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Härter, besser, schneller, stärker: The Notwist in der Fabrik

The Notwist standen am Montagabend in der Fabrik zu siebent auf der Bühne.
The Notwist standen am Montagabend in der Fabrik zu siebent auf der Bühne.
Foto: Fabian Lippke

The Notwist haben sich ihren Namen mit allem Möglichen gemacht: Hardcore, Indierock, Krautpop – den Begriff Indietronics haben sie zwar nicht erfunden, aber geprägt, lange bevor Bands wie The Postal Service ihre Powerchords über Pluckerbeats spielten. Wofür man sie nicht kennt, ist Aufschneiderei. Dass im Austrudeln des Hits „One With The Freaks“ kurz ein Sample von „Harder, Better, Faster, Stronger“ von Daft Punk zu hören ist, wird dennoch kein Zufall sein. Größer und lauter fehlt vielleicht noch in der Aufzählung.

The Notwist spielen am Montagabend zu siebent in der Fabrik, die Bühne ist also schon voll, bevor Bassist und Mit-Gründer Micha Acher sich für ein paar Songs seine Schiffshorn-große Tuba auf die Schulter legt. Das hat mehr was von Kontrollzentrum als klassischem Live-Set-up, sieben Leute mit zig Sichtachsen, die im angedeuteten Halbkreis immer wieder den Blick suchen und finden. Das Hauptaugenmerk liegt an diesem Abend auf „Vertigo Days“, dem aktuellen Notwist-Album von 2021: ein kollaborativer Kraftakt mit etlichen Gästen, der schon deswegen nicht eins zu eins umzusetzen ist. Auf „Ship“ singt sonst Saya von der japanischen Band Tenniscoats, live wird ihr Gesangssample aufgetrennt, zurückgespult, verlangsamt, auf den Kopf gestellt und wieder zusammengesetzt. Die Leerstelle wird zur Modelliermasse.

Überhaupt: Wie erstaunlich formbar ihre Songs mittlerweile für The Notwist sind, zeigt am deutlichsten „Pilot“ vom Album „Neon Golden“ (2002). Im Original ein durchdachter Popsong, bei dem alles am richtigen Platz ist, ist die Nummer live seit ein paar Jahren ein vielminütiger Rave-Wahnsinn. Ordentliche Breaks schaffen zwar viele Rockbands, aber The Notwist können kompetent den Beat droppen: ein Trudeln, das sich aufschaukelt, bis die erlösende Vierviertel-Bassdrum den Song noch einmal komplett neu aufmacht. „Last Night A DJ Saved My Life” kam ebenfalls bereits als Zitat an diesem Abend vor, auch das sicher keine willkürliche Entscheidung.

Auf Platte waren The Notwist ein paar Mal perfekt (allermindestens „Shrink” von 1998 und „Neon Golden” sind Meisterwerke), auf der Bühne versuchen sie es nicht mehr zu sein – was sie zu einer der besten und überraschendsten Livebands macht, die man derzeit zu sehen kriegt. Wer viel Geduld hat, kann sich zum Vergleich den Dokumentarfilm „On/Off The Record” über die „Neon Golden”-Aufnahmen anschauen: Dort ist eine Band zu sehen, die pro Song hunderte Punktlandungen versucht, und noch wahnwitziger: sogar schafft. „Vertigo Days” – und vor allem seine Live-Umsetzung – lässt den Fehler hinein und die Bauchentscheidungen. 

Kurz vor Schluss bittet Sänger und Gitarrist Markus Acher noch einmal Support-Act Elijah Minnelli auf die Bühne, „wir singen jetzt noch ein Lied zusammen”. Die Ansage wirkt nach all dem hochkomplexen Multiinstrumental-Gelärme seltsam lustig und beinahe rührend. Letzten Endes sind es bloß Lieder. Aber eben härtere, bessere, schnellere und stärkere als der Rest sie spielt.

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