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Ein wandelndes Kraftwerk mit 82: Jazz-Altmeister Hancock begeistert Hamburg

Jazz-Legende Herbie Hancock spielte am Dienstagabend beim Stadtpark Open Air in Hamburg.
Jazz-Legende Herbie Hancock spielte am Dienstagabend beim Stadtpark Open Air in Hamburg.
Foto: Fabian Lippke

Unfassbar, was dieser Mann noch für eine Power hat! Knackige 82 Jahre ist Herbie Hancock alt, als er sich nach zwei Stunden Jazz-Feuerwerk am Dienstag von 1.500 jubelnden Fans im Stadtpark feiern lässt – aber ein paar Freudensprünge kriegt er noch mit Leichtigkeit hin. Jazz hält offensichtlich ewig jung.

Dabei ist der Empfang für die lebende Legende, die sich seit Anfang der 60er eine Solo-Karriere aufbaute und 1963 im zweiten Quintett von Miles Davis durchstartete, zwar wohlwollend, aber eher nordisch unaufgeregt: Die Besucher sitzen ruhig auf den Klappstühlen vor der Freilichtbühne, hören konzentriert zu, Gefühlsausbrüche beschränken sich auf kurzen Zwischenapplaus. „Habt ihr Spaß?“, fragt der Meister, nachdem er und seine drei Bandkollegen sich in der gut halbstündigen Ouvertüre warmgespielt haben und bringt die Hamburger Fans damit verhalten zum Johlen. „Ich habe Spaß!“

Herbie Hancock im Stadtpark: Eher nordisch unaufgeregt

Und den merkt man Hancock in jeder Sekunde dieses fantastischen Konzertes an. Mit ungebremster Spielfreude dirigiert der Pianist und Keyboarder aus Los Angeles seine hervorragende Band durch das zwei Jahrzehnte umspannende Set: vom 1966 geschriebenen Standard „Footprints“ seines Davis-Bandkollegen Wayne Shorter über die Funk- und Jazzrock-Phase Mitte der 70er bis zu seinen discolastigen Ausflügen Ende der 70er. 

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Bei „Actual Proof“ darf erst Bass-Genius James Genus zeigen, dass man nicht nur mit einer Gitarre virtuose Soli hinlegen kann. Dann bekommt die Schlagzeug-Naturgewalt Justin Tyson ihren großen Auftritt: Ebenso brachial wie präzise drischt er auf seine Trommeln und Becken ein.

„Ihr seid ein großartiges Publikum“, lobt Hancock die andächtig lauschenden Hanseaten, „sehr aufmerksam, ihr hört zu. Ich mag das.“ 

Hancock Konzert im Stadtpark – mit vielen Anekdoten

Immer wieder lockert der Bandleader den Abend mit launigen Anekdoten auf. Sein Album „Sunlight“ von 1978 sei zwar kein großer Erfolg gewesen, aber er habe darauf erstmals einen Vocoder zur Verfremdung seiner Stimme genutzt – und damit den Weg für Autotune bereitet, das „die ganzen Kneipensänger“ heute nutzen. Das Gerät kommt nun bei der Ballade „Come Running To Me“ exzessiv zum Einsatz. Die Stimmen von Hancock und Gitarrist Lionel Loueke verwandelt das Effektgerät in ein alienartiges Quietschen. Das verleiht dem Song einen unwirklichen, spacigen Sound, bis sich die Ballade beim Finale zum Jazzrock steigert.

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Die Grenzen zwischen Jazz und Rock loten Hancock und Band auch beim Über-Hit „Cantaloupe Island“ aus, das in den 90ern in der HipHop-Version der Band Us3 ein Riesen-Erfolg wurde (und deutschen Fernsehzuschauern als Titelmelodie von „Willemsens Woche“ bekannt ist). Beschwingt steigen die vier Musiker in den Klassiker ein, der allmählich energischer und härter wird. Mit Wah-Wah-Pedal und verzerrtem Sound lässt Ausnahme-Könner Loueke seine Gitarre ein Solo kreischen, das Jimi Hendrix neidisch gemacht hätte. Bis ihn der Chef mit seinen federleichten Klavierläufen wieder einfängt und auf den Boden zurückholt. „Er ist nicht von diesem Planeten“, hat Hancock bei der Bandvorstellung über seinen Gitarristen gesagt – daran dürfte jetzt niemand mehr Zweifel haben.

Stadtpark Open Air: Standing Ovations für Herbie Hancock

Nun hält es die ruhigen Hamburger Fans nicht mehr auf den Klappstühlen – es gibt Standing Ovations, während die Musiker sich verabschieden. Doch Hancock und seine Band legen noch eine Zugabe drauf: Der Jazz-Funk-Klassiker „Chameleon“, der den Stadtpark mit seinem massiven Groove überrollt. 

Hancock hat sich seine Keytar, sein tragbares Keyboard, umgeschnallt, wirft sich auf dem Podest vor der Bühne aus Spaß auch mal in Rockstar-Posen und genießt den Jubel der Fans. Für die gibt’s nun kein Halten mehr: Bestuhlung hin oder her, die Massen strömen zum Bühnenrand, um Hancock ganz nah zu sein. Wer weiß – vielleicht strahlt ja etwas von seiner unglaublichen jugendlichen Energie und Vitalität auch aufs Publikum ab.

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