Er galt als Punk-Papst, Mitbegründer der Neuen Deutschen Welle und der Hamburger Schule – gepasst haben ihm all diese Zuschreibungen aber nie: Alfred Hilsberg hat die deutsche Popgeschichte zwar maßgeblich mitgeprägt, Ruhm und kommerzieller Erfolg waren ihm jedoch egal. Nun ist der Label-Betreiber und Journalist mit 77 Jahren in Hamburg gestorben.
Der gebürtige Wolfsburger brachte Ende der 70er den Punk aus Großbritannien nach Hamburg. Er war fasziniert von dem Do-it-yourself-Gedanken der neuen Subkultur: Schallplatten-Produktionen, Musikmagazine, Konzerte – möglichst alles sollte ohne Einmischung der Industrie von der Szene selbst organisiert werden.
Hilsberg schrieb in der Zeitschrift „Sounds“ über die neue Musik, und veranstaltete in der Markthalle Festivals. Auf seinem 1980 gegründeten Label ZickZack fanden die Berliner Lärm-Avantgardisten Einstürzende Neubauten ebenso ein Zuhause wie die Hamburger Punks Abwärts und frühe Bands der Neuen Deutschen Welle (NDW), etwa Palais Schaumburg und The Wirtschaftswunder.
Hilsberg brachte heraus, was er für spannend hielt
Hilsberg brachte heraus, was er für spannend hielt, nicht, was Charts-Erfolg versprach. NDW-Bands wie Trio und Extrabreit lehnte er als langweilig ab – das große Geld machten mit ihnen dann andere.
Daher blieben viele Künstler auch nicht lange: Das Prinzip des überzeugten Sozialisten Hilsberg war es, die Einnahmen aus den Verkäufen der Platten und Kassetten möglichst wieder in neue Produktionen zu stecken. Ausschüttungen an die Künstler gab es daher nur manchmal und manchmal eben gar nicht.
Herumkrebsen am Existenzminimum
In Jürgen Teipels Buch „Verschwende deine Jugend“ über die Anfänge von Punk in Deutschland und NDW ist eine Anekdote zu lesen, die Hilsbergs Art der Geschäftsführung anschaulich macht: Als ein Musiker ihn nach seiner Beteiligung an den Plattenverkäufen fragt, zieht der Labelchef unter seinem Bett einen Karton hervor und drückt ihm ein paar Hundert Mark in die Hand – das muss dann reichen.
Das Herumkrebsen am Existenzminimum kannte Hilsberg schon zu gut, als die Neue Deutsche Welle Mitte der 80er wieder abebbte – und seine prekäre Finanzlage weiter verschärfte. Doch schon bald war er wieder vorne dabei: Sein 1983 gegründetes Label What’s So Funny About hatte mit Lizenzveröffentlichungen englischer und amerikanischer Künstler wie Gun Club und Henry Rollins Erfolg. Anfang der 90er brachten Hilsbergs Labels mit Cpt. Kirk & und Blumfeld Bands heraus, die eine neue, einflussreiche Strömung mitbegründeten: die Hamburger Schule. Diskurs-Pop, der die eigene Gefühlswelt mit politischen Theorien zu analysieren suchte.
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Der Erfolg von Blumfeld ermöglichte es dem Musikbesessenen, seine antikommerziellen Interessen weiterzuverfolgen. Er brachte Künstler und Bands wie Station 17, Freunde der italienischen Oper, Rummelsnuff und Parole Trixi heraus – von Kritikern hochgelobt, vom Mainstream größtenteils ignoriert.
In den vergangenen Jahren wurde es ruhiger um ihn – seine Gesundheit ließ das enorme Arbeitspensum nicht mehr zu. Nach langer Krankheit starb Alfred Hilsberg am Montag in Hamburg im Alter von 77 Jahren.
































