Folgen Sie uns

Wonach suchen Sie?

Interviews

„Sexismus? Klar gab es den!“: Die beiden Frauen der deutschen Synthpop-Kultband Propaganda sind zurück

xPropaganda um Claudia Brücken (r.) und Susanne Freytag gab es in den 80ern schon einmal – ohne das X. Foto: Universal
xPropaganda um Claudia Brücken (r.) und Susanne Freytag gab es in den 80ern schon einmal – ohne das X. Foto: Universal
Foto:

xPropaganda um Claudia Brücken (r.) und Susanne Freytag gab es in den 80ern schon einmal – ohne das X. Foto: Universal

„Es kann sein, dass ich gewisse Worte im Deutschen nicht mehr finde“, entschuldigt sich Claudia Brücken gleich zu Beginn des Zoom-Gesprächs aus London. Mit Susanne Freytag war sie Mitte der 80er Gesicht, Stimme und weiblicher Teil des Düsseldorfer Synthpop-Kolletivs Propaganda, das mit Hits wie „Dr. Mabuse“ und „Duel“ sowie dem Album „A Secret Wish“ Pionierarbeit leistete. Doch es dauerte nicht lange und die Band ging im Streit auseinander. Brücken lebt seit damals in London, Freytag residiert im südenglischen Hastings. 38 Jahre später haben sie sich mit Propaganda-Produzent Stephen Lipson getraut und das neue Album „The Heart Is Strange“ aufgenommen, mit dem sie den typischen Propaganda-Sound wieder aufleben lassen. Wie sie in Düsseldorf zusammenfanden, wie die Männerdominanz in der Band für sie zum Problem wurde, warum sie sich nun xPropaganda nennen und die neue Platte gerade recht kommt, erzählen Brücken und Freytag im MOPOP-Interview. 

MOPOP: Frau Brücken, als die Propaganda-Debüt-Single „Dr. Mabuse“ 1984 zum Hit wurde, waren Sie noch Schülerin. Hebt man da nicht ab?

Claudia Brücken: Ich war gerade noch in den Abiturprüfungen. Das war schon irre, aber so richtig habe ich das damals gar nicht gerafft. Ich weiß noch, dass meine Kunstlehrerin mir fünf Tage frei gab, weil ich für den Videodreh nach England reisen sollte. Ich musste dafür ihre Erlaubnis einholen. Und ich erinnere mich, wie ich mit dem fertigen „Dr. Mabuse“-Video auf VHS-Kassette zu ihr kam. Sie hat es sich angeguckt und war unheimlich stolz auf mich. Das war so ergreifend. Sie hat dann das Video während der Pause für die ganze Schule abgespielt, so stolz war sie.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

PGlmcmFtZSB0aXRsZT0iUHJvcGFnYW5kYSAtIERyIE1hYnVzZSIgd2lkdGg9Ijg4MCIgaGVpZ2h0PSI2NjAiIHNyYz0iaHR0cHM6Ly93d3cueW91dHViZS1ub2Nvb2tpZS5jb20vZW1iZWQvYkhLbTRtTFRMczg/ZmVhdHVyZT1vZW1iZWQiIGZyYW1lYm9yZGVyPSIwIiBhbGxvdz0iYWNjZWxlcm9tZXRlcjsgYXV0b3BsYXk7IGNsaXBib2FyZC13cml0ZTsgZW5jcnlwdGVkLW1lZGlhOyBneXJvc2NvcGU7IHBpY3R1cmUtaW4tcGljdHVyZSIgYWxsb3dmdWxsc2NyZWVuPjwvaWZyYW1lPg==

Also war „Dr. Mabuse“ erst ein Schulhof-Hit, bevor es zum richtigen Hit wurde?

Brücken: So kann man das sagen. Ich bin deshalb nicht abgehoben, es war eher so, dass alles so neu und überraschend war, dass ich dachte: Oh, was kommt da denn jetzt auf mich zu?

Sie sind dann nach London gezogen, wo Propaganda unter die Fittiche von ZTT Records genommen wurden, dem Label von Musikproduzent Trevor Horn. Wie haben dort die meist männlich besetzten Bands reagiert?

Brücken: Ich glaube, viele hatten Schiss vor uns beiden. Wenn ich mir heute Auftritte von damals ansehe, dann muss ich auch sagen, dass wir schon sehr streng rüberkamen. Da sieht man kein Lachen, es durfte auch nicht gelächelt werden. Es herrschte eher die Attitüde: Don’t you mess with me! Aber hinter den Kulissen hatten wir natürlich schon Spaß. 

Susanne Freytag: Das wollte ich gerade sagen: Klar, war da ‘ne Menge Sexismus dabei, aber wir hatten auch unseren Spaß. Und es war auf jeden Fall gut, dass wir zwei uns hatten und das zusammen erleben konnten.

„A Secret Wish“ von Propaganda: Meilenstein des 80er-Synthpop

Das Debütalbum „A Secret Wish“ ist über die Jahrzehnte gewachsen, hat irgendwann die Marke von einer Million verkauften Tonträgern gesprengt und ist zu einem 80er-Synthpop-Meilenstein geworden – und Propaganda zur Kultband. Was glauben Sie, hat dazu beigetragen?

Brücken: In erster Linie die Musik, das Musikalische in der Musik. Wie wir damals vermarktet wurden, als etwas Mysteriöses, hat sicherlich zu dem Mythos beigetragen. Aber letztendlich geht es immer um die Sprache der Musik. 

Freytag: Die Mischung aus den verschiedenen Leuten hat unheimlich viel ausgemacht: Da war die Band aus fünf komischen Deutschen, wie sie uns nannten, und das englische Produktionsteam bestehend aus Trevor Horn und Stephen Lipson sowie NME-Journalist Paul Morley und Geschäftsfrau Jill Sinclair, die zum Gründungsteam von ZTT Records gehörten. 

Aber hatten sie nicht extra nach einer deutschen Band gesucht, die aus Düsseldorf kam, der Heimat von Kraftwerk, die zu der Zeit bereits ihr wichtiges Album veröffentlicht hatten?

Brücken: So dachte zumindest Paul Morley! Es war eine Kette von Ereignissen, die dazu führte, dass wir nach London zu ZTT Records kamen. Angefangen von der Kassette mit Demo-Aufnahmen, die Ralf Dörper dem NME-Redakteur Chris Bohn vorspielte, der wiederum befreundet war mit Paul. Es war ein Klüngel aus Kreativen, was uns sehr geholfen hat.

Gibt es Momente von damals, über die Sie heute noch lachen müssen?

Freytag: Da fallen mir als erstes unsere vier Tage in Japan ein, wovon wir zwei in Tokio verbrachten, völlig gejetlagged.

Brücken: Propaganda hatten jeweils zwei Auftritte pro Tag: einmal nachmittags und einmal abends. Wir kamen auf die Bühne, und es war total still. Du hast gedacht, du bist in einem leeren Raum. Das war eine vollkommene Blade-Runner-Erfahrung. Dieser ganze Trip eigentlich. 

Wie ist es, wenn Sie heute Ihre Auftritte oder die Videoclips aus den 80ern ansehen?

Brücken: Ich finde das irgendwie total süß. Man hat eine biografische Präsentation von seiner Karriere in Ton und Bild. Das ist fantastisch zu haben und zu sehen! Ich finde es immer unfassbar, wie jung wir aussehen. Jedes Mal denke ich: Meine Güte, war ich jung!

Frau Brücken, Sie haben schon in den 2000ern gesagt, als Frau dürfte man im Musikbusiness nicht älter werden. Wie sehen Sie das heute?

Brücken: Vielleicht stimmte das mal oder stimmt auch heute noch, aber mittlerweile habe ich meine Einstellung geändert. Denn wie schräg ist das eigentlich? Es macht mir solchen Spaß zu singen und Musik zu machen – warum sollte ich mit der Musik aufhören, nur weil ich keine 30 mehr bin? 

Freytag: … und mich dadurch selbst limitieren!

Die Gesellschaft öffnet sich gerade in allen Richtungen, so scheint es.

Freytag: Den Eindruck habe ich auch.

Brücken: Aber Social Media kann schon sehr brutal sein, ne? Da kommen Leute auf den Gedanken, einen Bildervergleich zu machen – und stellen dein Foto von damals neben das von heute. Oder es werden Kommentare unter Bilder geschrieben wie „Oh, sieht die alt aus“. Die Leute denken vielleicht, so etwas würde man nicht sehen oder vielleicht ist es ihnen auch egal. Aber ich frage mich dann immer: „Warum schreibst du das jetzt? Wenn du nichts Nettes sagen kannst, sei doch still.“ Das ist Altersdiskriminierung vom Feinsten. 

Freytag: Wir sind nun mal keine 20 oder 30 mehr. Aber zum Glück haben wir zu einer Einstellung gefunden, wo wir uns sagen: „Scheiß egal jetzt, wir machen’s einfach. Und wenn’s deshalb niemand hören will, dann Pech.“ Yoko Ono stand noch mit 80 auf der Bühne. Patti Smith mit 75. Die trägt ihre grauen Haare und denkt sich: Scheiß drauf! Genau da muss man hinkommen. Das finde ich authentisch – so möchte ich sein. Ich möchte mich nicht ständig verstecken oder verstellen, optimieren und zurechtspritzen lassen müssen. Ich finde es gut, wenn man einfach mit Würde alt wird und bewusst sagt: Okay, dass ich so alt bin, sieht man nun mal.

Wir sind nun mal keine 20 oder 30 mehr. Aber zum Glück haben wir zu einer Einstellung gefunden, wo wir uns sagen: „Scheiß egal jetzt, wir machen’s einfach. Und wenn’s deshalb niemand hören will, dann Pech.“ Yoko Ono stand noch mit 80 auf der Bühne. Patti Smith mit 75. Die trägt ihre grauen Haare und denkt sich: Scheiß drauf! Genau da muss man hinkommen.

Sie leben Beide in England. Haben Sie noch Kontakte zur Szene von damals – Frankie Goes To Hollywood, Art Of Noise und ABC zum Beispiel, die in den Achtzigern ebenfalls von Trevor Horn produziert wurden? 

Brücken: Trevor hat ein paar Sachen gehört und auch einen Credit auf dem Album. Er hat die Idee dieses Albums sehr supportet und war uns auch moralisch eine große Stütze. J. J. Jeczalik von The Art Of Noise ist uns mal bei einem unserer Auftritte über den Weg gelaufen. Die Musikwelt in London ist ziemlich klein, da kreuzen sich die Wege dann doch hin und wieder. Die Freude ist immer groß, wenn man sich mal wieder sieht. 

Gibt es noch viele Verbindungen zu Deutschland? 

Freytag: Ich bin noch oft in Berlin, auch wegen meines Bruders.

Brücken: Ich bin eigentlich oft in Düsseldorf. Nach zwei Jahren Pandemie war ich gerade das erste Mal wieder für einen Monat dort, um meine Familie wiederzusehen. Das war wunderbar. Musikalisch ist da auch immer noch eine Riesenverbindung zu Deutschland. Mit dem deutschen Elektronik-Musiker Jerome Froese habe ich 2018 ein gemeinsames Album herausgebracht. Und ich singe auf einem Lied des neuen Albums von Wolfgang Flür mit – und Peter Hook spielt seinen Bass dazu.

xPropaganda: Neue Platte passt gut in die schweren Zeiten

Das unterkühlte Image und den Sound von Propaganda konnte man in den 80ern mit dem Kalten Krieg in Verbindung bringen. Vielleicht passt es deshalb ganz gut mit der neuen Platte?

Brücken: Wenn ich mir unseren neuen Song „The Wolves Are Returning“ anhöre, spricht der genau die dunklen Themen an, die wir jetzt haben. Er ist aktueller, als es uns lieb ist. Ich sehe die Nachrichten und lege unsere Zeile daneben: „The wolves are returning they are on the rise again…“ 

Freytag: Es existierte vorher schon eine bedrohliche Stimmung, die wir in die Songs mitaufgenommen haben. Wir fingen mit dem Album an, als Trump noch US-Präsident war. Und nun trifft es voll auf die 12. Ich wünschte, es würde nicht so gut passen.

Die Textstelle „Nothing is certain – nichts ist mehr sicher“ trifft es. 

Brücken: Absolut. Es ging uns ursprünglich darum, Aufmerksamkeit für die Gefahr zu kreieren. Das Bewusstsein dafür ist jetzt sowieso vorhanden. Aber man kann nicht genug Anti-Songs haben, die für Veränderung appellieren. Die Freundlichkeit ist der Gesellschaft abhandengekommen. Aber Hoffnung macht, dass es gerade jetzt so viele Taten der Nächstenliebe gibt, so dass man zum Glück sagen kann: Die Liebenswürdigkeit ist doch noch nicht gänzlich verschwunden. 

Hat es rechtliche Gründe, dass das Album unter dem Namen xPropaganda erscheint?

Brücken: Ja, das ist ein Grund. Ein anderer ist, dass wir nicht die Original-Band von damals sind. Wir sind etwas anderes, und das wollten wir signalisieren. Gleichzeitig verleugnen wir nicht unsere Vergangenheit, denn das ist ja auch unser Erbe, und wir identifizieren uns in diesem Setup als das, was wir damals waren. Das x vor Propaganda bekam irgendwann ein Eigenleben. Grafisch und auch wie wir in den Sozialen Medien über das Album kommunizieren, machen wir das x ganz präsent.

Freytag: Es ist eben kein x wie Ex-, sondern im Englischen heißt es so schön: „X marks the spot – das Kreuz zeigt auf die Stelle.“ Unser x ist in seiner Wirkung vergleichbar mit einem Ausrufungszeichen.

In den Hochzeiten von Propaganda sollen Sie sich nicht wie ein vollwertiger Teil der Band gefühlt haben. Sie waren zwar die Gesichter von Propaganda, ansonsten hatten aber die Männer das Sagen.

Freytag: Wir sind uns im Nachhinein über vieles bewusst geworden, was damals passiert ist. Wenn man Anfang 20 ist und da so reinrutscht, ist alles neu und spannend. Es hat lange gebraucht, bis wir diese Mann-Frau-Differenzen für uns realisiert haben. Die Männerdominanz war schon gravierend.

Brücken: Du meinst der Sexismus? Ja, auf jeden Fall gab es den. Besonders im Musikgeschäft. Da hieß es dann: Stellt euch mal nach vorne, ihr seid die Frauen…

Freytag: … und wackelt mal mit dem Arsch.

Brücken: Dieser männlich dominierte Geist ist noch nicht ganz weg aus diesem Business. Es läuft heutzutage noch so, vielleicht aber nicht mehr ganz so schlimm.

Ich habe Sie immer als starke Frontfrauen wahrgenommen. Wie Hüpfdohlen sind Sie jedenfalls nicht rübergekommen.

Brücken: So haben wir uns auch nicht verstanden. Aber es war auf jeden Fall durch die anderen Bandmitglieder unterschwellig zu spüren, für was sie uns hielten.

Haben Sie sich darüber nachträglich mit den Herren ausgetauscht? Mit Gründungsmitglied Ralf Dörper (heute Die Krupps) kommen Sie doch wieder ganz gut klar, oder?

Freytag: Es geht so. Ich würde sagen, es ist schwer. Claudia hat es mal auf den Punkt gebracht: Es ist über all die Jahre eine dysfunktionale Beziehung gewesen. Wirklich schwierig. Ohne jetzt nur mit dem Finger auf die anderen zu zeigen, aber es hat einfach nicht funktioniert. Wir hätten es uns gewünscht, und ich glaube, auch die anderen wollten es gerne. Aber es ging nicht.

Die Herren sehen es wahrscheinlich nicht so gerne, dass Sie jetzt als xPropaganda unterwegs sind?

Freytag: Ich weiß nicht, wie sie das sehen oder was sie darüber denken.

Brücken: Ich weiß nur, dass ich mich mittlerweile mental gelöst habe. Sobald das geschafft war, ging es voran mit dem Album. Die Dinge fügten sich, und es konnte Neues entstehen.

Freytag: Ja, es gingen wirklich Türen auf.

Wie wichtig war es, dass „A Secret Wish“-Produzent Stephen Lipson auch diesmal Teil des Teams war? Man hört die Kontinuität im Sound, es klingt trotzdem fresh und kraftvoll. 

Brücken: Danke! Es war absolut wichtig, Stephen dabei zu haben. Er ist so ein Guter. Und es war eine wahre Freude mit ihm. Was geholfen hat: In den Achtzigern sind wir auch nicht mit so einer Riesenerwartung rangegangen. Und dann wurde „A Secret Wish“ auf einmal auf ein Podest gestellt. Wir haben uns gefragt, ob wir es wirklich wagen können, ein weiteres Album zu machen. Würde es nicht immer verglichen werden mit „A Secret Wish“? Aber wir sind Musiker, wir wollen Musik machen und nicht bis an unser Lebensende nur immer über das, was vor 38 Jahren war, reden. Wir wollen den Leuten auch mal etwas Neues geben. Irgendwann haben Susanne, Stephen und ich uns einfach gesagt: „Ja, okay, dann werden wir halt verglichen. Wir machen das jetzt einfach. Wir ziehen es jetzt durch.“

Spotify

Mit dem Laden des Beitrags akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Spotify.
Mehr erfahren

Beitrag laden

PGlmcmFtZSB0aXRsZT0iU3BvdGlmeSBFbWJlZDogVGhlIEhlYXJ0IElzIFN0cmFuZ2UgKERlbHV4ZSkiIHN0eWxlPSJib3JkZXItcmFkaXVzOiAxMnB4IiB3aWR0aD0iMTAwJSIgaGVpZ2h0PSIzODAiIGZyYW1lYm9yZGVyPSIwIiBhbGxvd2Z1bGxzY3JlZW4gYWxsb3c9ImF1dG9wbGF5OyBjbGlwYm9hcmQtd3JpdGU7IGVuY3J5cHRlZC1tZWRpYTsgZnVsbHNjcmVlbjsgcGljdHVyZS1pbi1waWN0dXJlIiBsb2FkaW5nPSJsYXp5IiBzcmM9Imh0dHBzOi8vb3Blbi5zcG90aWZ5LmNvbS9lbWJlZC9hbGJ1bS8xZlNGZ212UkZ0cnNlemJJbHA1elN3P3NpPWFGOHVXS3JiU0dxY0haM1NNcHFmaUEmdXRtX3NvdXJjZT1vZW1iZWQiPjwvaWZyYW1lPg==

Auch deutschsprachige Sätze haben es in die neuen Songs geschafft. War Ihnen das wichtig?

Freytag: Klar, wir haben ja auch viele deutsche Fans. Als wir „A Secret Wish“ im März 2018 bei zwei Gigs in London live gespielt haben, waren auch viele Deutsche vor Ort. Zuvor waren wir schon in Bochum und Berlin aufgetreten, da ist mir zum ersten Mal aufgefallen, wie viele ehemalige Ost-Berliner und Ost-Deutsche Fans von Propaganda waren. Die hatten sich die Platte auf dem Schwarzmarkt gekauft, das hatte ich zuvor überhaupt nicht auf dem Schirm. Ich fand das unheimlich berührend.

Brücken: Der Synthpop kam im Osten unheimlich gut an. Dass Propaganda ihn dann noch mit Frauenstimmen präsentierten, machte es besonders. Synthpop war damals generell sehr männerorientiert. Es war also etwas Neues, als Susanne und ich auf den Bildschirm kamen. 

Als Heranwachsende waren Sie Ende der 70er oft im Ratinger Hof. Ist es ein Mythos oder war die Zeit damals wirklich so cool in Düsseldorf?

Freytag: Da haben wir uns ja kennengelernt, vorm Ratinger Hof. Es war eine irre Zeit: In der Ratinger Straße war der Punk und die Eletronic Music Zuhause. So viele Punks und Künstler waren dort. Und es gab so viele Genres: von Psychedelic über Progrock bis Krautrock.

Brücken: Die Kunst-Uni war direkt hinter der Ratinger Straße. Die Fusion aus Kunst und Musik war allgegenwärtig. Es gab Künstler, die Musik machen wollten, und Musiker, die Bilder malen wollten. Es gab keine Ablenkung durch Gaming oder Internet wie heute. Alles lebte sich sehr präsent auf besagter Straße aus. Das war schon unglaublich aufregend. Aber deine Jugend ist eh aufregend und spannend.

Freytag: Hinzu kam, dass Düsseldorf sehr klein ist im Gegensatz zu London, wo wir danach hinzogen. In London verteilte es sich alles mehr, da gab es nicht die eine Szene. Wenn man aber auf die Ratinger Straße rausging, waren da gerade mal drei Kneipen und du sahst eigentlich immer die gleichen Leute. Das war toll. Auch Ralf Dörper haben wir so kennengelernt.

Brücken: Und Kraftwerk! Die waren ständig im Ratinger Hof und standen da cool rum. Alle waren supercool! Und alle wollten kreativ und in einer Band sein. 

Erst waren Sie Zuschauer, dann mittendrin…

Brücken: Susanne und ich sind da zufällig reingerutscht. Ich denke, wenn wir es unbedingt gewollt und darauf angelegt hätten, wäre das mit uns bei Propaganda nie passiert. So war es das Beste überhaupt. 

Freytag: Wir waren natürlich vorher schon interessiert an Musik. Ich denke da an unsere ersten Versuche mit unserer Mädchenband The Tripolinas. 

Brücken: Damals war das unser Zeitvertreib. Ich war mit 14 in meiner ersten Band. Da ging es noch gar nicht ums Musikmachen, sondern eher um Kuchenessen, sich zu schminken und zu stylen. 

Wie unschuldig!

Brücken: Total. Trotzdem hatten ich Musik schon auf dem Radar. Ich erinnere mich gut, als 1978 die erste Platte der Nina Hagen Band rauskam. Die war unheimlich wichtig für mich. Als ich sie hörte, war ich getrieben von dem Wunsch in einer Band zu sein und selbst Musik zu machen. Daraufhin ist unsere Mädchenband entstanden. Und dann sind wir irgendwie in die andere Band gehüpft oder gesprungen. 

Album: xPropaganda – „The Heart Is Strange“ (ZTT Records/Universal)

Konzert: 8.11., 20 Uhr, Kent Club Tickets für 45 Euro hier

Das könnte Dich auch interessieren

Konzerte

Es geht wieder los – und wie! Denn das Programm des Stadtpark Open Air 2024 ist üppig, vielseitig und stark! Für einige Shows gibt...

News

Prinzenbar, Knust, Mojo Club, Sporthalle, 25-mal im Stadtpark und zweimal in der Barclays Arena: Johannes Oerding ist schon an vielen Orten in Hamburg aufgetreten. Jetzt plant er...

News

Das heiß erwartete neue Werk des Superstars Taylor Swift dreht sich ganz um Liebeskummer und ist von keyboardlastigem Retro-Softpop bestimmt. In der Nacht präsentierte...

Anzeige

Mehr als 2250 Newcomer haben sich für den Bühne Frei! Contest 2024 von „Let The Players Play“ beworben. 21 Talente haben es geschafft: Sie...