Folgen Sie uns

Wonach suchen Sie?

Interviews

Warum Lina Maly, Betterov, Alligatoah und Haiyti jetzt Wolf Biermanns Lieder covern

Biermann sitzt auf einem Stuhl im Studio, auf dem Schoß eine Akustikgitarre
Der Liedermacher und Lyriker.Wolf Biermann wird am 15. November 88 Jahre alt.
Foto: Stefan Schmid

In zwei Jahren wird Wolf Biermann, der große Dichter und Liedermacher, der als Kommunist einst aus Hamburg in die DDR übersiedelte, dort jedoch bald mit dem Regime über Kreuz lag und 1976 nach einem Konzertbesuch in Köln nicht wieder in die DDR zurückkehren durfte, 90 Jahre alt. Biermann ist agil und streitbar wie immer, und sein Werk hat nach wie vor große Relevanz. Also setzte Johann Scheerer, seines Zeichens geschmackssicherer Hamburger Indie-Produzent, Inhaber des Labels Clouds Hill und seit kurzem Besitzer von Biermanns Verlagsrechten, seinen kühnen Plan um, Biermann-Stücke mit jungen (Lina Maly singt das „Barlach-Lied“, Alligatoah interpretiert „Der Hugenottenfriedhof“), halbjungen (Jan Plewka liefert eine starke Version von „Das kann doch nicht alles gewesen sein“) und nicht mehr so jungen (Wolfgang Niedecken widmet sich „Als wir ans Ufer kamen“) Künstlerinnen und Künstlern in die Jetztzeit zu überführen. Tatsächlich strotzen die Protest-, Antikriegs- und Liebeslieder nun auf dem Cover-Album Coveralbum: „RE:IMAGINED – Lieder für jetzt!“ vor neuem Leben und einer knackigen Dringlichkeit, das Experiment ist absolut aufgegangen. Live ist das am 13. November im Thalia-Theater zu erleben.

MOPOP: Wozu brauchen wir im Jahr 2024 Wolf Biermann und seine Lieder? 
Wolf Biermann: Ein Lied kann doppelt helfen. Zum einen emotional. Meine Lieder vermitteln ein bestimmtes Lebensgefühl – zum Beispiel, dass man nicht verzagen soll an den Widrigkeiten dieser Welt, sondern sich besser einmischen soll und auch streiten muss, wenn es nötig ist. 

Und was ist der zweite Grund? 
Meine Lieder sind so alt, dass sie zu einer Art geronnenem Geschichtsgedächtnis geworden sind. Das ist ein erheblicher Kollateralnutzen, wie ich finde.  

„Zeiten verbinden: Ein Konzert für und mit Wolf Biermann“: Am 13. November im Thalia-Theater

Denken Sie beim Schreiben Ihrer Lieder oder Gedichte daran, dass diese Kunstwerke die Zeiten überdauern sollen? 
Nein, so verrückt bin ich nicht. Wenn es einem überhaupt gelingt, etwas Haltbares zu produzieren, dann nur, weil man es für diesen Moment schreibt – und dabei nicht an die Zukunft denkt. Bei der Produktion von Kunstwerken lebt man immer von der Hand in den Mund. Nur darum gelingt es vielleicht, dass dieses Kunstwerk auch von späteren Generationen in Gebrauch genommen wird. 

Wissen Sie beim Schreiben von Lyrik immer schon, ob daraus ein Gedicht oder ein Lied wird? 
In der Regel habe ich zunächst keinen blassen Schimmer. Ich frage das Gedicht, wenn es fertig ist, was es sein möchte. Die einen sind schon wegen der Frage beleidigt, andere möchten dringend ein Lied werden – und es gibt solche, die sagen: „Versuch‘s ruhig mal.“ 

Das Album „Wolf Biermann Re:Imagined – Lieder für jetzt!“ 15. November

Wie stark waren Sie in die Auswahl der Stücke und der Interpretinnen und Interpreten für das Coveralbum eingebunden? 
Ich habe mich sehr nützlich gemacht, indem ich mich in keinster Weise beteiligt habe. Ich wollte Johann Scheerer vom Hamburger Label Clouds Hill, der ja das Ganze kuratiert hat, und seine Mitarbeiter nicht stören. Aber ich bin sehr, sehr angetan von dem Ergebnis. Wenn ich das Album nun höre, muss ich an einen Vierzeiler von Heinrich Heine denken. Er stammt aus seinem Poem „Atta Troll“: „Andere Zeiten, andere Vögel, andere Vögel, andere Lieder. Sie gefielen mir vielleicht, wenn ich andere Ohren hätte.“ Dank der Arbeit von Clouds Hill habe ich es für mich umgeschrieben: „Andere Zeiten, andere Vögel, singen meine alten Lieder. Mir gefällt es, denn nun wachsen, mir mal endlich neue Ohren!“ 

Liegt es Ihnen am Herzen, dass dank der Neuaufnahmen jetzt auch neue Generationen, gar Teenager, Ihre Lieder und Gedanken kennenlernen? 
Dreimal dürfen Sie raten – ja! Aus vielen Gründen, auch aus Gründen der Eitelkeit. Dabei kam die Idee die Lieder zu covern gar nicht von mir, sondern von meiner Frau Pamela. Auch meine Kinder haben gesagt: „Das ist genau das Richtige, macht das!“ Dass mich das Ergebnis freudig stimmt, ist noch sehr untertrieben. 

Bonaparte covert das Lied „Ermutigung“

Ihr wohl bekanntestes, jetzt von Bonaparte gecovertes Lied „Ermutigung“ mit der Zeile „Du, lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit“ zeugt von einer unbesiegbaren Zuversicht. Sind Sie ein Optimist, Herr Biermann? 
Tja, angesichts des Geschehens in der Welt und der politischen Entwicklungen in unserem Land müsste ich eigentlich verzweifelter sein, als ich es bin. Das Besondere an diesem Lied ist, dass es sich schon vor langer Zeit von meiner Person gelöst hat. Die Häftlinge des DDR-Regimes haben es in ihren Zellen gesungen, und die meisten wussten wahrscheinlich gar nicht, wer es geschrieben hat. Heute singen die jungen Leute dieses Lied, und es ist auch für sie ein Stück Seelenbrot. Das freut mich. 

Album: „Wolf Biermann Re:Imagined – Lieder für jetzt!“ ab 15.11. via Clouds Hill
Konzert: 13.11., 20 Uhr, 69,75-99,45 Euro; es treten auf: Torch, Albrecht Schrader & Charlotte Brandi, Moritz Krämer, Bonaparte, Das Bierbeben, Mola, Jan Plewka, Peter Licht, Lina Maly, Betterov, Van Holzen, Romano, Katharina Franck & Paul Eisenach, Haiyti und das legendäre Jazz-Duo Ulrich Gumpert & Günter Baby Sommer. Und natürlich Wolf Biermann. Moderiert wird der Abend von Linda Zervakis.
Verlosung: MOPOP verlost 1×2 Tickets für das Konzert! Wer mitmachen will, schickt eine E-Mail mit Betreff „Biermann“ an [email protected] und beantwortet folgende Frage: Wie alt wird der Liedermacher am 15. November?

Veranstalter des Gewinnspiels ist die Morgenpost Verlag GmbH. Bei einer Teilnahme gelten unsere AGB als akzeptiert. Diese AGB finden Sie unter www.mopo.de/gewinnspiel-agb.

Das könnte Dich auch interessieren

News

Die Fantastischen Vier planen eine finale Tour. Ein Abschied für immer? Kann sein, muss aber eher nicht, sagt einer der Sänger. Die Fantastischen Vier...

Interviews

Seit Jahrzehnten steht Walter Trout, einer der weltweit bekanntesten Bluesrocker, auf der Bühne. Die feurigen Liveshows des 74-jährigen US-Amerikaners sind oft ein Höhepunkt auf...

Festivals

Erst ’ne Runde am Strand entlang, dann zur Lesung mit Heinz Strunk, später vielleicht kurz durchs Wellenbad toben oder in der Sauna entspannen –...

News

Mit neun Nominierungen geht Hip-Hop-Star Kendrick Lamar als Favorit ins Rennen um den wichtigsten Musikpreis der Welt. Auch Lady Gaga, Bad Bunny und Sabrina...