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Spice-Girl Melanie C. spricht im Interview über Girl-Power und Hamburg-Liebe


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Die Britin Melanie Chisholm alias Melanie C (46) hat Höhen und Tiefen im Musikbusiness erlebt und ist damit der perfekte (Weltstar-)Gast für das diesjährige Reeperbahn Festival, wo sie als Jurorin des Anchor Awards in Aktion tritt. 20 Millionen Platten hat das Spice Girl als Solo-Künstlerin verkauft. Mit ihrem siebten Album, das so heißt wie sie selbst, steht sie bereits in den Startlöchern. Jeder Song ist ein hymnenhaftes Statement für mehr Selbstbewusstsein und Selbstliebe. Im MOPOP-Interview spricht sie über Frauen in der Musik, die Bedeutung von Girl Power in 2020 und ihre Zusammenarbeit mit jungen KünstlerInnen.

Mrs. Chisholm, was bedeutet Hamburg für Sie?

Ich fühle mich hier immer zu Hause. Durch den Hafen, die Beatles und die großartige Musikszene ist da eine Verbindung zu meiner Geburtsstadt Liverpool. Meine Solokarriere in Deutschland hat viel mit dieser Stadt zu tun: Hier war lange Zeit meine Plattenfirma, bevor ich mein eigenes Label gründete. Und es ist der Ort, wo ich unzählige Male gespielt habe – zuletzt 2017 im Mojo Club. Es ist toll, fürs Festival auf die Reeperbahn zurückzukehren.

Melanie C fühlt sich in Hamburg zu Hause

Sie sind Jurorin für den Anchor Award. Ist Talentsuche neu für Sie?

Ich habe schon mal Jesus gefunden! Zusammen mit Andrew Lloyd Webber suchte ich für die Musical-Produktion „Jesus Christ Superstar“ meinen Co-Star. Das war ein großer Spaß. Und ich war Jurorin bei „Asia’s Got Talent“. Das war aufgrund der verschiedenen Kulturen, Sprachen und historischen Performance-Arten für mich noch ein bisschen seltsamer als ein Reeperbahn-Festival unter Pandemie-Bedingungen.

Was gefällt Ihnen am Anchor Award?

Meine größte Leidenschaft ist die Live-Musik – sowohl meine eigene auf die Bühne zu bringen, als auch Konzerte anderer KünstlerInnen zu schauen. Deshalb bin ich hier voll in meinem Element und bevorzuge diese Jurorenrolle gegenüber den bisherigen.

Was ist Ihnen beim Künstlernachwuchs wichtig?

Mir fällt es schwer, über andere KünstlerInnen zu richten. Ich habe wohl zu viel Empathie. Also lasse ich mich als Musikliebhaber auf die Sache ein. Ich wünsche mir, dass besagter Act eine Verbindung zu mir aufbaut, Emotionen bei mir hervorruft und sich deutlich absetzt vom Rest.

Es sind viele Frauen unter den Nominierten.

Das ist mir auch sofort aufgefallen und eine gute Sache. Ich hatte mich über die Nominierten aus den Vorjahren informiert: Freya Ridings, Jade Bird und Celeste haben sich toll entwickelt in England. Das ist ein Indikator dafür, dass der Anchor Award wirklich angesagte Talente zeigt.

Das waren noch Spice-Girls-Zeiten! Foto: imago images/United Archives
Das waren noch Spice-Girls-Zeiten! Foto: imago images/United Archives

Im Rahmen der angedockten „Keychange“-Initiative haben sich schon jetzt weit über 100 Festivals darauf verständigt, bis 2022 zur Hälfte Frauen in ihr Musikprogramm aufzunehmen. Finden Sie so eine Quote gut?

Ja, sie ist wichtig. Natürlich ist es gleichzeitig traurig, dass es nur so geht, um Sichtbarkeit und Gleichstellung von Frauen im Musikbusiness zu erreichen. Es hat sich auch schon vieles getan, aber es reicht natürlich noch lange nicht. Und es geht ja auch um angrenzende Bereiche: Das Umfeld in Tonstudios ist immer noch männlich dominiert. Egal, ob es sich um Tontechniker, Produzenten oder Sessionmusiker handelt. Deswegen müssen wir dem Ganzen noch einen Stoß in die richtige Richtung geben, bis das ganze zur Selbstverständlichkeit wird. 

Versuchen Sie auch etwas in Ihrem Umfeld zu ändern?

Klar. Drei meiner letzten Videos hat die deutsche Regisseurin Sylvie Weber gemacht. Sie ist brillant und umgibt sich mit Frauen. Bisher war meine Erfahrung, dass auch am Videoset fast nur Männer arbeiten. Dass das Umfeld nun total weiblich war, fühlte sich gut an – die Energie ist sehr anders. Und ich fand es toll, diese Frauen zu unterstützen und von ihnen unterstützt zu werden. 

„Das Umfeld bei meinen letzten Videodrehs war total weiblich, das fühlte sich gut an – die Energie ist sehr anders.“

Melanie C

Für Ihr neues Album haben Sie mit vielen jungen KünstlerInnen zusammengearbeitet. 

Das ist immer sehr lustig. Wenn sie mich das erste Mal treffen, sind sie immer überaus respektvoll, weil sie alle irgendwie Spice-Girls-Fans waren als Heranwachsende. Sie erzählen mir dann von ihren Erinnerungen an die Zeit. Das ist ein gutes Gefühl! Ich liebe es, mit ihnen zu arbeiten, weil sie kulturell und musikalisch sehr andere Bezugspunkte haben als ich. Ich mache Musik schon so lange und dann diesen frischen Enthusiasmus von jüngeren Co-Writern, KünstlerInnen und ProduzentInnen dabei zu haben, machte es aufregend für mich. 

Für Ihren am Mittwoch erschienenen Track „Fearless“ räumen Sie der Rapperin Nadia Rose, der Cousine von Shootingstar Stormzy, dann auch reichlich Platz ein.

Es ist eher eine Kollaboration als ein Feature. Ich bin ein riesiger Fan von Stormzy, aber Nadia spielt in ihrer eigenen Liga. Sie ist ein tolles Vorbild für junge Frauen, in dem was sie tut. Wir sprachen darüber wie es ist als Frauen in der Musik, wie viel Mut man immer wieder aufbringen muss, um diesen Traum zu leben. Egal, ob es darum geht, dich vor Tausenden von Leuten auf eine Bühne zu stellen oder zu einer Songwriting-Session in das Haus eines Fremden zu gehen. Genau davon handelt dieser Song, der hoffentlich auch andere ermutigt.

Melanie C ist stolz darauf, ein Spice Girl zu sein

Mit den Spice Girls haben Sie den Begriff der Girl Power etabliert.

Deshalb bin ich auch so stolz, ein Spice Girl zu sein! Dabei war es nicht Teil des Plans. Als wir in den 90ern durchstarteten, wuchs diese Idee eher durch Zufall in uns. Wir machten unsere Erfahrungen mit dem Sexismus in der Musik- und Medienwelt, und das machte uns wütend. Sie sagten uns, dass wir niemals so erfolgreich sein könnten wie eine Boyband. Irgendwann kapierten wir, dass wir mit starkem Beispiel voran gehen mussten.

Haben Sie gesellschaftlich etwas bewegt?

Ich treffe oft Frauen, die heute ihr eigenes Business betreiben und trotzdem Familie haben. Und die sagen mir dann, dass wir sie ermutigt und bestärkt haben zu tun, was sie tun wollten. Das ist immer ein Wow-Moment für mich! Denn es war damals auch mit viel Druck verbunden, Vorbild für junge Mädchen zu sein. Aber es hat sich gelohnt, wie man immer wieder sieht.

Girl Power ist erwachsen geworden!

Ex-Spice-Girl Melanie C

Bedeutet der Begriff Girl Power heutzutage etwas anderes?

Girl Power ist erwachsen geworden! Und hat sich weiterentwickelt. Feminismus kann manchmal beängstigend und zu intellektuell rüberkommen. Als wir ihn mit den Spice Girls zum Thema machten, war es ein sehr verständlicher Feminismus für junge Menschen und Kinder. Girl Power klang so positiv und war leichter zu verdauen. Wenn du dann älter wirst, realisierst du, was diese Stärke für dich und deine Lebenspläne wirklich bedeutet. Girl Power bedeutet also verschiedene Dinge für verschiedene Menschen, aber die Essenz davon ist immer noch dieselbe.

Bei der Eröffnungsveranstaltung des Festivals im Operettenhaus kamen Sie im Sportanzug auf die Bühne – war das ein Gag?

Nein! Sportbekleidung ist in der Alltagsmode einfach extrem angesagt. Ich habe sie immer gern getragen als ich jung war. Dann kam die Phase, wo ich gegen das Sporty-Spice-Image rebellierte und mir sagte: „Ich bin jetzt erwachsen, ich muss reifer sein, femininer.“ Aber heute weiß ich, dass Sporty Spice immer ein Teil von mir ist.

Album: Melanie C – „Melanie C“ (Red Girl Media/Rough Trade), Veröffentlichung am 2. Oktober

Infos zum Anchor und Keychange

Zum fünften Mal wird auf dem Hamburger Reeperbahn Festival der Anchor-Award vergeben. Für Musikfans ist er eine gute Orientierungshilfe, auf welche Acts man ein Auge haben sollte – für die Nominierten ist es im besten Falle ein Sprungbrett in Richtung internationale Karriere. Zur Jury gehören neben „Sporty Spice“ Melanie C in diesem Jahr Seeed-Frontmann Frank Dellé, Moderator Markus Kavka, die australische Musikerin Brody Dalle, die für „Mastering Engineering“ mit vier Grammys ausgezeichnete Darcy Proper sowie abermals der Jury-Vorsitzende und David-Bowie-Produzent Tony Visconti. Die drei Letztgenannten werden die Konzerte der Preisanwärter pandemiebedingt via Stream von New York aus verfolgen müssen. So viel lässt sich aber jetzt schon sagen: 2020 ist der Anchor weiblich! Denn zu den fünf Nominierten (die Schweizer Indie-Electronic-Band L’Eclair musste ihre Teilnahme kurzfristig absagen) gehören das deutsche Indiepop-Gesamtkunstwerk Arya Zappa sowie das Indie-Electronic-Duo Ätna, die französische Selfmade-Singer-Songwriterin Suzane, die norwegische Alternative-Rock-Solo-Künstlerin Tuvaband aka Tuva Hellum und die niederländische Synthpop-Elfe Eefje de Visser.

Die Nominiertenliste spielt damit der 2017 gegründeten Keychange-Intitiative des Reeperbahn-Festivals in die Karten, die sich für Geschlechtergerechtigkeit in der Musikbranche einsetzt. Denn weibliche, trans- und non-binäre KünstlerInnen haben weniger Auftrittsmöglichkeiten als Männer, verdienen weniger und bekommen schwieriger Jobs. Das soll sich mit Keychange ändern! Gemeinsam mit starken internationalen Partner*innen wie der PRS Foundation, Musikcentrum Sweden, Iceland Airwaves, BIME, der Tallinn Music Week und Mutek hat das Reeperbahn Festival den Keychange-Pledge entwickelt: In 50 Prozent der Acts in Festival und Konferenzprogramm ist mindestens ein Mensch weiblichen, trans- oder non-binären Geschlechts vertreten. Insgesamt machen bereits 180 Festivals bei der Aktion mit. Die Anchor-Award-Verleihung wird heute (19. September) vor Live-Publikum im St. Pauli Theater stattfinden. Die Show kann ab 18.30 Uhr auch im Stream verfolgt werden. 

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