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Noch mehr Überraschungen, Gewalt und Dinosaurier: So war der letzte Tag des Reeperbahn-Festivals

Laura-Mary Carter und Steven Ansell mit Gitarren und Sonnenbrillen an einem Flastock-Stand
Huch, sind das etwa ...?! Und wie! Blood Red Shoes spielten einen Überraschungs-Gig im Festival-Village.
Foto: Sebastian Madej

Letzter Tag Reeperbahn-Festival (RBF), das hat so ein bisschen was von: mit plattem Reifen durch eine umwerfende Landschaft zuckeln. Vier Tage Musik-Overkill schlauchen. Wer jetzt aber noch irgendwo letzte Reserven findet, wird belohnt. Mit tollen Gigs von alten Helden – und vielleicht der ein oder anderen neuen Lieblingsband. Hier sind die MOPOP-Highlights von Samstag.

Am Nachmittag hatten Blood Red Shoes noch mit einem Auftritt im Festival-Village überrascht: Da saßen Laura-Mary Carter und Steven Ansell plötzlich auf Plastik-Klappstühlen mit Gitarren in den Händen mitten in der „Flatstock“-Convention. Im Hintergrund bunte Gig-Poster, davor staunende Fans. Sind die das wirklich?! Huch, ja! Funktioniert also auch mit Akustikgitarren, ohne Schlagzeug und unverstärkt, diese Band. Das Staunen wird auch am Abend nicht weniger. Wenn sich irgendwer im Vorfeld gefragt hatte, ob das englische Alternative-Duo überhaupt noch zieht: und wie! Die Schlange vorm Gruenspan, wo Blood Red Shoes um 19.40 Uhr auftreten, gehört zu den längsten dieser RBF-Ausgabe. Leute bleiben stehen, um den Auflauf mit ihren Smartphones zu filmen, so verrückt ist das. Und auch ganz schön schön. Im Club dann schwitzige Hitze und glückliche Fans. Perfekt.

Sänger vorne, hinten BassistFoto: Sebastian Madej
Die australischen Floodlights um Sänger Louis Parsons im Molotow-Backyard

Im Molotow-Backyard lassen sich Floodlights feiern. Die Australier waren auch schon am Freitag an selber Stelle auf der Bühne – und genau das ist es, was dieses Festival so besonders macht: Mit ein bisschen Glück kann man quasi in Echtzeit dabei zusehen, wie Bands mehr und mehr und mehr Fans gewinnen. „Ich liebe die!“, sagt einer im Publikum und lächelt breit. „Danke für eure Energie, bitte kommt bald wieder!“, schreibt eine bei Instagram. Wird bei diesem Quintett allerdings nicht ganz so schnell passieren. Das hier sei die letzte Show in Europa, sagt Gitarristin und Sängerin Ashlee Kehoe, morgen gehe es für drei Gigs nach UK – und dann nach zwei Monaten auf Tour endlich wieder nach Australien. Hat sich für die Band auf jeden Fall gelohnt, die Ackerei: Im Backyard sind alle happy. Schon wieder.

Gewalt: Schmerzen im Nochtspeicher

Gewalt tut weh. Keine besonders originelle Einsicht, aber bei der gleichnamigen Band um Ex-Surrogat-Kopf Patrick Wagner doch immer wieder einen Warnhinweis wert. Flankiert von Bassistin Jasmin Rilke und Gitarristin Helena Henfling schreit und deklamiert Wagner seine Texte über ohrenbetäubende Industrialbeats aus dem Rechner, die grobe musikalische Klammer heißt Noiserock. Es ist eine Show des Größenwahns und der Selbstkasteiung, mit Ansagen wie „Der nächste Song ist meinem Vater zu verdanken. Er heißt ,Nichts in mir ist einer Liebe wert’.“ Man kommt nun einmal nicht aus einem Gewalt-Konzert, ohne irgendwie unangenehm berührt zu sein. Aber immerhin was fühlen. „Wie heißt diese Band?” fragt Wagner ins Publikum, und gibt sich mehrmals nicht mit der Antwort zufrieden. Muss er es eben vormachen. Nach einem wortreichen Tutorial, wo dieses schwere Wort aus dem Körper herzuholen sei, schreit er es einmal ohne Mikro. Also noch einmal: Wie heißt diese Band? Ganz genau. „Ihr hattet Gänsehaut, oder? Ich auch.” Das war: intensiv. Und absolut großartig.

Moffat mit Klöppeln in den Händen, Becken in den HändenFoto: Sebastian Madej
Aidan Moffat von Arab Strap am Samstagabend im Gruenspan

Arab Strap sind nicht gekommen, um die Hits zu spielen. Kleiner Scherz, nicht dass Aidan Moffat und Malcom Middleton seit den Neunzigern auch nur in die Nähe einer Erfolgssingle gekommen wären. (Der Namedrop der Kolleg:innen von Belle And Sebastian auf deren 1998er Album „The Boy With The Arab Strap“ war ihnen auch nicht recht.) Aber die Setlist im Gruenspan ist schon recht besonders, weil die beiden ihr zweites Album „Philophobia“ von vorne bis hinten spielen. Kann man zu einem 25. Geburtstag schon mal machen. Der Saal ist gut gefüllt, aber die Konkurrenz auf dem Kiez ist groß, darum wird es nach und nach luftiger vor der Bühne (Menschen aus derselben Altersgruppe wollen rüber in die Freiheit, da sind wenig später The Pretenders dran). Moffat hat vor sich einen Drumcomputer und ein Becken, Middleton spielt Gitarre, und das ist es: Die spartanische Folktronica ist nicht sonderlich abwechslungsreich, das ergibt einen komischen Moment, als sich Moffat im Programm irrt – „Hoppla, falscher Song.” – und sich der richtige Beat einfach exakt genauso anhört. Aber da ist ja noch das Ding mit den Texten: Der bärtige, gemütliche Mann mit dem warmen Bariton und schottisch schwerer Zunge singt und spricht permanent über guten und (oft) schlechten Beischlaf, eine Art Nackigmachen übers Nackigmachen. Sexy ist das nur bedingt, aber halt auch faszinierend ehrlich. Wer da bleibt, jubelt.

This Is The Kit: Erst Dino-Spaß, dann Michel-Nacht

Es gehört zum guten Ton für Bands, die beim Reeperbahn Festival im Michel auftreten, die Architektur und das natürliche Echo zu loben. Ein anderes Hamburger „Wahrzeichen“ hat es Kate Stables von der britischen Band This Is The Kit aber besonders angetan. Nach dem frühen Soundcheck ging sie schwimmen, sagt sie, wie hieß das Bad doch gleich? Das mit den Dinosauriern? Jedenfalls hat das Festland in der Holstenstraße nun ein paar Fans auf der anderen Seite des Ärmelkanals. Charmant und dauergrinsend führt sie durch das Programm und kriegt das schon leicht schläfrig in den Bänken hockende Publikum (viele mit vier Tagen Festival-Rumgelaufe in den Füßen) doch noch mal zum Mitsingen, nämlich das sehr schöne Mantra „Be okay” im Song „Dibs”. Der wärmende Indie-Folkrock passt gut in diesen Rahmen, und so ganz falsch liegt Stables nicht, dass es sich so spät am Abend in einer Kirche ein bisschen nach Weihnachten anfühlt. Um kurz nach zwölf ist der letzte Song zu Ende, und vor der Tür beginnt man bereits leicht zu frösteln. (MW/NR)

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