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Zoe Wees: „Girl, du verdienst das alles!“


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US-Talk- und Award-Shows, Forbes-Liste und „Wetten, dass ..?“: Zoe Wees hat 2021 alles durch. 2022 geht sie auf ihre erste eigene Clubtour. Foto: Jeff Hahn

Der Popstar über Hamburg, Epilepsie, The Roots und den internationalen Erfolg

Das hat vor ihr noch keine deutsche Sängerin geschafft: Die 19-jährige Zoe Wees trat als musikalischer Gast in den US-Talkshows von James Corden, Jimmy Kimmel und Jimmy Fallon auf, wurde für ihre Single „Control“ auch in Amerika mit Gold ausgezeichnet und vom Wirtschaftsmagazin „Forbes“ auf die Liste „30 Under 30“ gesetzt, mit der jedes Jahr auf junge Hoffnungsträger:innen aufmerksam gemacht wird. Für 2022 hat die Hamburgerin schon Pläne: auf ihre erste Tour gehen – Heimat-Termine sind natürlich inklusive. Beim MOPOP-Interview, das auf Englisch geführt wird, ist Wees bestens aufgelegt und erzählt davon, wo sie sich zu Hause fühlt, wie die Rolando-Epilepsie ihre Kindheit ausbremste, warum sie nicht zum Vorbild taugt, sie lieber Englisch spricht als Deutsch und manchmal denkt, sie hätte den Erfolg gar nicht verdient.

MOPOP: Sie haben in Hamburg eine neue Wohnung bezogen. Wissen Ihre Nachbarn, dass sie einen international bekannten Popstar im Haus haben?

Zoe Wees: Zuerst wussten sie es nicht, aber jetzt kennen wir uns besser. Ich lebe mittlerweile schon ein Jahr dort. Wo genau, verrate ich nicht. Nur so viel: Sie liegt sehr zentral.

Zoe Wees hat seit einem Jahr eine neue Wohnung in Hamburg

Müssen Sie vorsichtiger sein als früher?

Definitiv. Das ist sehr neu für mich, aber es geht nicht anders. Ich muss meinen privaten Raum schützen. Ich will ja nicht ausziehen müssen, nur weil die Leute wissen, wo ich wohne. Einige wissen es schon. Es stehen öfter Menschen vor der Tür, wenn ich spät von einem TV-Dreh nach Hause komme, und sie bitten mich dann, ihnen etwas zu signieren.

Wie fühlt sich das an?

Es ist schon ein bisschen unheimlich. Du kommst um 2 Uhr nachts nach Hause, du bist ein 19 Jahre altes Mädchen und drei große Männer erwarten dich vor deiner Tür. Aber ich komm schon damit klar. (lacht)

Zoe Wees ist auf die Stadtteilschule Alter Teichweg in Dulsberg gegangen

Gibt es einen Platz in Hamburg, der Ihnen viel bedeutet?

Meine alte Schule, die Stadtteilschule Alter Teichweg in Dulsberg. Sie hat mich traurig gemacht, hat mich glücklich gemacht, machte mich wütend und gab mir ein gutes Gefühl – das ist schon merkwürdig. Ich war erst vor ein paar Tagen wieder dort, als ich einen Freund abholte. In mir drin fühlte es sich chaotisch an, aber irgendwie auch sehr schön. Es ist auf jeden Fall ein sehr besonderer Ort für mich.

Sie waren kurz vor Weihnachten in Amerika. Haben Sie sich auf Ihr Zuhause in Hamburg gefreut?

Zu Hause sein ist ein Gefühl für mich, kein Ort. Wenn mein Freund und meine Mutter nicht hier wären, hätte ich mich nicht so gefreut. Denn wenn ich in Hamburg raus auf die Straße gehe, ist alles so trist und zu wenig bunt für mich.

Dikussionen nach „Wetten, dass..?“-Auftritt wegen Zoe Wees‘ englischer Sprache

Nach Ihrem „Wetten, dass…?“-Auftritt wunderten sich einige, warum Sie dort Englisch gesprochen haben. Das ging sogar soweit, dass unterstellt wurde, Sie würden ihre Herkunft verleugnen.

Das kapiere ich nicht. Warum? Ich bin Deutsche. Ich verletze niemanden, wenn ich Englisch spreche. Ich liebe es einfach. Ich brauche Deutsch nicht für meinen Job, es ist meistens Englisch. Ich fühle die Sprache auch mehr. Auf Deutsch muss ich länger nachdenken, wie ich etwas rüberbringe. Ich weiß gar nicht, warum es die Leute tangiert. Es ist mein Leben, meine Wahl – darüber sollte nicht geurteilt werden. Außerdem ist es tatsächlich so, dass jedes Mal, wenn die Kamera angeht, mein Gehirn automatisch zu Englisch wechselt, das ist meine Komfortzone, ich fühle mich damit sicher. Deshalb spreche ich die Sprache so gerne.

Zoe Wees: Mit LA hat es nicht Klick gemacht, London ist ihr Favorit

Stimmt es, dass Sie in Erwägung ziehen, Deutschland zu verlassen?

Die Sache ist die: Ich dachte, ich würde irgendwann nach LA gehen. Doch als ich das erste Mal dort war, hat es nicht so wirklich Klick gemacht. Die Leute fahren überall mit dem Auto hin, sie gehen nie zu Fuß. Die Straßen sind also ziemlich leer, man sieht nichts als Autos. Ich könnte mir vorstellen, dort für ein Jahr zu leben, um Songs zu schreiben und die Stadt besser kennenzulernen – aber ganz sicher nicht für den Rest meines Lebens. Ich war auch in New York, das gefiel mir besser. Dennoch wäre London gerade meine erste Wahl. Ich kann gar nicht genau sagen, warum, aber ich bin immer noch Fan von London. Dort kennt mich noch kaum jemand.

Werden Sie in Amerika oft über Ihre Heimat ausgefragt?
Oh ja. Die lieben die Deutschen und die deutsche Kultur! Die meisten, die ich getroffen habe, waren schon hier und sind völlig begeistert. Und dann sagen sie immer: „Wenn wir rüberkommen, musst du uns die Hotspots zeigen.“ Und ich antworte dann: „Die kenne ich selbst nicht – sorry.“ (lacht)

Sie hatten ein unglaubliches Jahr 2021. Worauf freuen Sie sich 2022 am meisten?

Meine erste Clubtour! Ich hoffe, dass das großartig wird und ich tolle Menschen dort sehe.

Sind Sie nervös deswegen?

Nein, ich bin nie nervös. Meistens bin ich aufgeregt, aber zeige es nicht. Ich bin immer mit dem Fluss. Und es ist doch so: Die Leute kommen zu meiner Show, weil sie meine Musik mögen. Ich werde mich also komplett zu Hause fühlen. Ich bin auf der Bühne, ich singe, ich werde also an einem Ort sein, den ich liebe, und ich habe Leute um mich, die mich unterstützen und mich für das lieben, was ich bin. Anderenfalls würden sie wohl kaum ein Ticket kaufen.

Haben Sie schon bestimmte Ideen für die Umsetzung?

Mir haben ein paar Leute geschrieben: „Zoe, ich habe Epilepsie, ich kann nicht zu deinem Konzert kommen wegen des Flackerlichts.“ Also schwebt mir vor, dass ich einen Extra-Platz für sie einrichte, von dem aus sie die Show trotz Epilepsie genießen können. Ich werde meinen Arzt fragen, wie man das mit dem Licht am besten macht. Denn als Betroffene weiß ich, wie es sich anfühlt. Ich wollte mal zum Konzert von Jessie J, aber konnte nicht wegen des Lichts. Das war so enttäuschend für mich. Ich hoffe, wir kriegen es hin.

Zoe Wees Clubtour: Konzerte sollen auch für Epilepsie-Betroffene zugänglich sein

Was ist Ihnen außerdem wichtig?

Die Musik und die Band werden total international klingen und so richtig groß! Das weiß ich ganz sicher. Visuell will ich es nicht zu dramatisch gestalten. Natürlich werde ich meine farbigen Kontaktlinsen tragen und meine Haare bunt haben, mir coole Sweatpants und einen Hoodie anziehen, aber Outfit-Wechsel wird es nicht geben. Denn ich will, dass es sich anfühlt, als wäre ich zu Hause. Da trage ich auch immer dieselben Sachen.

Was schreiben Ihnen Fans?

Meistens erzählen sie, dass sie ihre Persönlichkeit nicht ausdrücken konnten und durch mich gelernt haben, wie es geht. Es freut mich immer, das zu hören, denn für mich ist es der Grund, warum ich Musik mache. Die Musik beginnt, wenn du anfängst, darüber zu reden. Deswegen mein Tipp: Wenn du nicht die richtigen Worte finden kannst, schreibe es für dich auf und mache einen Song daraus. So gehe ich daran. Ich will, dass die Leute meinen Song hören und sagen: „So fühle ich in diesem Moment.“ Ich will die Stimme dieser Menschen sein.

Haben Sie Erfahrungen mit Mobbing gemacht?

Ja, leider wurde ich da von nichts verschont. Aber das betrifft fast jeden, es ist fast schon normal heutzutage. Aber schauen Sie, hier sitze ich nun und bin stärker als je zuvor.

Das fühlt sich gut an, oder?

Das ist wirklich schön. Niemand kann dir das nehmen. Menschen richten ständig über andere, sie werden dir immer sagen, wer du sein sollst, wie du auszusehen hast. Aber schaut her, wir sind stark!

Kann Erfolg heilen? Ist Erfolg vielleicht sogar die beste Rache?

Definitiv. Erfolg tut gut. Denn ich war immer anders, und man gab mir das Gefühl, dass es falsch ist, anders zu sein. Aber jetzt, wo ich erfolgreich bin, sehen sie mich mit anderen Augen. Das fühlt sich so gut an! Denn nun gucke ich ihnen ins Gesicht und sage: „Ihr wart diejenigen, die mir sagten, ich würde es zu nichts bringen. Und nun seid ihr es, die sich Gedanken machen müssen, was sie nach der Schulzeit anstellen wollen.“

Konfrontieren Sie diese Menschen damit?

Nein. Ich würde niemals mit jemanden sprechen, den ich nicht mag. Ich schreibe dann lieber einen Song, den sie dann hören. Das gibt ein noch besseres Gefühl.

Stehen Sie manchmal morgens auf und fragen sich: „Warum ich? Wie kommt es, dass ausgerechnet mir der Erfolg passiert?“

Ja, absolut. Ich denke ständig: Warum gerade ich? Warum ist es mir möglich nach Amerika zu gehen und bei den American Music Awards aufzutreten? Wieso wurde ausgerechnet ich in die „Tonight Show“ von Jimmy Fallon eingeladen, um mit The Roots aufzutreten? Manchmal habe ich das Gefühl, ich verdiene das alles nicht.

„Dass ein Mädchen meines Alters, dann auch noch eine Schwarze, das alles erleben darf, habe ich in Deutschland zuvor noch nicht gesehen.“

Zoe Wees

Und dann?

Dann blicke ich auf die Arbeit der letzten Jahre zurück und sage mir: „Girl, du verdienst das alles!“ Ich habe so hart dafür gearbeitet. Ich habe meine Freunde und meine Familie dafür vernachlässigt, um mich voll darauf zu konzentrieren. Alles, was gerade passiert, ist verrückt. Ich weiß nicht, warum Gott mich so sehr segnet. Dass ein Mädchen meines Alters, dann auch noch eine Schwarze, das alles erleben darf, habe ich in Deutschland zuvor noch nicht gesehen. Ich betrachte es nicht als selbstverständlich, ich bin total dankbar dafür.

Ihr Musiklehrer der Schule soll Ihnen viel geholfen haben, er steht Ihnen immer noch zur Seite.

Das stimmt. Er hat mich mit großartigen Produzenten zusammengebracht, dafür bin ich ihm dankbar, denn das sind heute meine besten Freunde. Was mir weniger gefällt: Die Leute sehen nie die ganze Arbeit hinter dem Erfolg. Ich wünschte, sie würden wissen, wie viel Druck das ist. Es gibt natürlich auch spaßige Seiten, aber es ist ein Job. Meine Mutter sagt immer: „Arbeite in der Stille, und lass den Erfolg den Krach machen.“

Hatten Sie immer den Glauben an sich selbst?
Ohne Zweifel. In der Schule war ich so selbstbewusst. Ich wollte Rapperin werden und lief herum und sagte: „Ich werde die größte Rapperin des Planeten sein!“ (lacht) Aber meine Texte und die Art, wie ich Songs schrieb, waren so trashig, mein Glaube war jedoch stark. Es ist komisch: Ich war die Schlechteste in der Schule, aber ich sagte immer: „Ich werde Sängerin. Ich werde erfolgreich mit meiner Musik.“ Und jetzt kann ich sagen: „Schaut, was daraus geworden ist!“

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Sie sind bei den „American Music Awards“ aufgetreten. Konnten Sie das bei all dem Druck genießen?
Es war so schön! Ja, ich konnte es genießen. Ich hatte zum ersten Mal Tänzer dabei. Es war schwer und irritierend, mich zu dem Beat zu bewegen und dabei zu singen. Also haben wir es auf die Art gelöst. Ich hatte auch nur einen Tag Probenzeit. Ich war jetlagged, hatte Kopfschmerzen und war aufgeregt, aber eher auf die Art: „Okay, Amerika, ihr kennt mich noch nicht so gut, aber schaut, hier bin ich, Zoe Wees!“ Es ist schon irre, sich ausgerechnet mit einem Auftritt bei den „AMAs“ in Amerika vorzustellen.

Wie war das Feedback danach?

Es gibt natürlich immer ein paar Leute, die sagen: „Uhhh, ich mochte dein Outfit nicht und hasse deine Stimme und deinen ganzen Look.“ Aber die meisten gaben mir die Rückmeldung, dass sie Spaß beim Zusehen hatten und der Auftritt wirklich international rüberkam. Letzteres ist, was ich mir mein ganzes Leben gewünscht habe.

Es fiel auf, dass Ihre Tänzer:innen nicht dem typischen Model-Klischee entsprachen.

Ich sagte, dass ich nicht nur dünne Tänzer:innen möchte. Ich will dicke und dünne Menschen, lange und kurze – jede Art von Körperform. Ich will Schwarze und Leute aus der LGBTQ+-Community auf der Bühne bei mir. Ich kriege schon Gänsehaut, wenn ich nur daran denke!

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Sie sind bei Jimmy Fallon’s „Tonight Show“ mit seiner legendären Hausband The Roots aufgetreten. Wie war das?

The Roots waren das Highlight für mich! Das war so ein ikonischer Moment. Die müssen nicht mehr zu jedem „Ja“ sagen, der mit ihnen spielen will. Aber sie befanden: „Ja, wir wollen das mit Zoe machen.“ Es war einfach nur verrückt! Ich war im Backstage-Raum und einen Tag später war Ariane Grande dort und zwei Wochen vorher saß Billie Eilish im selben Stuhl wie ich. Diese ganzen coolen Künstler:innen waren dort. Und Jimmy Fallon, der so viel um die Ohren hat, kam vorher zu mir in die Garderobe, um „Hi“ zu sagen. Wenn so beschäftigte Leute wie er sich die Zeit nehmen, um Menschen zu begrüßen, die sie nicht kennen, und sei es nur um dich zwei Minuten kennenzulernen, wertschätze ich das sehr.

War es denn so toll wie erwartet mit The Roots aufzutreten?

Oh ja. Sie haben diese typischen Künstler-Mindsets. Sie reden einfach nicht viel. Genau genommen haben sie während der Probe überhaupt nicht mit mir gesprochen. (lacht) So bin ich aber auch, wenn ich mich auf die Musik konzentriere. Bei der Probe darf man noch Fehler machen, also konzentriere ich mich wirklich auf mich selbst, um zu sehen, was ich besser machen kann. Ich nehme es ihnen nicht krumm. Kurz bevor die Show dann losging, redeten sie mit mir. Ich könnte mir vorstellen, dass da vielleicht noch eine Session mit ihnen folgt.

Haben Sie generell viele Kontakte in Amerika geknüpft?

Ich habe auf jeden Fall viele großartige Leute kennengelernt. 24kGoldn war so nett. Ich hätte nie gedacht, dass diese Leute so freundlich sind, denn in Amerika ist das Business anders. Die schlafen nie! Sie arbeiten ständig. Aber sie haben sich alle um mich gekümmert. 24kGoldn meinte zu mir: „Zoe, ich weiß, das Geschäft ist tough, aber wenn etwas schief läuft, schick mir eine Textnachricht.“

Können Sie sich gut Ihre eigenen Auftritte anschauen?

Das fällt mir nicht leicht, aber wenn meine Freunde einen Auftritt von mir sehen wollen, will ich nicht „Nein“ sagen. Für mich muss alles perfekt sein. Wenn ich mir selbst dabei zuschaue, wie ich einen Fehler auf der Bühne mache, drehe ich mich gedanklich im Kreis, weil ich es unbedingt noch einmal besser machen will. Aber das ist nicht die Art, wie ich arbeiten will, denn so setze ich mich selbst unter Druck. Also versuche ich, mir meine Performances möglichst nicht anzuschauen.

„Mom, du hast mir meinen Raum zur Entfaltung gegeben. Du hast mich im Studio sein lassen, obwohl ich’s in der Schule komplett vermasselt habe, und du hast es mich für meinen Traum machen lassen. Danke, Mommy!“

Zoe Wees

Was sagt denn Ihre Familie? Die müssen sich die Auftritte doch unzählige Male angeguckt haben.

Meine Mutter ist so stolz auf mich! Als ich noch zur Schule ging, war ich die Schlechteste, aber meine Mutter hat nie gesagt, was Eltern normalerweise sagen: „Zoe, du musst besser in der Schule werden, so geht’s nicht weiter.“ Sie sagte stattdessen: „Du wirst deinen Weg finden, Gott weiß, was er für dich geplant hat.“ Meine Mutter hat mich immer unterstützt, also bin ich glücklich, dass ich ihr heute zeigen kann: „Mom, du hast mir meinen Raum zur Entfaltung gegeben. Du hast mich im Studio sein lassen, obwohl ich’s in der Schule komplett vermasselt habe, und du hast es mich für meinen Traum machen lassen. Danke, Mommy!“

Ohne sie wäre es also nicht gegangen.

Nein. Wenn sie darauf bestanden hätte, dass ich mich mehr auf die Schule konzentriere, wäre ich nicht in der Lage gewesen, all das zu tun. Zum ersten Mal war ich mit 13 oder 14 im Studio. Man kann nicht wirklich sagen, dass ich damals zur Schule ging, es war ein großer Kampf. Aber meine Mutter lies mich gewähren.

Das macht Sie jetzt nicht zum idealen Vorbild für Schüler:innen.

(lacht) Vermutlich nicht! Man kann von gewissen Dingen dennoch Inspiration mitnehmen. Wenn ich Mutter wäre und mein Kind sich so verhielte, würde ich sagen: „Okay, vielleicht sollte ich meinem Kind ein bisschen mehr Raum geben an dem zu arbeiten, was sie wirklich will. Denn anderenfalls wird sie in einem langweiligen Job enden, den sie nicht machen möchte. Und das nur, weil ich darauf bestanden habe, dass sie zur Schule geht.“ Wenn ich mal Kinder habe, möchte ich, dass sie frei sind. Wenn mein Kind Musiker:in oder Tänzer:in werden will, unterstütze ich es. Ich bin vermutlich nicht das perfekte Vorbild, aber ich denke, das ist der Weg deinen Kindern zu helfen, damit sich ihre Träume erfüllen.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Schulzeit?

Mitunter die Schlimmsten. Denn gleich zu Anfang hatte ich Epilepsie. Ich war anders, ich sah anders aus, meine Hautfarbe war anders, und ich war nicht die Schlankste. Ich mag es kaum aussprechen, aber ich ging im Pyjama in die Schule. Ständig. Denn die Schule fing um 8 Uhr an, und ich stand um 7.40 Uhr auf. Ich putzte also Zähne und ging vor die Tür, ohne überhaupt meine Haare zu kämmen oder frische Klamotten anzuziehen. Es war mir total egal. Denn ich stellte mir vor, Sängerin zu sein. Ich sagte immer: „Ich muss jetzt los, ich muss arbeiten, also habe ich keine Zeit, neue Klamotten anzuziehen, denn ich muss ja Songs schreiben und ins Studio gehen.“ Ich gab immer vor, schwer beschäftigt zu sein, aber das war ich nicht. Wenn ich zurückblicke, muss ich drüber lachen.

Sie haben quasi die Gesangskarriere gedanklich manifestiert. Vielleicht ist sie deshalb passiert.

Es lag definitiv an meiner Einstellung. Denn ich sah wie Trash aus. Und die Texte, die ich damals schrieb, waren so schlecht. (lacht)

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Über Ihren Song „That’s How It Goes“ sagten Sie, Sie hätten ihn am Tiefpunkt Ihres Lebens geschrieben. Er wäre wie eine Konversation mit Ihren Dämonen. Wie meinen Sie das?
Ich kämpfe viel mit meinen Dämonen, sie sind immer allgegenwärtig. Menschen, die wieder in dein Leben treten und vorgeben, Freunde zu sein, können auch Dämonen sein. Ich habe ihnen früher die Möglichkeit gegeben, mich zu kontrollieren, mir zu sagen, was ich zu tun habe, wie ich auszusehen habe, wer ich sein soll. Ich sage immer, ich führte Unterhaltungen mit dem Teufel. Ich nenne fast alle meine alten Freunde „die Teufel“. Sie sind immer noch präsent, die Dämonen.

Also haben Sie heute einen ganz neuen Freundeskreis?

Ich habe drei gute Freunde, und die arbeiten mit mir. Ich habe einen Teil meiner Kindheit verpasst aufgrund meiner Epilepsie. Ich musste starke Medikamente nehmen, damit es besser wird, und dann fing es schon mit dem Musikbusiness an. Also habe ich den Teil des Lebens übersprungen, in dem man Freunde findet und sich selbst besser kennenlernt. Denn ich habe gearbeitet und Sachen gemacht, die andere Kids nicht tun mussten.

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Sie singen nicht nur über Selbstliebe, sondern reden auch drüber. Auf Ihrem YouTube-Kanal unterhalten Sie sich mit berühmten Menschen wie Jessie J. über das Thema.

Ich habe bisher mit Jessie J, Tate McRae und 6LACK gesprochen, und es werden noch viele andere Leute folgen. Jessie J war die Künstlerin, zu der ich aufschaute, als ich noch nicht selbst sang. „Mom, eines Tages will ich wie Jessie J sein“, sagte ich damals. Ich sang später einen ihrer Songs bei „The Voice Kids“. Die Songs, die sie rausbringt, sind so emotional. Sie berühren mich. Ich werde älter, mache nun selbst Musik und bin kein Fangirl mehr. Heute bin ich ich selbst, aber sie hat mich inspiriert dazu, ins Musikbusiness zu gehen. Und ich realisiere, dass es immer noch Menschen sind, die mich inspirieren, aber ich will nicht mehr wie sie sein.

Mittlerweile inspirieren Sie junge Menschen.

Das ist schon verrückt. Aber ich will kein Vorbild sein. Denn ich bin jung, ich wachse und mache Fehler und bin nicht perfekt. Das ist zwar niemand, aber ich denke, ich sollte nicht als Vorbild herhalten. Das wäre ein Fehler, Honey! (lacht)

Wie weit sind Sie mit dem Prozess der Selbstliebe fortgeschritten?

Es braucht eine Menge Arbeit. In Sachen Selbstliebe ist es ein stetiges Vor und Zurück. Man wird wohl nie an den Punkt kommen, wo man alles an sich lieben kann. Aber ich akzeptiere mich und liebe einige Dinge an mir, auch wenn es immer noch Sachen gibt, die ich an mir hasse.

Haben Sie nun einen Stylisten, so wie die Sänger:innen aus Amerika?

Ich habe einen Stylisten, einen Make-up-Artist und Hair-Stylisten. Ich liebe es, die Farben meiner Flechtzöpfe zu verändern. Das dauert immer vier Stunden, aber es ist so toll. Deshalb verändere ich sie alle drei Tage. Ich mag’s nun mal bunt. Deshalb auch die Anmerkung, dass es so trist ist, wenn ich durch die Straßen von Hamburg gehe. Ich brauche Farbe in meinem Leben. Das ist, was New York oder London mir geben können – Buntheit, auch in Bezug auf Menschen.

Sie haben an der „Fridays For Future“-Demonstration in Hamburg teilgenommen. Wie wichtig ist Ihnen die Klima-Bewegung?

Absolut wichtig, denn anderenfalls ist unsere Welt früher oder später zerstört. Es ist auch wichtig, dass möglichst viele Menschen für die Klima-Ziele kämpfen. Und es ist cool, wenn ich ein bisschen dazu beitragen kann, dass die Welt besser wird.

Wie weit sind Sie mit Ihrem Führerschein?

Ich habe keine Zeit, ihn zu machen. Ich hatte schon angefangen damit, aber ich kann mich nicht auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren. Ich müsste mir drei Wochen freinehmen dafür, aber das kann ich gerade nicht.

Wenn die Pandemie überstanden ist, will Zoe Wees feiern gehen

Haben Sie irgendetwas nachzuholen, wenn die Pandemie mal vorbei ist?

Wenn Corona vorbei ist, werde ich in jedem Club Party machen. Ich will feiern! Ich war nie ein Partygirl oder ein Club-Gängerin. Denn um dort Spaß zu haben und die Nacht durchzurocken, muss man sich selbst sehr lieben. Aber da komme ich noch hin. Ich konnte nicht feiern, als ich Platinum-Status in der Schweiz erreicht habe oder Gold-Status in Amerika. Ich konnte das alles nie richtig mit meinem Team zelebrieren. Aber nach Corona ist es anders: Ich werde zum ersten Mal überhaupt Alkohol trinken und das alles nachholen.

Gruenspan: 19./20.4., 20 Uhr, Resttickets ab 75,70 Euro

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