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Parcels: „Die Band ist für uns wie eine Therapie-Gruppe“


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Parcels haben auf jeden Fall Style ​–MOPOP sprach mit Schlagzeuger Anatole Serret (vorne rechts). Foto: Rémi Ferrante Hartman

Das Interview führte Arist von Harpe

Heute ist das neue Konzeptalbum „Day/Night“ von Parcels erschienen. Die australische Band, die in Berlin lebt, übersetzt den alten Soul-, Funk- und Disco-Sound in die Moderne. Schlagzeuger Anatole Serret sprach aus dem Proberaum-Gewusel heraus mit MOPOP über Popmusik als große Herausforderung, Metal-Einflüsse, Daft Punk, ihre besondere Verbindung zu Hamburg und darüber, wie die Band aus unglaublichen 150 Demos 19 Songs ausgewählt hat.

MOPOP: Es gibt unterschiedliche Band-Typen: gutaussehende Boybands, virtuose Frickler, perfekte Popsong-Schreiber oder welche mit besonders aussagekräftigen Texten. Ihr deckt viel von allem ab, finde ich – wo seht ihr euch?

Anatole Serret: Über unser Äußeres zu sprechen, fühlt sich komisch an. Aber klar, wir gucken schon darauf, wie wir uns anziehen – das macht uns richtig Spaß. Aber vor allem sind wir Musiker, das ist unsere Stärke. Was guten Pop betrifft: Der ist total schwer, weil er nie cheesy sein darf, aber trotzdem eingängig sein muss und nicht zu experimentell werden darf. Er darf quasi seine „musikalische Integrität“ nicht verlieren. Diese große Herausforderung macht uns aber total Spaß. Mein Mitbewohner, der die Platte schon im Entstehungsprozess hören durfte, meinte, dass wir jetzt endlich auch mal gute Texte haben. Darauf haben wir vorher nicht so viel Wert gelegt. Da waren wir eher abstrakt, nun sind wir deutlich direkter.

Der ist total schwer, weil er nie cheesy sein darf, aber trotzdem eingängig sein muss und nicht zu experimentell werden darf. Er darf quasi seine „musikalische Integrität“ nicht verlieren.

Anatole Serret über die Herausforderung Pop

Ihr wirkt sehr vertraut – stimmt dieser Eindruck?

Unsere Freundschaft ist der Kern unserer gemeinsamen Reise. Wir alle – bis auf Jules, der kam erst später dazu – waren damals auf einer sportorientierten katholischen Schule. Alle spielten Rugby – da hatten wir überhaupt keinen Bock drauf. Wir mochten Sport zwar, aber haben da nicht richtig hineingepasst und waren auch irgendwie Außenseiter. Stattdessen hingen wir im Musikraum ab. Irgendwann sagte einer: „Lasst uns doch eine Band gründen!“ Ab dann waren wir Freunde. Als wir nach Berlin gezogen sind, hat uns das natürlich noch mehr zusammengeschweißt. Und auch immer noch: Wir haben den gleichen Lifestyle und die Band ist für uns wie eine Therapie-Gruppe. Gleichzeitig geben wir uns aber auch Raum und hängen außerhalb der Musik gar nicht mehr so viel zusammen herum.

Metal ist eigentlich nur Funk mit einem Verzerrer-Pedal und er hat die gleichen Riffs wie James Browns Musik.

Jules von Parcels

Was hat euch am Anfang alles beeinflusst?

Ich fand Radiohead total geil. Wir haben aber auch Maroon 5 oder Jack Johnson gecovert. Viel Reggae oder psychedelisches Zeug war auch dabei. Jules war ganz früher auch mal in einer Heavy-Metal-Band. Er sagt immer: Metal ist eigentlich nur Funk mit einem Verzerrer-Pedal und er hat die gleichen Riffs wie James Browns Musik. Von daher: Ja, Heavy Metal ist unser Haupteinfluss (lacht).

Wann habt ihr euch gesagt: „Okay, wir meinen das ernst und machen uns auf den Weg nach Europa!“?

Nach der Schule hatten wir die Wahl: College oder reisen. Reisen fanden wir dann attraktiver. Europa war irgendwie gesetzt – Berlin war dann einfach eine Entscheidung, weil Bands dort ja nun mal auch gut aufgehoben sind.

„Day/Night“ ist ein Konzeptalbum mit 19 Tracks – es ist bei Virgin erschienen. 

 

Heutzutage läuft viel über Streaming – Singles sind wichtiger als Alben. Euer neues Album hat ein Konzept und ist weniger Single-lastig. Wie kam es dazu?

Das war irgendwie schon immer unser Dilemma und unsere Gratwanderung. Wir haben immer große musikalische Ziele – dieses Album haben wir schon vor zwei Jahren als Konzeptalbum geplant. Der Druck von Streaming-Plattformen ist aber natürlich auch immer da – am Ende machen wir Popmusik und wollen natürlich, dass vielen unsere Musik gefällt. Deswegen überlegt man sich dann auch, wie man das Konzeptalbum dennoch ansprechend und nicht zu undergroundig wirken lassen kann.

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Auf der Platte hört man ganz klar die bekannten Parcels durch, aber auch viel Neues. „LordHenry“ klingt ein bisschen nach Michael Jacksons „Off The Wall“-Zeit, bei „Theworstthing“ denkt man an das letzte Daft-Punk-Album, aber auch an die frühen Dire Straits. Kennst du die Dire Straits?

Ich liebe die Dire Straits. Dazu gibt’s auch eine Geschichte: Ich war mal mit meiner Mutter von unserem Zuhause in Byron Bay nach Sydney im Auto unterwegs, das ist eine zehnstündige Fahrt. Weil das Radio kaputt war, mussten wir CDs hören. Die von den Dire Straits wollte ich erst überhaupt nicht anmachen, weil der Name so langweilig klang. Aber dann haben wir es doch gemacht und ich war völlig geflasht: „Tunnel Of Love“, „Sultans Of Swing“, Wahnsinn! Wir haben die CD dann insgesamt achtmal gehört. Was die Einflüsse unserer jetzigen Platte betrifft: Wir hatten die Demos schon 2020 zusammen, aber dann noch viel Leerlauf bis wir ins Studio konnten. In der Zwischenzeit haben wir uns dann oft getroffen und ganz viel Musik gehört. Zum Beispiel den Blues von BB King – und dann auch versucht, das nachzuspielen. Einfach nur, um die Harmonien, Akkorde, das Arrangement und die Produktion zu verstehen. Da war auch ganz viel Musik dabei, die in unseren Sachen gar nicht vorkommt – aber wiederum die Bands, die wir super finden, beeinflusst hat. Danach haben wir uns dann wieder mit unseren eigenen Demos beschäftigt. Das war dann ein frischer Start und all das Musikhören und -machen hat uns wohl unterbewusst beeinflusst. Deswegen klingt das Album etwas nach Daft Punk, den Dire Straits oder auch nach Pink Floyd.

Das Album klingt etwas nach Daft Punk, den Dire Straits oder auch nach Pink Floyd.

Anatole

Gibt es bei euch eigentlich einen Chef? Ihr wirkt sehr demokratisch.

Uff, das ist die Millionen-Dollar Frage, aber ja: Wir sind sehr demokratisch. Am Ende haben wir alle unterschiedliche Fähigkeiten. Louie zum Beispiel ist der einzige, der es hinbekommt, uns einigermaßen gut aufzunehmen. Jules und Patrick schreiben vor allem die Songs – Noah und Louie aber übrigens auch. Das machen sie erstmal jeweils ganz alleine. Dann gucken wir, wie die Songs mit uns allen funktionieren könnten. Manchmal ist das auch traurig. Man hat einen super Song, muss aber feststellen, dass er einfach nicht zur Band insgesamt passt.

Für „Day/Night“ gab es einst 150 Demos.

Ihr hattet 150 Demos, die ihr dann erst auf 40 und dann auf 19 zusammengedampft habt. Was passiert mit den anderen 131 Tracks?

Wir haben uns einfach eine Woche vor der Aufnahme mit Stift und Zettel hingesetzt und die besten ausgewählt. Das war die Stunde der Wahrheit, da sind ganz viele Songs gestorben. Ich glaube auch nicht, dass wir die in Zukunft nochmal anfassen werden – auch wenn da noch viele schöne Sachen dabei sind. Bei der nächsten Platte wollen wir ja wieder neu starten.

Wie war es, mit Daft Punk zusammenzuarbeiten?

Der Chef unseres damaligen Plattenlabels Kitsuné hatte guten Kontakt zu ihnen und so bekamen sie unsere erste Platte zu hören. Völlig verrückt, wir waren damals die kleinste Band der Welt und das waren Daft Punk! Aber offenbar fanden sie uns so gut, dass sie zu einer unserer Shows kommen und uns treffen wollten. Durch das Treffen habe ich sie besser verstanden: Speziell Thomas Bangaltar ist krass fokussiert, ein totaler Perfektionist, aber auch superneugierig. Vermutlich mochten sie uns, weil wir irgendwie die gleichen Sachen geil fanden, obwohl zwischen uns 30 Jahre Altersunterschied liegen. Sie haben uns dann einfach in ihr Studio eingeladen. Wir wussten gar nicht, was uns erwartet. Wir haben dann erst mal stundenlang geredet und irgendwann meinten sie, ob wir nicht was aufnehmen wollen. So ist „Overnight“ entstanden. Das coolste war: Die sind null arrogant, sondern einfach extrem interessiert.

Parcels spielen am 23. September 2022 wieder in Hamburg

Letzte Frage: Was verbindet euch mit Hamburg?

Super viel. Als wir zum ersten Mal nach Berlin kamen, haben wir dort erst keine Unterkunft gefunden. Die Schwester von Jules wohnte aber damals in Hamburg und hat uns dann angeboten, dass wir erstmal bei ihr unterkommen. Dann sind wir für 7 Euro mit dem Bus nach Hamburg gefahren und haben bei ihr gewohnt. Das Krasse war, dass sie so eine unfassbar schöne zweistöckige Wohnung direkt an der Alster hatte. Ihr Freund war Architekt und hatte scheinbar Geld. Wir tauchten dann da als langhaarige Typen auf, deren letzte Dusche auch schon etwas zurücklag. Das war für mich mega skurril: Ich fliege mit meinen Jungs einmal um die ganze Welt und wache auf einmal in dieser wahnsinnigen Wohnung auf. Wir waren aber nur eine Woche da und sind dann wieder zurück nach Berlin. In Hamburg haben wir vermutlich mehr als irgendwo anders gespielt.Gerade die letzte Show, die wir in der Großen Freiheit gespielt haben, war der absolute Hammer. Das Hamburger Publikum ist irgendwie immer das wildeste.

„Day/Night“ ist bei Virgin erschienen – Parcels spielen am 23.9.2022 in der „edel-optics.de“-Arena, Tickets ab 40 Euro gibt‘s hier.

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