Kacey Musgraves freut sich, dass es so viele am Montagabend aus dem Haus geschafft haben? Oder ist es Dienstag? „Ich weiß nicht, welcher verdammte Tag heute ist”, lacht sie. In den hinteren Reihen wird ein bisschen gegrummelt, als sie sagt, sie sei das erste Mal hier, und nicht so ganz klar wird, ob sie das Docks meint oder Hamburg. So ein Tourleben bringt halt aus dem Tüdel.
Falls sich ihr Besuch im Mojo nicht so sehr ins Gedächtnis gebrannt hat, kann man ihr das nachsehen – die Rückkehr nach Hamburg fällt nun mal um einiges triumphaler aus als der Testlauf beim deutschen Publikum vor sechs Jahren: „Kacey! Kacey!”-Sprechchöre zur Begrüßung, Menschen, die beim ersten tosenden Applaus Blumen auf die Bühne werfen, und sich dazu den ganzen Abend stimmstark und textsicher zeigen. Endlich das Publikum, das sie verdient, denkt sie wohl – dem sie also gibt, was ihm zusteht: die große Abendunterhaltung mit Konfetti von der Hallendecke, übergroßen Luftballons und sympathischem Geplänkel vom Bühnenrand.
Kacey Musgraves im Docks: Große Abendunterhaltung mit Konfetti und Luftballons
Dass sie hier eine treue Zuhörerschaft hat, war gar keine ausgemachte Sache: US-amerikanischer Country tut sich auf dem deutschen Markt oft schwer, auch Taylor Swift wurde in Europa erst bemerkt, als sie begann, Popsongs zu schreiben – da war sie in den USA längst ein Megastar, der Arenen füllt. Musgraves kommt ebenfalls aus der Ecke, ihr Crossover-Moment war das Album „Golden Hour” von 2018, ein wunderbar zeitloses, Genre-sprengendes Album voller ehrlicher, warmer Liebeslieder.
Kacey Musgraves kontert Songwunsch aus dem Publikum
Das aktuelle Album „Deeper Well” knüpft daran an, mehr als das etwas überambitionierte „Star-crossed” (2021). Das Konzert beginnt wie das Album mit „Cardinal”, wunderbar mehrstimmig vorgetragen und mit einem extra-knarzigen Rock-Outro versehen. Überhaupt steht die Band hier ebenso im Rampenlicht wie die Frau, deren Name oben auf dem Plakat gedruckt ist: Acht Leute stehen ihr zur Seite, mit Synthesizern, Schlagzeug, Bass, Pedalsteel, Banjo und einer Lastwagenladung Akustikgitarren. Ein forsch vorgetragener Songwunsch aus dem Publikum wird da leicht zickig gekontert: „Könnte ich machen. Oder du könntest auch einfach die Show genießen, die wir für dich zusammengestellt haben.”
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Denn genau das ist das hier: eine Show, die wie ein Uhrwerk funktioniert, anderthalb Stunden beste Unterhaltung. Die bunten Papierschnipsel fallen bei „Lonely Weekend” vom Himmel, bei der Mutmachhymne „Rainbow” wird die Bühne selbstverständlich in strahlende Regenbogenfarben getaucht. Wenn es leise und intim wird, wie bei „The Architect” oder einer Akustikversion von „Follow Your Arrow”, setzt sie sich vorne an den Bühnenrand und schart ihre Mitmusiker (und Mitmusikerin Sarah Buxton) eng um sich.
Kacey Musgraves hat für Trump-Fans nichts übrig
Wie sie so barfuß im Dolly-Parton-Wiegeschritt über die Bühne schwebt, kann man sie sich auch als klassischeren Countrystar vorstellen, aber das wird in diesem Leben wohl nichts mehr, trotz der sieben Grammys, die sie mittlerweile gewonnen hat. Dass sie für Trump-Fans und konservative Bibelschmeißer nichts übrig hat, ist kein Geheimnis und braucht wenig Zwischen-den-Zeilen-Lesen, damit ist schon mal viel Zielgruppe zuhause vergrault. „Amerika kann warten”, kommentiert sie ihren Tourstart in Europa. Vielleicht war es ja diesmal auch für sie unvergesslich.
































