonard Cohen, weiß Hempel. Und „Woodstock“ schrieb sie, als ihr klar wurde, dass sie trotz Einladung zum Festival „gerade eines der Ereignisse ihres Lebens verpasste“.

Dann ist es an diesem Abend doch mal Zeit für zwei Männerstimmen: Den Song „Willy“ in der Version des verhinderten kanadischen Musikers Martin Gallop spielen die Joni-Girls als Handyaufnahme ein – und geben den fantastischen Chor dazu. Sowieso ist der Harmonie-Gesang der drei so unterschiedlich klingenden Frauen zum Niederknien. Der andere Mann erscheint leibhaftig: Niels Frevert interpretiert den Quasi-Weihnachtssong „River“ samt „Jingle Bells“-Einlage einfach nur großartig. „So, und jetzt können wir nach Wacken“, meint Hempel amüsiert, nachdem sie eine Kostprobe von Jonis Heavy-Metal-Folk-Effekt auf der Akustikklampfe gegeben hat. „This Flight Tonight“, das von der Hardrockband Nazareth gecovert wurde, braucht das nun mal.
Die Münchnerin Alma Naidu hätte es aufgrund der Sperrung des Hamburger Flughafens am Sonntag fast nicht zum Konzert geschafft. „Die Chancen standen bei 0,001 Prozent“, so Naidu am Klavier. „Ich widme ,Court And Spark‘ der Mitarbeiterin der Fluglinie, die es für mich möglich machte.“ Das Publikum bedankt sich mit.
Für das als „Jahrhundertsong“ angekündigte „Both Sides Now“ vereinen sich mit Gitte, Bassenge und Catt gleich drei Generationen von starken Frauen auf der Bühne. Der ganze Saal ist aus dem Häuschen, es fließen sogar Tränen.
Eine wunderschöne Coverversion von „The Circle Game“ der Allstar-Band mit dem schwedischen Folkpop-Duo Fjarill, bei der auch das Publikum mitsingt, gibt es gegen Ende des zweiten Konzertteils. „Würdet ihr noch mal kommen?“, hakt Hempel nach. Der Jubel, der ihr entgegenbrandet, lässt da keine Zweifel offen.
