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The Damned: „Wir sind gar keine Punkrock-Pioniere“

The Damned: Bassist Paul Gray (v.l.), Schlagzeuger Will Taylor, Sänger Dave Vanian, Gitarrist Captain Sensible und Keyboarder Monty Oxymoron
The Damned: Bassist Paul Gray (v.l.), Schlagzeuger Will Taylor, Sänger Dave Vanian, Gitarrist Captain Sensible und Keyboarder Monty Oxymoron
Foto: Timo Jäger/EarMusic

Sänger Dave Vanian (66) über falsche Schubladen und das neue Album „Darkadelic“

The Damned aus London veröffentlichten 1976 mit „New Rose“ die erste „Punkrock“-Single – noch vor den Sex Pistols. Seitdem gelten sie in der Popmusik-Geschichte als Pioniere dieses Genres. Sänger Dave Vanian (66) räumt im MOPOP-Interview mit diesem Label auf, spricht über die weitaus dunklere Seite der Band, ihre stetige Neuerfindung und ihr starkes neues Album „Darkadelic“, das gerade erschienen ist.

MOPOP: Wenn man über Ihre Band nachdenkt, kommt man immer zu dem Schluss: Für die war Punkrock nie genug.

Dave Vanian: Als wir anfingen, gab es den Begriff „Punkrock“ noch gar nicht. Wir waren einfach eine Band und ich wollte auch nicht, dass wir in irgendeine Schublade gesteckt werden. Aber natürlich haben wir uns genau dann gegründet, als Punk in England entstand. 1976 wurde einfach jede neue Band als Punk-Band bezeichnet. Aber unser Songwriting, Look, unsere Musik und Sichtweisen waren eigentlich ganz anders. In den Köpfen steckte dann ja auch fest, dass man als Punk irgendwo Sicherheitsnadeln oder piksige nach oben stehende Haare haben musste. So habe ich das nie gesehen. Für mich stand Punk für keine Regeln und keine Uniformität. Er war für mich Attitüde und musikalisches Engagement.

Was waren Ihre Einflüsse, als Sie angefangen haben?

Im ersten Interview, das ich je gegeben habe, wurde ich auch gefragt, was wir für eine Band sind. Das weiß ich noch ganz genau. Ich sagte: „Die einzigen Ähnlichkeiten sehe ich mit US-Garage-Bands.“ Unsere Einflüsse kommen aus den 60ern. Wir probten zwar nicht in einer Garage, aber in einem Eisenbahntunnel. Im Ernst!

Sie werden ständig als Punkrock-Pioniere bezeichnet. Sehen Sie sich selbst denn so aus heutiger Sicht?

So würde ich uns selbst überhaupt nicht bezeichnen. Die Pionierarbeit haben wir eher darin geleistet, niemals stillzustehen. Wir waren alle schon immer so unterschiedlich. Wir sind ein musikalischer Schmelztiegel. Es gibt nur einige Dinge, die wir zusammen mögen, bei viel mehr unterscheiden wir uns komplett. Ich will keine andere Band schlechtmachen – ich mochte, was die Ramones taten, aber so was wollten wir nie. Wir hätten es uns ja ganz leicht machen und immer wieder Songs wie „New Rose“ veröffentlichen können. Dann hätten wir viel mehr Hits gehabt. Aber wir wollten immer etwas Neues ausprobieren. So ist etwa der Song „Curtain Call“ entstanden, der fast 18 Minuten lang ist. Wie mutig waren wir damit bitte? Aber darüber haben wir gar nicht nachgedacht, sondern es einfach gemacht. Wir schreiben unsere Songs nicht für die Leute. Wir hoffen immer, dass die Musik gut genug ist, damit sie sie mögen. Aber wenn sie es nicht tun, dann ist das eben so.

Dave Vanian (66) sprach im MOPOP-Interview über das neue Album „Darkadelic“ und falsche Schubladen. Foto: Timo Jäger/EarMusic.
Dave Vanian (66) sprach im MOPOP-Interview über das neue Album „Darkadelic“ und falsche Schubladen. Foto: Timo Jäger/EarMusic

Haben Sie als Band in der wilden Zeit auch Ärger gemacht?

Es lag mir immer fern, Ärger anzuzetteln, aber ich habe mich trotzdem immer in Ärger wiedergefunden. (lacht) Das war unvermeidlich! Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen, aber wenn man früher Schwarz getragen hat, gab es Stress deswegen. Wir waren früher so sehr voller Energie – sie musste entladen werden. Diese Zeit war einfach so: Energie, Aufregung, neue Sichtweisen, neue Dinge. So war die ganze Kunst- und Unterhaltungsbranche drauf. Das ist ja so schon genauso in der Belle Époque in Paris oder bei den Beatniks in den USA passiert. Auf nichts warten, sondern los und tun!

Nach Ihrem zweiten Album „Music For Pleasure“ im Jahr 1977 haben Sie sich aufgelöst. Warum denn bloß?

Ich weiß es bis heute selbst nicht. Wir saßen in einem Pub und Brian James, unser Gitarrist, meinte auf einmal, dass er die Band beenden will. Ich dachte immer, ich kenne ihn, aber eigentlich kannte ich ihn gar nicht. Wir waren alle total geschockt. Und nachdem er das gesagt hatte, ist er gegangen und wurde quasi nie wieder gesehen. Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Ich wollte eigentlich nie Sänger in einer Band sein, sondern Künstler. Brian und Captain Sensible waren es, die diese Band so sehr wollten. Und auf einmal war der eine weg! Dann haben wir eine Woche lang nachgedacht und die Erkenntnis war: Wir wollten Songwriter sein, haben uns einen neuen Gitarristen gesucht und wurden eine neue Band. So ist das bei uns oft geschehen.

Wie ist das Verhältnis unter den Bandmitgliedern heute?

Am nächsten waren wir uns in den 80ern. Heutzutage ist es anders. Wir lieben, was wir tun, aber wir treffen uns nicht außerhalb von Band-Dingen. Wir wohnen auch alle total verstreut. Aber wenn wir uns sehen, ist die Atmosphäre immer sehr gut.

Warum heißt das neue Album „Darkadelic“?

Ich wollte einen Begriff, der nichts aussagt. Er repräsentiert den dunklen Teil der Band und Psychedele. Beides war immer in uns. Aber es ist weder komplett dunkel noch komplett psychedelisch.

Für mich klingt das Album an vielen Stellen nahezu poppig. Da sind Hits drauf.

Ja. Ich habe auch absolut nichts gegen gute Popmusik. Das ist einfach so aus uns rausgekommen. Und wir alle sind beim Schreiben dahin zurückgegangen, was wir selbst am liebsten hören und uns beeinflusst hat. Wir haben mit dem Album vieles richtig gemacht. Wir können stolz auf uns sein, es reflektiert unsere besten Seiten.

Wovon handelt der Song „The Invisible Man“?

Erst ging es in dem Song nur darum, dass man einfach irgendwo ist und sich ignoriert fühlt. Aber dann wurde es für mich immer mehr der tatsächliche Unsichtbare aus dem Horrorfilm von James Whale aus dem Jahr 1933. Claude Rains ist darin so großartig! In diesem Jahr wird der Film auch 90 Jahre alt. Im Song geht es nun um das Gefühl von Macht und die Dinge, die man tun kann, wenn man unsichtbar ist.

Im Song „You’re Gonna Realize“ singen Sie „You’re gonna realize the past is just the past. The now is just the now. You gotta seize it to be saved.“ Wie meinen Sie das?

Der Song handelt davon, nichts zu bereuen. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man im Leben an einen Punkt kommt, an dem man sagt: Hätte ich das nur gemacht, wäre ich doch bloß dies und das gewesen. Man muss alles ausprobieren und kann dann gerne scheitern, anstatt es gar nicht zu versuchen. Ich kenne so viele Menschen, die so reden. Hätte ich doch bloß die Welt bereist! Ja, warum hast du es denn nicht? Es gibt immer einen Weg. Ich bin mittlerweile in dem Alter, wo ich viel über so etwas nachdenke.

Bereuen Sie etwas?

Sehr viel. Aber bei mir ist es nicht so, dass ich etwas nicht gemacht hätte. Ich habe sehr viel ausprobiert, als ich jung war. Damit ich werden konnte, wer ich bin. Meine Reue dreht sich eher um persönliche Dinge – und darüber versuche ich nicht zu grübeln. (lacht)

„Darkadelic“ ist bei EarMusic erschienen.

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