Es ist ein Highlight, aber auch das Zeichen, dass das Reeperbahn-Festival (RBF) auf sein Ende zugeht: Die alljährliche „Anchor“-Preisverleihung an den vielversprechendsten Newcomer am frühen Samstagabend im St. Pauli-Theater. Von Mittwoch bis Samstag war das RBF wieder Epizentrum der Musikbranche: Acts aus 38 Nationen beglückten bei ca. 400 Konzerten 40.000 Musikfans – und darunter waren eben auch Gigs der sechs „Anchor“-Nominees: Vlure aus Glasgow, Ekkstacy aus Kanada, The Haunted Youth aus Belgien, Philine Sonny aus Unna, Cassia aus Manchester und Lime Garden aus Brighton. Am Ende bekam das sonnige Trio Cassia das Ding in die Hände gedrückt – aber jetzt von Anfang an!
Tony Visconti beim „Anchor“: „Get your booties into the theatre!“
„Get your booties into the theatre!“: Bei einem köstlich inszenierten Video-Gruppencall auf der Leinwand ermahnt Jury-„Papa“ und Produzenten-Legende Tony Visconti den Rest der Juror:innen – Bill Kaulitz (Tokio Hotel), Joy Denalane, Pelle Almqvist (The Hives), Grammy-Nominee Tayla Parx und Sängerin und Dragqueen Pabllo Vittar aus Brasilien -, dass sie jetzt mal zusehen sollen. Die Show startet daraufhin mit einer glitzernden Knaller-Performance vom brasilianischen Starlet (12,6 Millionen Follower auf Instagram), in ihrem Song fordert sie passend „Follow Me“.
„Anchor“-Hosts: Steven Gätjen und Aminata Belli
Die Hosts Steven Gätjen und Aminata Belli leiten kurzweilig durch den Abend. Sie entlocken den Leuten auf der Bühne viel Hamburg-Liebe (Kaulitz etwa: „Hamburgs Musikszene und Nightlife machen mehr Spaß als in L.A.!“) Und Gätjen ist es, der die Themen anspricht, die die Musikbranche bewegen – etwa der Personalmangel in den Crews oder dass es die Musik ist, die die Menschen in schweren Zeiten wie diesen zusammenhält: „Musik ist der Schlüssel, um miteinander zurechtzukommen.“
Howlin‘ Pelle Almqvist: sooo lustig!
Belli wiederum zeigt gemeinsam im Interview mit Pelle Almqvist (ungewollt), dass die beiden die Komik gepachtet haben. Während sie eine technische Aufbaupanne überbrücken müssen, reden sie über Howlin‘ Pelles Lieblings-Albumcover (Diese Arroganz! Er hat natürlich das eigene „Veni Vidi Vicious“ ausgewählt.), Bellis „Boyfriend“ und über Mexikaner – eben das, was man so aufm Kiez trinkt.
Und das Wichtigste? Die Acts und ihre Performances? Sind erstaunlich gleich auf. Vlure in Schottenröcken glänzen mit gellen Naturgewalts-Schreien und viel Elektronik, Ekkstacy aus Vancouver macht einen einmaligen Indie-Retro-Postpunk-Synth-Mix, The Haunted Youth aus Belgien kommen mit viel Hall und Dreampop daher, die deutsche Philine Sonny ist träumerisch und gefühlvoll (Mist, dass ihr Mikro erst nicht funktioniert!), Cassia aus Manchester lassen perfektes Sonnen-Pop-Feeling erklingen und Lime Garden haben ihre ganz eigene unvergleichliche Energie.
Cassia: „Anchor“-Gewinner mit Sommerfeelings aus Macclesfield bei Manchester
Am Ende bekommen diejenigen den Preis, die das Sommer-Feeling zurück ins verregnete Hamburg holen: Cassia! Sie können ihr Glück noch gar nicht fassen: „Cool, wir haben noch nie so einen Award gewonnen. Aber einer von uns hat heute auch Geburtstag. Passt!“ Ihren Song „Right There“ muss man sich aber auch einfach direkt in den Streamingdiensten bookmarken. Ach, und alle anderen einfach auch!