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Von Schweinen, Hits und nackter Haut: Brit-Star Neil Hannon in Plauderlaune


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„Ich habe fast alles dafür getan, um ein Popstar zu werden“, sagt Neil Hannon (51). Foto: Dreamhaus

Schräge Geschichten, Texte mit Augenzwinkern und elegante Melodien – das sind seit 30 Jahren und zwölf Alben die Zutaten für die Musik von The Divine Comedy. Hinter den kleinen Meisterwerken steckt Neil Hannon (51), einer der letzten Dandys im britischen Pop. Mit dem Best-of-Album „The Charmed Life“ gastiert er am Dienstag (5.4.) im Gruenspan. MOPOP sprach mit ihm über schlimme Frisuren, nacktes Posieren und ein Jubiläum mit lauter guter Songs.

MOPOP: Herr Hannon, wie liegt es sich so im Blumenbeet?

Neil Hannon: Sie waren zum Glück aus Plastik, anderenfalls hätte ich mir aufgrund meines Heuschnupfen den Kopf weggeniest. Es fühlte sich gut an in dem Moment, es war nett, wie der Fotograf Kevin Westenberg sich über mich beugte, um die verstreuten Blumen aufs Bild zu kriegen. Aber was nie schön ist: Wenn du dir nachher alle Fotos ansehen musst. Nein, nein, nein, und das bitte auch nicht. Und am Ende findest du dann ein Foto, auf dem du mehr oder weniger menschlich aussiehst. Aber: Ich sehe auf dem Bild, das ja auch auf dem Cover des Albums ist, wie ein verdammter Movie-Star aus! Ich weiß nicht, wie sie das hingekriegt haben.

Sie haben ja schon diverse Stile durch. Was war Ihrer Meinung nach Ihr schlimmster modischer Fauxpas?

Der schlechteste Haarschnitt kam 2001 mit „Regeneration“. Wenn ich das heute sehe, denke ich, ich hatte wohl den Willen zu Leben verloren. (lacht) Dieses Denim und die lange Matte – wenn ich daran nur denke, weiß ich: Ich hatte meine Midlife-Krise sehr früh im Leben! Aber ich bedauere wirklich keine der albernen Sachen, die ich gemacht habe. Zum Beispiel nackt für das „Cosmopolitan“-Magazin zu posieren.

Ich bedauere keine der albernen Sachen, die ich gemacht habe. Zum Beispiel nackt für das „Cosmopolitan“-Magazin zu posieren.

Neil Hannon

Das haben Sie gemacht?

Ja, ich war diskret nackt. Wir stellten das Albumcover von „Lovesexy“ von Prince nach. Ich lag in Orchideen. Wenn ich mir das heute ansehe, denke ich: Was zur Hölle hab ich getan? Aber damals tat ich fast alles, um Presse zu bekommen, um ein Popstar zu werden. Es hat Spaß gemacht, und es funktionierte. Aber ich bin froh, dass der Teil meines Lebens vorbei ist. Und meine Tochter auch. Sie studiert Musik und Film und wäre peinlich berührt davon.

Sie wie auch The Divine Comedy wurden nie in eine Schublade gesteckt, Sie waren immer Ihre eigene Szene. War das der Plan oder passierte es einfach?

Seit dem Tag, an dem ich geboren wurde, war ich immer ein ziemlicher Außenseiter. Ich gehörte einfach nie zum Club. Wie Groucho Marx schon sagte: „Ich möchte in keinem Club sein, der mich als Mitglied aufnehmen würde.“ Ich hatte einen Ritt auf dem Buckel des Britpop, was sehr nützlich für mich war. Es war ein praktischer Zug, auf den man aufspringen konnte. Aber ich sprang runter so schnell ich konnte, als er an Fahrt verlor und war danach in der Lage, weiterzumachen. Es ist lustig, denn manchmal sind es die Fans von früher, die darauf bestehen, einen bestimmten Neil zu bekommen, die klassischen Divine Comedy wie sie mal waren. Dabei habe ich immer angenommen, sie mögen mich dafür, weil ich immer genau das machte, was ich wollte – ohne an die Erwartungen anderer zu denken. Das letzte Studioalbum „Office Politics“ von 2019 klingt so gar nicht klassisch Divine Comedy. Aber ich denke, es profitiert davon, dass ich mache, was immer ich möchte. Das hält mich kreativ und beschwingt.

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Wenn Sie auf die 30 Jahre The Divine Comedy zurückblicken, wurden Ihre Erwartungen erfüllt, was es heißt, ein Musiker zu sein?

Oh Gott, ja! Aber als ich 18 war, nahm ich an, ich würde zehn oder 15 Jahre später in Stadien spielen – so wie U2. Zum Glück kam es nicht so. Ich bin in Stadien aufgetreten als Support von anderen Bands. Und ich hasste es! Du kannst die Menschen da nicht individuell erkennen. Es fühlt sich fast an, als seist du im Studio. Eine furchtbare Erfahrung. Ich bin einfach nur erfreut, dass wir ein Level erreicht haben, wo ich genug verdiene, um immer wieder ein neues Album zu machen, um in einem Haus weit weg von anderen Leuten zu wohnen und um viele Tiere zu haben. Und ich bin nicht so berühmt, dass ich nicht mehr durch die Straßen gehen kann. Was genauso schlimm wäre wie Stadien zu spielen.

The Divine Comedy sind aktuell auf Tour und spielen auch in Hamburg

Apropos: Jetzt sind Sie ja gerade auch auf Tour – wie läuft’s?

Die Konzerte sind bisher so super gelaufen. So viele gute Vibes! Bei einigen merkt man, dass sie sich ein bisschen unwohl fühlen, unter Menschen zu sein. Da gibt es natürlich das eine oder andere Konzert, wo Leute Masken tragen müssen. Das verkompliziert die Sache. Denn bei unseren Shows geht es so sehr darum, die Gesichter der Menschen zu sehen, Verbindung mit ihnen aufzubauen. Und ich kann natürlich auch nicht ins Publikum gehen und alberne Sachen machen – was vermutlich eine gute Sache ist. Aber das Nette an einer Best-of-Tour ist ja, dass die Sets so richtig knallen. Da bleibt dem Publikum nicht viel Zeit, wegen irgendetwas enttäuscht zu sein. Da sind zu viele „rockin‘ good tunes“.

Hits, Hits, Hits!

Genau! Wir haben uns mittlerweile verabschiedet von der alphabetisch sortierten Setlist. Das war lustig, denn es kam tatsächlich ein echt gutes Set dabei raus. Aber ich glaube, es war in Mailand, wo jemand reinrief: „Ihr habt ‚Daddy’s Car‘ vertauscht.“ Das hat es für mich ruiniert. (lacht) Ich will ja nicht, dass Leute auf bestimmte Songs der Liste warten. Ich will, dass die Leute jedes Mal überrascht und erfreut sind, wenn ein Song anfängt. Also schmiss ich die Idee über den Haufen. Die Stimmung ist prima. Es gibt Konzerte, da wirkt das Publikum – ich will nicht sagen wie eine dampfende Masse von Fleisch – wir sind ja nicht die Art von Band, mein Publikum ist mit mir älter geworden.

Sie altern so gut wie Ihr Backkatalog!

Aber es fühlt sich körperlich nicht so an. (lacht) Das Härteste heutzutage am Touren ist etwas, was mir früher leicht gefallen ist: Nämlich in einem fahrenden Tourbus zu schlafen. In meinen 20ern konnte ich das, ich konnte überall schlafen. Ich mochte es sogar, es war wie auf einem Schiff. Diesmal war es in der ersten Woche ein Albtraum, weil ich keinen Schlaf bekommen konnte. Aber ich komme langsam wieder rein in die Routine.

Mein Leben als Biopic im Kino? Das wäre der langweiligste Film, der jemals gemacht wurde!

Neil Hannon

Ist der nächste Schritt nach dem Best-of-Album und der passenden Tour dann ein Buch? Schreiben Sie eine Autobiografie?

Es gibt Angebote, ich weiß, dass ich es machen sollte, aber es ist vermutlich das Schmerzhafte, was ich mir antun könnte. Ich hänge jetzt seit zwei Jahren in der Nostalgie fest, habe Liner-Notes für das Box-Set geschrieben, das Best-Of zusammengestellt. Dafür musste ich die alten Songs zehn Mal anhören, und nun spiele ich die Songs jede Nacht – das killt mich. Es machte natürlich Spaß, aber da ist auch der Wunsch, endlich wieder etwas Neues zu machen! Und die Idee, mich hinzusetzen und die Geschichte meines Lebens niederzuschreiben, ist gerade einfach nur grässlich und abscheulich. Ich werde es vermutlich machen, aber nicht in den nächsten Jahren.

Und wie wäre es mit einem Biopic?

Dann wäre das der langweiligste Film, der jemals gemacht wurde. Es wäre wie einer dieser Andy-Warhol-Filme, wo du einfach nur hinstarrst und nichts passiert in den nächsten zehn Stunden. (lacht)

Könnte aber doch spannend sein: Sie leben auf dem Land – zusammen mit Ihrer Lebensgefährtin Cathy und vielen Tieren, darunter vielen Schweinen! Kennen Sie die eigentlich alle mit Namen?

Oh Gott, nein. Wenn ich auf Social Media wäre, dann würde ich sie vielleicht kennen. Aber ich bekomme Zuhause auch so sehr viele Gespräche über Schweine aufgedrückt, ohne auf mein Handy zu schauen.

Ich will kein verdammt depressives Album über den depressiven Scheiß schreiben, der gerade vor sich geht.

Neil Hannon

Ihre Lebensgefährtin unterhält auch die Tierrettungstation „My Lovely Pig Rescue“. Sie unterstützen Sie mit Songs und Konzerten.

Früher hielt ich mich bedeckt darüber, weil ich nicht wollte, dass das die einzige Geschichte wäre, wenn ich meine Platten bewarb. So nach dem Motto: Er ist der Typ mit den Tieren. Aber da habe ich umgedacht: Mit dem Krieg und der Pandemie fühlt sich Popmusik sehr überflüssig und unnötig an. Sie fühlt sich an wie eine armselige Antwort auf das, was in der Welt geschieht. Dennoch denke ich, dass weiterzuleben wie bisher und die kleinen Dinge des Lebens zu genießen, ist eine sehr gute Antwort auf all das. Nichts anderes wollen auch die Menschen in der Ukraine: Sie wollen nur ins Kino gehen oder Musik hören, sie wollen nicht überfallen werden und gezwungen sein, ihr Land zu verlassen. Ich habe den Eindruck, es ist meine Verantwortung, Konzerte zu geben und alberne Popsongs zu schreiben. Und so ähnlich verhält sich das mit der Tierrettung. Das ist so wichtig und trotzdem will ich manchmal den einen albernen Song über einen Café-Besuch schreiben. Ich will jedenfalls kein verdammt depressives Album über den depressiven Scheiß schreiben, der gerade vor sich geht.

Album: „Charmed Life – The Best Of The Divine Comedy“ (PIAS)

Konzert: 5.4., 20 Uhr, Gruenspan, 44 Euro

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