Philipp Poisel ist ein Künstler ohne Starallüren – neben seiner Pop-Karriere studiert er gerade Architektur. Auf seinem aktuellen Album „Neon Acoustic Orchestra“, mit dem er jetzt nach Hamburg kommt, präsentiert er autobiografische, breit orchestrierte Songs. Im Interview spricht der 41-Jährige über KI, nervige Smartphones – und über Optimismus.
Von OLAF NEUMANN
MOPOP: Wie oft erleben Sie vollkommene Konzerte, die zu 100 Prozent gelingen?Philipp Poisel: Manchmal bin ich nach einem Konzert emotional total zerstört und denke, hier können wir nie wieder hinkommen. Aber dann sagt mein Bassist, es sei unser bester Gig überhaupt gewesen. Obwohl wir auf einer Bühne stehen, leben wir offensichtlich in verschiedenen Welten, gehalten von der Illusion, dass wir irgendwie das Gleiche machen. Für mich ist ein Gig gut, wenn ich das Gefühl habe, dass das Publikum dabei ist und uns nicht mehr aus den Augen lässt.
Gibt es Tage, an denen Sie das Gefühl haben, jeder Ton ist Schwerstarbeit?
Ja logisch. Das hat manchmal auch mit der Halle zu tun, weil die Akustik jedes Mal anders ist.
Mit dem Neon Acoustic Orchestra am 16. Oktober in der Sporthalle
Ist das Live-Spielen durch irgendetwas zu ersetzen?
Ohne ein Gegenüber macht die Musik für mich keinen Sinn. Es ist ja eine Nachricht, die man an jemanden sendet. Auch wenn man auf die eigene Stimme hören muss.
Heutzutage werden Konzerte oft über den Bildschirm eines in die Höhe gereckten Smartphones im Videomodus verfolgt. Wie gehen Sie damit um?
Man kann das schwer nachvollziehen, wenn das Smartphone relativ spät in das eigene Leben gekommen ist. Neulich habe ich Leute in der Bahn beobachtet, beide ein Smartphone in der Hand, aber die haben noch eine Art Unterhaltung geführt. Für manche ist das, als liefe ein Radio oder Fernseher im Hintergrund. Es hat für sie nicht die Auswirkung wie für unsereins. Ich persönlich höre aber lieber zu, wenn im Konzert mein Lieblingslied kommt. Mir würde es nicht einfallen, dann ein Smartphone rauszuholen.
Apropos neue Techniken: Künstliche Intelligenz wird in der Musikproduktion immer mehr eingesetzt. Kommt man an dem Thema nicht mehr vorbei?
KI beeinflusst uns alle, genauso wie Technik im Allgemeinen. Ich bin selber sehr anfällig dafür und kann mich in solchen Dingen heillos verlieren. Deshalb habe ich mich bewusst gegen ein Smartphone entschieden. Obwohl die meisten meiner Mitstudierenden in ihren Zwanzigern sind, spielt KI für sie noch keine so große Rolle. Im Moment ist es eher ein Spielzeug.
Popstar Philipp Poisel studiert Architektur
KI kann genutzt werden, um neue Musik zu komponieren oder Begleitungen vorzuschlagen. Beim neuen Beatles-Song kam sie zum Beispiel zum Einsatz.
Ich weiß zwar nicht, was KI da genau gemacht hat, aber ich finde die Idee irgendwie witzig. Ich könnte mir vorstellen, genau das Gegenteil von dem zu machen, was die KI vorschlägt, weil sie ja der Durchschnitt von allem ist.
Künstler hantieren mit Mitteln, die Menschen emotional erreichen, und nehmen so durchaus Einfluss auf die Gesellschaft.
Ja. Es ist aber auch gut, sich das nicht so bewusst zu machen, sonst hat man eine zu große Verantwortung. Wenn es passiert, empfinde ich es immer als Wunder, weil es schwierig ist, zu kontrollieren, ob einem ein Song gelungen ist oder nicht.
Bleibt einem als Künstler nichts anderes übrig, als Optimist zu sein?
Ich zähle mich nicht dazu. Ich würde nicht behaupten, Daueroptimist zu sein.
Hat das etwas mit der Weltenlage zu tun?
Es hat auch mit meiner Sicht auf die Welt zu tun. Mal ist für mich alles in Ordnung, obwohl die Schlagzeilen ganz übel sind – und umgekehrt. Aber das ist eher selten der Fall.
Waren Sie schon immer ein eher melancholischer Mensch?
In der Musik vielleicht schon. Sie ist mein Weg, mit dieser Art von Emotion umzugehen. Für die anderen Emotionen habe ich meine Kumpels. Wenn man sich mit mir verabredet, habe ich nicht die ganze Zeit traurige Themen auf dem Kasten. Ich schreibe einen traurigen Song und bin hinterher gut drauf. Und dann kann man mit mir auch einen draufmachen.
Sporthalle: 16.10., 20 Uhr, 53,20-67,20 Euro
































