Das Interview führte Olaf Neumann
Die Beatsteaks gehören zu den wenigen Indierock-Bands, die es regelmäßig in die Charts schaffen. Mit den Songs ihrer neuen Platte „Please“, die Ende Juni rauskam, sowie ihren Klassikern tingelten die Berliner im Sommer durch überwiegend ostdeutsche Autonome Jugendzentren (AJZ) und wollten am 17. Juni auch in der Roten Flora auftreten – das Konzert musste krankheitsbedingt abgesagt werden. Gerade sind sie auf großer Deutschland-Tour, und weil da längst alle Daten ausverkauft sind, haben sie am 20. September Tickets für eine weitere Tournee im Herbst 2025 in den Verkauf gegeben – auch da kommen sie in Hamburg vorbei. Im Interview sprechen Sänger Arnim Teutoburg-Weiß und Drummer Thomas Götz darüber, warum die Beatsteaks sich als gelebte Demokratie verstehen und weshalb ihr Feuer immer noch lodert.
MOPOP: Sie touren im Sommer durch selbstverwaltete Jugendzentren, die vorwiegend im Osten des Landes lagen. Warum diese Zurück-zu-den-Wurzeln-Tour?
Thomas Götz: In Brandenburg, Thüringen und Sachsen wurde im September ein neuer Landtag gewählt, und wir dachten: Wenn die Rechtsextremen an die Macht kommen, sind die AJZ die Ersten, die verschwinden werden. Linken und alternativen Kulturprojekten würde die AfD den Hahn zudrehen. Deswegen galt es, diese zu unterstützen und zu zeigen, wo wir selbst groß geworden sind. In diesen kleinen Clubs steht man noch nicht im Scheinwerferlicht und kann noch Fehler machen. Es ist wichtig für die Kultur, dass es auch eine Bühne gibt, wo man sich ausprobieren kann. Autonome Jugendzentren leben vor, wie man miteinander umgehen kann. Die Entscheidung, die das Kollektiv trägt, muss für alle okay sein. Die Prinzipien, wie menschliches Zusammenleben funktioniert, sind da perfekt repräsentiert. Und wir wollen unbedingt zeigen, dass wir das richtig geil finden.
Wer sich für die Demokratie interessiert und jetzt nicht aus dem Quark kommt, darf sich nicht wundern.
Arnim Teutoburg-Weiß
Wieso fühlen viele junge Leute sich von den menschenfeindlichen Positionen der AfD nicht abgeschreckt?
Arnim Teutoburg-Weiß: Weil diese Partei ins Netz schreit und ganz simple Parolen raushaut. Das gab es ja alles schon einmal. Wer sich für die Demokratie interessiert und jetzt nicht aus dem Quark kommt, darf sich nicht wundern. Die Menschen sind nicht verloren, aber man muss ran an die Buletten und sie aufklären und den Dialog suchen. Was wir als Band machen, ist mehr als auf Instagram zu schreiben, dass wir Nazis scheiße finden. So passiert nichts. Man muss jetzt etwas machen! Die AfD hat das Netz längst gekapert mit ihren billigen Parolen. Gucken Sie sich mal den X-Account von Olaf Scholz an – Jesus Christ! Aber die AfD knallt ein Ding nach dem anderen raus, und wenn man nicht belesen oder ein bisschen faul ist ….
Götz: … und das Kleingedruckte nicht liest, weil alles gerade so anstrengend ist. Wird dann noch ein Gefühl getriggert, hat Hass schnell Konjunktur.
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Ist die Bühne ein Ort, der Ihnen mehr Kraft gibt als alles andere?
Götz: Die Bühne ist auf jeden Fall einer der spannendsten Orte der Welt, egal ob sie in Erfurt oder Hawaii steht.
Das Leben auf Tour ist aber auch voller Leerlauf und vertaner Zeit, monoton und kräftezehrend.
Götz: Wir sind einfach gern miteinander unterwegs. Das ist eine angenehme Art, seine Zeit zu verbringen. Wir sind mit 16 Leuten unterwegs, und keiner davon ist unsympathisch.
Die Beatsteaks scheinen für Sie zu einer Lebensform geworden zu sein. Was macht diese Mini-Gesellschaft aus?
Teutoburg-Weiß: Diese Mini-Gesellschaft ist eine gelebte Demokratie. Extremismus, Sexismus und Egoismus sind bei uns nicht erlaubt. Vielleicht sollten die Menschen sich einmal fragen, was am meisten Spaß macht, anstatt was ihnen am meisten Geld einbringt.

Haben Künstler heute eine besondere Aufgabe?
Teutoburg-Weiß: Was hat denn am meisten gefehlt in der Zeit, als man nicht rauskonnte? Das sagt auch der ganz normale FDP-Wähler. Menschen in Pflegeberufen konnten sich auf einmal nach Feierabend nicht mehr amüsieren, weil die Bars, Theater und Kinos zu waren. Wir Künstler sind dafür zuständig, die Leute aus dem Alltag herauszuführen. Let’s dance!
Im Song „Traumschiff“ fordern Sie, nicht aufzugeben, wenn es Ärger gibt. Verstehen Sie sich als Motivatoren, die Menschen für etwas begeistern möchten?
Teutoburg-Weiß: Na klar. Dieses „Don’t give up“ entstand tatsächlich schon vor zwei Jahren. Wir mussten aber erst einen Weg finden, wie man diesen Refrain singt. Das ist dann zusammen mit unserem neuen Produzenten Olaf Opal passiert. Er meinte, dazu sollten wir einen schönen Kurt-Cobain-Text schreiben. „Traumschiff“ ist unsere Version von Soulmusik, die wir so lieben.
Ein anderer Song auf „Please“ heißt „Detractors“ (Verleumder). Wer soll sich davon angesprochen fühlen?
Teutoburg-Weiß: Die Kritiker, die Spalter. Als ich sehr jung war, sagte mein Vater den schönen Satz: „Arnim, du musst spielen, um zu gewinnen, und nicht auf die hören, die immer nur reden!“ Ich bin in einer Zirkusfamilie groß geworden. Die Künstler im Osten wurden vom Staat eingestuft, das war immer eine ganz schlimme Zeit. Man hat sich vorher genau überlegt, ob man etwas machen soll, weil man sich fragte, wie wohl die Meinungen dazu aussehen. Nick Cave schrieb in einem Buch: „Old songs follow us like a dozy old dog“ („Alte Lieder folgen uns wie ein schläfriger alter Hund“). Und dann: „Fuck the detractors!“ („Scheiß auf die Kritiker!“). Dieser Satz blieb in meinem Notizbuch hängen, und daraus ist dann ein Songtext entstanden.

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Hätten Sie theoretisch auch beim Zirkus landen können?
Teutoburg-Weiß: Klar. Ich war mit meiner Schwester oft im Metropol-Theater tanzen, Ballerina und so. Und meine Eltern waren in der Manege, sie haben immer trainiert. Ich fand die Bühne faszinierend, weil ich alles kannte, was da dazugehört. Selbst am Abendbrottisch sprachen meine Eltern noch über das Zirkusfestival, während ich vorsichtig sagte: „Ich habe da noch eine Frage wegen Mathe …“
Wieso sind Sie am Ende kein Akrobat geworden?
Teutoburg-Weiß: Das war so strange, als mein Vater nach der Grenzöffnung meinte: „Du lernst jetzt erst mal was Vernünftiges!“ Dann habe ich drei Jahre lang Einzelhandelskaufmann gelernt. War aber auch gut, weil ich am Ende wusste, das kann ich nicht. Da waren wirklich viele nette Leute, aber es war für mich die schlimmste Zeit. Danach bin ich ins Berliner Nachtleben eingetaucht und in einem Proberaum wieder aufgewacht. Für einen Artisten in der Manege fehlte mir wohl der Fleiß, Akrobat bedeutet ja harte körperliche Arbeit. Ich fand die Clowns gut, die mussten nicht so hart trainieren.
Album: „Please“ (BeatRec/Warner) ist am 28.6. erschienen
Konzert 2024: 5.10.,
20 Uhr, Inselpark-Arena, ausverkauft
Konzert 2025: 9.10., 20 Uhr, Inselpark-Arena, 59,50 Euro
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Wer mitmachen will, schickt bitte bis Sonntagabend (29.9., 24 Uhr), eine E-Mail mit dem Betreff „Please“ an [email protected] und beantwortet folgende Frage richtig: In welcher Hamburger Halle treten die Beatsteaks 2024 und 2025 auf?
Veranstalter des Gewinnspiels ist die Morgenpost Verlag GmbH. Bei einer Teilnahme gelten unsere AGB als akzeptiert. Diese AGB finden Sie unter www.mopo.de/gewinnspiel-agb.
































