1996 markierten zwei Open-Air-Konzerte im englischen Knebworth Park den Höhepunkt der Karriere der Band Oasis. Am Wochenende spielte deren Sänger Liam Gallagher nach 26 Jahren dort erneut – an zwei Abenden vor 160.000 Menschen und natürlich ohne seinen Bruder Noel, mit dem er im ewigen Clinch ist. MOPOP war dabei und stellte fest, dass es dabei längst nicht nur um Musik ging.

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Knebworth ist unter Oasis-Anhängern wie eine Mischung aus Woodstock, Mekka und dem heiligen Gral: Wer vor 26 Jahren bei einem der beiden legendären Konzerte dabei war, geht seinen Freunden bis heute damit auf die Nerven. Zum 25. Jubiläum im letzten Jahr gab es einen Dokumentar-Film und ein Live-Album – und die Ankündigung des einstigen Sängers Liam Gallagher, zwei Konzerte in Knebworth zu spielen: Natürlich waren beide sofort ausverkauft!

Dort mittags auf einer riesigen Wiese, die sich wie ein Amphitheater sanft Richtung Bühne senkt, versteht man, warum Oasis und Gallagher in UK so viel Bedeutung haben. Hier trifft sich ein absolut homogenes Publikum, für das die Musik nur ein Aufhänger zu sein scheint, sich seiner selbst und seiner Art des Lebens zu vergewissern: Ganz überwiegend weiß, männlich, fußball-affin, oft so jung, dass sie Oasis bestenfalls als Kinder erlebten. Alle trinkfest, jederzeit sangesfreudig (Fußballhymnen, Schmähgesänge) und fest entschlossen, den ganzen Tag lang eine gute Zeit unter Kumpels zu haben, die sonst im Pub stattfinden würde. Erfreulich friedlich, absolut unpolitisch, aber doch geladen, nicht nur mit Alkohol: Bei der hervorragenden Vorband Kasabian entlädt sich diese Energie erstmals in wildem Getobe.

Der eigentliche Höhepunkt des Abends, der Auftritt von Liam Gallagher, gerät danach fast zum Antiklimax: Jedem hier ist der Ablauf eines Oasis- oder Liam-Konzerts vertraut – von der „Einlaufmusik“ bis zur Abfolge der Songs. 80.000 Menschen singen wirklich jeden Song von der ersten bis zur letzten Zeile aus vollem Halse mit – auch alle gerade erst erschienenen neuen Songs vom Album „C‘mon You Know“.

Emotional wird’s, als Gallagher dem an Krebs erkrankten Oasis-Gitarristen Bonehead einen Song widmet und die Handylichter angehen. Überhaupt: Der sonst arrogant-wortkarge Gallagher spricht oft und ungewöhnlich konziliant zum Publikum, erntet natürlich ein Pfeifkonzert, als der den Titelgewinn „seines“ Teams Manchester City bejubelt. Und es wirkt fast beruhigend, als er einen aufmüpfigen Fotografen vor der Bühne als „fucking geezer“ beschimpft – großes Gejohle im Publikum.

Erst bei den Zugaben, allesamt Oasis-Titel der ersten beiden Alben, wird es turbulenter, der erste Block endet mit der Hymne „Live Forever“, den Schlusspunkt bildet das majestätische „Champagne Supernova“, bei dem sich natürlich alle beseelt in den Armen liegen. Aber das haben hier ja sowieso alle bereits den ganzen Tag getan.
