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Henry Rollins: „Spoken Word ist, als ob man nackt auf der Bühne steht“

Henry Rollins ist 62, aber immer noch fresh. Das hat er wohl seinem abstinenten Lebensstil zu verdanken. Morgen tritt er mit einer Spoken-Word-Performance unter dem Motto „Good To See You“ in Hamburg auf.
Henry Rollins ist 62, aber immer noch fresh. Das hat er wohl seinem abstinenten Lebensstil zu verdanken. Morgen tritt er mit einer Spoken-Word-Performance unter dem Motto „Good To See You“ in Hamburg auf.
Foto: Ross Halfin

Multitalent und Hardcore-Legende performt morgen in der Friedrich-Ebert-Halle

Henry Rollins (62) ist legendärer Sänger der Hardcore-Band Black Flag und seiner Rollins Band – obendrein Schauspieler, Autor, Journalist, Podcaster, Gewichtheber und Spoken-Word-Künstler. Mit seiner Show „Good To See You“ kommt er morgen (3.3.) in die Friedrich-Ebert-Halle. Fürs MOPOP-Gespräch über Einsamkeit, Vorbereitung und angemessenes Altwerden eines Hardcore-Typen stand er extra um 5 Uhr morgens in seiner Heimat Los Angeles auf und kramte am Ende in seiner riesigen Plattensammlung.

MOPOP: Frühmorgens aufstehen – offenbar kein Problem für Sie?

Henry Rollins: Nein, gar nicht. Auch wenn das hier wohl das früheste Interview ist, was ich je gemacht habe. Ich stehe immer früh auf. Wenn ich an einem Buch schreibe und es eine Deadline gibt, muss ich mich ranhalten. Meine Workouts versuche ich auch morgens zu machen, das sind gute Starts in den Tag. Aber manchmal fehlt auch die Disziplin, dann mache ich sie erst nachmittags.

Sie sind jetzt über 60 – wie halten Sie sich sonst jung?

Dass ich in meinem Leben nie trinken oder rauchen wollte, hilft mir jetzt sehr. Und ich war immer sehr aktiv – und bleibe es auch. Ü60 ist aber definitiv nicht mehr 23.

Oft verschoben, aber morgen kommt er endlich in die Friedrich-Ebert-Halle.

Sie nennen Ihre Spoken-Word-Tour „Good To See You“. Es ist immer noch etwas Besonderes, die Leute jetzt auch wirklich treffen und sehen zu können, oder?

Ja. Wir sollten uns jetzt alle wieder viel mehr sehen. Aber Fakt ist eben auch: Einige Teile meines Publikums kommen nicht mehr, sie sind durch die Pandemie abhandengekommen.

Sie haben mal gesagt: „Ich fühle mich in einem Raum mit langweiligen Leuten einsamer, als wenn ich alleine bin.“ Für Sie war es deswegen sicher okay, lange alleine zu sein.

Einsamkeit ist für mich kein Problem. Ich bin Einzelgänger und lebe und arbeite alleine. Aber ich bin niemand, der keine Menschen mag. Im Gegenteil! Ian MacKaye von Minor Threat und Fugazi etwa, meinen besten Freund, seit ich zwölf bin, habe ich während der Pandemie jahrelang nicht gesehen. Das war nicht schön.

Ich passe mich ständig neuen Umgebungen, Städten, Ländern und Kontinenten an. Ich brauche nur was zu schreiben, meinen Laptop, Musik, eine Tasse und ein Mikrofon. Ich kann mich schnellstmöglich an neue Begebenheiten anpassen – auch an die Pandemie. Akzeptieren, lächeln und weitermachen.

Henry Rollins (62)

Welche Erkenntnis haben Sie während der Pandemie über sich gewonnen?

Seit ich 20 Jahre alt bin, gehe ich auf Tour. Seit über 40 Jahren lebe ich aus dem Rucksack oder Koffer. Ich passe mich ständig neuen Umgebungen, Städten, Ländern und Kontinenten an. Ich brauche nur was zu schreiben, meinen Laptop, Musik, eine Tasse und ein Mikrofon. Ich kann mich schnellstmöglich an neue Begebenheiten anpassen – auch an die Pandemie. Akzeptieren, lächeln und weitermachen.

Wie bereiten Sie Ihre Shows vor?

Ich gehe meine vielen Notizen durch, überlege mir daraus etwas, spreche es mir selbst und auch meinem Manager vor. Das ist sehr intensiv, extrem durchdacht und übervorbereitet. Ich gehe da ja nicht raus, stehe vorm Publikum und sage: „Moment, lasst mich mal kurz nachdenken!“ Ich erzähle Dinge, die mir selbst passiert sind. Mein Ziel ist es immer, dass die Leute eine Weisheit oder Erkenntnis mitnehmen. Keine Zeitverschwendung oder Selbstgefälligkeit, sondern Spaß und Menschlichkeit. Ich sage nicht, dass ich der smarteste Typ der Welt bin, dem man unbedingt zuhören muss. Aber ich will schon, dass die Leute am Ende finden: „Wow, das war wirklich cool!“ Es macht nichts, wenn deine Socken auf der Bühne nicht zusammenpassen, aber du darfst niemals langweilig sein!

Unterscheiden sich Ihre Shows von Land zu Land?

Eher von Kontinent zu Kontinent. Die europäische Version ist offener, in meiner Heimat baue ich mehr Insider ein. Eine Sprachbarriere bemerke ich nicht, ich spreche sehr deutlich und achte darauf, dass ich die Zuhörer:innen nicht verliere. Das ist sehr anstrengend für mich. Ich verbrenne da oben auf der Bühne viele Kalorien und bin danach richtig müde.

Kann man Spoken-Word- mit Punkrock-/Hardcore-Shows vergleichen?

Ja. Beide brauchen sehr viel Disziplin und Fokus, um durchzukommen. Die Musik-Shows sind physisch fordernder. Früher musste ich teilweise aufpassen, dass nicht in Ohnmacht falle. Aber die Sprech-Shows sind schwieriger, weil sie viel mehr Wörter haben und ich ja frei rede. Songlyrics sind immer dieselben und von einem Beat unterstützt. Wenn ich es da mal verkackt habe, dann war es laut und wurde oft gar nicht bemerkt. Bei Solo-Shows fallen Fehler viel mehr auf. Spoken Word ist, als ob man nackt auf der Bühne steht. Diese Herausforderung mag ich sehr.

Vermissen Sie die rohe Energie Ihrer Musik-Shows?

Total. Aber vor vielen Jahren bin ich eines Morgens aufgewacht und mir wurde klar, dass ich keine Songlyrics mehr habe. Ich war mit dem Musikmachen durch. Mein Manager wollte noch, dass ich eine „Greatest Hits“-Tour mache, aber ich habe doch gar nicht solche Hits! Und es wäre natürlich auch lächerlich und irgendwie traurig, wenn ich jetzt mit Ü60 Musik performen würde, die ich schon mit 23 oder 43 gemacht habe. Alles hat seine Zeit. Hochenergetischer Punkrock muss von einem frischen Typ kommen und nicht von einem, der seit 40 Jahren auseinanderfällt. Ich vermisse ihn, aber ich bin nicht mehr dieser Typ.

Ich bin eigentlich immer die mit Abstand älteste Person im ganzen Club. Das ist mein persönlicher running Gag. Ich bin der, der mit Stöpseln hinten in der Ecke steht und alles beobachtet. Aber ich liebe die Musik.

Henry Rollins (62)

Gehen Sie noch als Gast zu Shows?

Ständig. Ich bin eigentlich immer die mit Abstand älteste Person im ganzen Club. Das ist mein persönlicher running Gag. (lacht) Ich bin der, der mit Stöpseln hinten in der Ecke steht und alles beobachtet. Aber ich liebe die Musik.

Die letzte Platte, die Sie gekauft haben?

Puh, da muss ich erst mal anfangen zu kramen. Willkommen im Leben eines Seniors! Eine Slayer-Platte oder ein Reissue von Iggy & The Stooges muss das gewesen sein … Ich war erst letzte Woche in einem Laden und habe da sehr, sehr, sehr viele Platten gekauft.

Wie viele Platten haben Sie insgesamt?

Oh, die kann ich nicht zählen, aber es sind so einige große Regale auf einer Fläche von ca. 30 Quadratmetern.

Friedrich-Ebert-Halle (Alter Postweg 34): morgen, 20 Uhr, ab 41 Euro.

Jetzt Tickets für Henry Rollins gewinnen!

Für die Show verlosen wir 3 x 2 Tickets. Dafür einfach eine E-Mail mit dem Betreff „Henry“ an [email protected] bis morgen (3.3.), 12 Uhr, senden und folgende Frage beantworten: Wie heißt das Motto der Show?

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