Tito Larriva ist der wohl kultigste Mexikaner der Rockmusik. Ein Auftritt in „From Dusk Till Dawn“ von Quentin Tarantino und Robert Rodriguez machte seine Band unsterblich. Der Sänger, Gitarrist und Filmkomponist sprach mit der MOPO über das neue Tito & Tarantula-Album und das Leben als Immigrant in Trumps Amerika.
MOPO: Mr. Larriva, wer ist die Tänzerin auf dem Cover des neuen Albums „!Brincamos!“?
Tito Larriva: Das ist meine Frau Janet. Wir werden am 16. September 50 Jahre verheiratet sein. An jedem unserer Hochzeitstage denke ich unweigerlich an Blumen für Janet, weil es auch der Nationalfeiertag Mexikos ist.
Allein in vier Songs singen Sie über Tanz. Zufall?
Nun, ich war Mitglied des Nationalen Modernen Balletts von Mexiko City. Und in El Paso tanzte ich in „Carmen“. Ich kam zu dieser Kunstform, weil meine Freundin Tänzerin war und ich sie oft zum Ballettstudio begleitete. Dort gab es eine deutsche Lehrerin namens Ingeborg Häuser. Eines Tages sagte sie zu mir: „Tito, du bist jeden Tag hier. Jetzt kommst du und ziehst eine Strumpfhose an. Du wirst jetzt tanzen!“ Und ich habe es geliebt.
Sie haben in Ihren Songs immer wieder die Gefühle und Erfahrungen von Chicanos, Mexikanern und Einwanderern thematisiert. Warum gab es in dieser Gruppe so viele Trump-Wähler?
Die Antwort ist komplex, aber ich denke, dass es Latinos im Allgemeinen schwerfällt, eine Politikerin zu wählen. Das ist Teil ihrer Macho-Kultur. Auch das Chaos in unserem Land verwirrt die Wähler. Die Leute sind nicht bereit, Nachforschungen über politische Kandidaten anzustellen, weil sie durchdrungen sind von der Besessenheit von diesem seltsamen Mann, der Amerika auf keine gute Art erobert hat.
In Europa haben viele darauf gehofft, dass Kamala Harris gewinnt. Umso größer war dann der Schock.
Die Ignoranz in unserem Land ist größer als erwartet. Einige wussten nicht einmal, wer Harris ist. Fragen Sie die Leute auf der Straße, wer der amtierende Vizepräsident ist, und niemand wird ihn kennen. Es ist nur eine kleine Gruppe, die dieses Chaos verursacht, aber es funktioniert wirklich. Es bringt die Leute dazu, nicht mehr aufzupassen, wen sie da eigentlich wählen.
Trump hat seinen Wählern die „größte Abschiebeaktion in der amerikanischen Geschichte“ versprochen. Macht Ihnen das Angst?
Ich bin kein US-Bürger, ich bin Mexikaner. Sie könnten mich leicht ausweisen, wenn meine Green Card nicht mehr gültig ist. Das wäre keine schöne Sache, aber ich würde es akzeptieren und hätte kein Problem damit, in Mexiko zu leben. Vielleicht bin ich dort sogar besser versichert. Aber viele andere sind illegal in den USA, sie sind viel verletzlicher. Sie machen gerade eine furchtbare Zeit durch.
Haben Sie als Künstler in den USA nicht mehr Möglichkeiten als in Mexiko?
Ich weiß nicht, ob es hier besser ist, es ist einfach der Ort, an dem ich lebe. Ich denke, ich könnte meine kreative Arbeit auch in Mexiko gut machen. Vielleicht würde mich das inspirieren, etwas anderes zu schreiben. Aber für die Einwanderer, die nichts haben, ist es viel schwieriger. Diejenigen, die hier versuchen, ein besseres Leben zu führen, leiden gerade am meisten. Wir sind im Moment eine Einheit aus Angst, Chaos, Elend und Schock. Wirklich.
Ist das Leben in Amerika für Sie persönlich gefährlicher geworden?
Ja. Hier in Austin erlebe ich Rassismus auf einer sehr realen Ebene. Es ist fast so, als hätte Trump die Kanäle geöffnet, und die Rassisten sind plötzlich überall. Die haben das Gefühl, dass sie einem ihren Rassismus unverblümt ins Gesicht sagen können, ohne Folgen. Das ist mit Sicherheit gefährlich.
Gibt es auf Ihrem neuen Album auch Optimistisches zu hören?
Oh ja, auf „¡Brincamos!“ geht es wirklich um Optimismus. Aufgrund der Erfahrung der Pandemie, die jeder durchgemacht hat. Wir springen und tanzen fast vor Freude, dass wir Covid überstanden haben. Und es gibt auch Humor in einigen Songs. Ich war so froh, dass ich wieder anfangen konnte zu arbeiten. Ich habe wirklich geglaubt, dass ich nicht mehr in der Lage wäre, Musik zu schreiben. Ich klopfe auf Holz.
Ist für Sie als Einwanderer eigentlich der „amerikanische Traum“ in Erfüllung gegangen?
Ich denke nicht wirklich darüber nach, aber wenn ich nicht in Amerika gewesen wäre, hätte ich das alles vielleicht nicht machen können. In diesem Land kann man sicher noch viel erreichen. Aber ich glaube nicht, dass dieser Albtraum in vier Jahren vorbei ist. Das wird noch eine ganze Weile so weitergehen. Es gibt keine andere Wahl, als sich dem zu widersetzen. Wir müssen uns wehren und mehr Mitgefühl und Empathie entwickeln. Aber der Kampf hat begonnen. Ich hoffe, wir werden das schaffen.
Schenken Sie dem Publikum mit Ihrer Musik ein bestimmtes Lebensgefühl?
Meine Hoffnung ist, dass die Leute zu unseren Konzerten kommen, vor Freude hüpfen und ihre Probleme für zwei Stunden vergessen. Das ist alles, was ich geben kann.
Konzert: 20.4., 20 Uhr, Markthalle, 49,95 Euro;
Album: Tito & Tarantula: ¡Brincamos! (It Sounds/Rough Trade/Believe)
































