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Monchi: „Mein ganzes Leben war immer nur Rausch“

Auf dem Foto sitzt Monchi auf einer Sportplatz-Bank in seiner Meck-Pommer Heimat Jarmen. Nächste Woche (20./21.5.) ist er im St. ​Pauli-Theater, um aus seinem Bestseller vorzulesen. Für den zweiten Termin gibt’s noch ein paar Tickets! Foto: Bastian Bochinski
Auf dem Foto sitzt Monchi auf einer Sportplatz-Bank in seiner Meck-Pommer Heimat Jarmen. Nächste Woche (20./21.5.) ist er im St. ​Pauli-Theater, um aus seinem Bestseller vorzulesen. Für den zweiten Termin gibt’s noch ein paar Tickets! Foto: Bastian Bochinski
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Der Frontmann von Feine Sahne Fischfilet übers Abnehmen, Chips in Joghurt und sein neues Autor-Dasein

Monchi (34), der Frontmann der Punkband Feine Sahne Fischfilet, hat es geschafft, 65 Kilo abzunehmen. Darüber und über seine persönlichen Abgründe hat er das Buch „Niemals satt: Über den Hunger aufs Leben und 182 Kilo auf der Waage“ geschrieben. Vor seinen beiden Lesungen im St. Pauli-Theater (20./21.5.) sprach MOPOP mit ihm über die Angst vorm Zunehmen, Chips in Kirschjoghurt und sein neues Dasein als Bestsellerautor.

MOPOP: Es gab ja kuriose Überschriften über dich und dein Übergewicht, zum Beispiel „Fettpunker“ oder auch „Anti-Nazi-Dampfwalze“. Was hast du darüber gedacht?

Monchi: Fand ich dumm und absurd. Das habe ich einfach weggelacht und es hat mich gar nicht getroffen. Ich finde es im Rückblick aber richtig krass, wie oft mein Gewicht Thema war und zur maßgeblichsten Sache wurde. Das schreibe ich auch im Buch: Ich sehe selbst ja oft genug ein, dass ich ein schäbiger Idiot sein kann. Aber dass Zeitungen das einfach so aufgegriffen haben und denen das nicht zu dumm war! Das wäre ja so, als wenn bei uns einfach das Management oder irgendjemand unserem Album einen ganz dummen Titel geben würde. Beim Buch gab es übrigens auch einige dämliche Titel-Vorschläge. Natürlich wollte nicht, dass es „Voll fett!“ heißt oder so. (lacht)

Mit „Niemals satt“ bist du aber jetzt zufrieden, oder?

Ja, darauf bin ich zusammen mit meinem Lektor gekommen. Das Bauchgefühl war direkt: Jo, geil! Dann habe ich noch ein, zwei Leute gefragt und nach ein paar Mal schlafen fand ich es immer noch gut. Und das sehe ich bis heute so.

Von 182 Kilo auf 117: Monchi hat es geschafft, 65 Kilo abzunehmen

Wie ist denn dein aktuelles Gewicht und was macht der Jo-Jo-Effekt, vor dem du viel Angst hast?

Ich bin ja mit 182 Kilo gestartet und aktuell liege ich bei 125. Mein Bestgewicht war 117, mein schlechtestes Zwischendurch-Gewicht war mal 136. Das kann bei mir ganz schnell gehen. Aus Cheat-Days werden Cheat-Weeks. Und es ist ja leider so, dass 78 Prozent der Leute wieder bei ihrem Ausgangsgewicht oder mehr landen. Natürlich bin ich stolz darauf, dass ich 65 Kilo abgenommen habe, aber das heißt erst mal noch gar nichts. Ich habe einen Sprint gewonnen, aber das Ganze ist ein Marathon. Wenn ich zum Beispiel zu Hause bei meiner Familie bin, ist da direkt immer Gönnung und essen angesagt. Oder die Corona-Quarantäne: Da konnte ich ja überhaupt nicht raus und Sport machen. Die Angst vorm Zunehmen ist bei mir omnipräsent. Und das ist das Beschissene am Abnehmen: Mit meinen 182 Kilo damals konnte ich mir immer einreden, dass alles schick und kein Problem ist – ich habe da so viel verdrängt! Aber jetzt weiß ich, wie geil es ist, ins Fitnessstudio zu gehen und nicht wie ein Schwein zu schwitzen. Ich werde mir nie wieder einreden können, falls ich mal wieder 165 Kilo wiegen sollte, dass alles genauso gut wie vorher ist.

Monchis Buch ist bei Kiepenheuer & Witsch (320 Seiten, 18 Euro) erschienen, ein selbst gelesenes Hörbuch gibt’s auch beim Argon-Verlag.
Monchis Buch ist bei Kiepenheuer & Witsch (320 Seiten, 18 Euro) erschienen, ein selbst gelesenes Hörbuch gibt’s auch beim Argon-Verlag.

Am meisten Angst hast du sicher vor der Zeit, wenn es mit der Band so richtig wieder losgeht, oder?

Megadoll. Ich merke das ja auch schon auf meiner Lesereise. Allein an Raststätten oder backstage zu sein. Immer dann, wenn ich aus meinem Muster herausbreche, wird es richtig schwer für mich. Alleine komme ich gut klar, wenn ich einen stringenten Sport- und Ernährungsplan habe. Aber sobald ich unterwegs und unter vielen Leuten bin, wird das ein richtiger Kampf. Auf Tour wird ja mittlerweile auch was Gesundes angeboten. Aber wenn ich da vor Salat und Bockwurst stehe, nehme ich dann doch die Wurst.

Ich habe mich dann doch überwunden, es als Sucht, Essstörung oder mich als Junkie zu bezeichnen.

Monchi (34)

Bist du süchtig?

Ich habe mich im Buch ganz schwer getan, das so zu benennen. Das war echt hart, aber ich habe mich dann doch überwunden, es als Sucht, Essstörung oder mich als Junkie zu bezeichnen. Ich habe auch viele Freunde, die in der Pandemie oder schon vorher auf Alkohol, Koks und Kiffen backengeblieben sind. Und immer wenn ich mit denen darüber gequatscht habe, wann sie wieder rückfällig wurden und scheiterten, habe ich erkannt, dass es bei mir genau die gleichen Mechanismen sind. Erst wollte ich im Buch auch nicht irgendwie übertreiben oder rumheulen. Aber mir ist immer mehr klargeworden, dass das, was ich gemacht habe oder teilweise immer noch mache, auch auf meine völlige Selbstzerstörung angelegt ist.

Wann hat sich deine Sucht entwickelt?

In meinem Selbstbild war ich schon immer fett. Aber meine Eltern haben das dann irgendwann mit Fotos entkräftet. Auf meiner Konfirmation bin ich noch nahezu schlank, aber mit 16 bin ich dann komplett explodiert – mit Hautrissen und Hängetitten. Da fing dann auch die Zeit an, wo ich so richtig auf die Kacke gehauen und auf mich selbst geschissen habe.

Ich liebe es, Pringles in Kirsch-Joghurt zu tunken. Das würde ich genau jetzt auch gerne machen.

Monchi

Was triggert dich im Supermarkt am meisten?

Ich liebe es, Pringles in Kirsch-Joghurt zu tunken. Das würde ich genau jetzt auch gerne machen. Donuts sind auch geil, genauso wie Knoppers, Toblerone und Schlümpfe. Wenn ich in den Supermarkt gehe, denke ich auch nicht: Scheiß Essen! Sondern: Wie geil, eine Packung mit zehn Donuts! Das ist auch so bescheuert von mir, weil es letztlich zu 95 Prozent nichts mit Hunger zu tun hat, sondern es ist immer Rausch-Essen aus emotionalen Gründen. Um sowas wie Stress, Trauer oder Wut zu verarbeiten.

Als du abnehmen wolltest, hast du auch falsche Ratschläge von Leuten bekommen, die dich entmutigt haben. Das geht sicher vielen Leuten so. Was rätst du denen?

Also, erst mal: Das Buch soll auf keinen Fall ein Motivations-Ratgeber sein. Aber wenn jetzt Leute sagen, dass es ihnen was gibt, freue ich mich natürlich darüber. In erster Linie wollte ich mit dem Buch mich selber verstehen. Und es gibt drei Punkte, warum ich das Abnehmen geschafft habe: Natürlich klischeemäßig Sport und Ernährung. Und drittens: Ich habe mich selbst immer mehr gecheckt. Wann und warum fresse ich? Das ist mir vorher ja gar nicht aufgefallen. Ich war für mich einfach immer der Dicke, der viel isst. Aber irgendwann habe ich kapiert, dass 7.500 Kalorien am Tag Wahnsinn sind. Und das hängt alles auch so krass bei mir miteinander zusammen: Wie oft bin ich scheiße zu mir? Ich habe 0,0 auf mich geachtet, mein ganzes Leben war immer nur Rausch. Und je mehr ich meine Grenzen missachtet habe, desto mehr habe ich auch die von anderen Menschen missachtet und sie scheiße behandelt. Und all das hatte für mich am meisten Buch-Potenzial. Wahrscheinlich hätte ich mit einem Fitnessjunkie-Buch mehr Geld machen können. Aber die „Monchi-Transformation“ für 100 Euro wird’s definitiv nicht geben. (lacht) Es sind so viele Leute auf mich mit einer Geschäftsidee zugekommen, das glaubt mir kein Mensch! Aber was einem da suggeriert wird, stimmt ja einfach nicht. Ich bin jetzt kein geiler Typ, bei dem alle Sünden und alles Beschissene weg sind. Ich habe 65 Kilo abgenommen und immer noch so viel Scheiße in mir.

Die „Monchi-Transformation“ für 100 Euro wird’s definitiv nicht geben.

der Frontmann von Feine Sahne Fischfilet

Bist du stolz auf dein Buch und wie fühlt es sich an, jetzt Schriftsteller zu sein?

Das hätte ich mir 0 erträumt. Ich hatte auch ganz lange den Proll-Habitus, dass Bücherschreiben was für Lappen ist. Ich freue mich darüber, dass das Buch so geworden ist, dass ich es geil finde – auch wenn da manchmal harte oder intime Sachen drinstehen. Und es ist auch erst der Anfang meines Nachdenkens, aber das fühlt sich einfach schon richtig gut an. Ich bin stolz dadrauf, na klar.

Ich habe 65 Kilo abgenommen und immer noch so viel Scheiße in mir.

Monchi

Warum ist es erst der Anfang des Nachdenkens?

Für viele Leute sind so viele Dinge so klar, aber für mich nicht. Alle Leute sind gerade so „woke“, aber ich komme darauf nicht klar. Denn wie oft war ich schon scheiße, sexistisch oder habe auf den Klimawandel nichts gegeben. So einen Satz wie „Vielleicht sollte ich mal eine Therapie machen.“ im Buch zu schreiben, ist mir auch total schwergefallen. Mein Lektor hat das auch gar nicht verstanden. Für mich ist das immer noch Weichei-Scheiß, total dumm. Etwas aus dem Innersten heraus zu schreiben, war erst richtig hart für mich, aber nachher auch richtig gut. Und was das Buchschreiben allgemein betrifft: Ich habe nie gesagt „Jo, jetzt schreib‘ ich eins!“ Bei mir ist es so, dass ich mit meinen 34 Jahren das Gefühl habe, schon zwei Leben an Masse an Erfahrungen gelebt zu haben. Ich denke immer noch: Wahnsinn! Und das positiv wie negativ. Deswegen habe ich vor vier, fünf Jahren mit Stichpunkten angefangen. Dazu hatte mir eine Freundin geraten. Für den Tag, an dem es mit der Musik nicht mehr reicht und weil ich manchmal das Gefühl habe, ich kann mit niemandem mehr über alles reden, weil ich so viele Ebenen erst mal erklären müsste, weil andere Leute die gar nicht mitdenken können. Das meine ich gar nicht im Bösen. Ich kann es ja auch verstehen – ich finde mich und meine Geschichten selbst oft nervig. Und diese 182 Kilo auf der Waage hatte ich eben auch notiert. Mit dem Gedanken, dass das mehr ist als meine Mutter und mein Vatter zusammen. Und noch mehr zu meinem Gewicht. Irgendwann habe ich gemerkt, dass das was sein könnte für ein Buch. Dann habe ich mit meinen Eltern und zwei, drei ganz engen Freunden gesprochen und kam zu der Erkenntnis, dass ich das machen will. Sonst müssen Lektoren ja oft etwas herauskitzeln, aber meiner meinte: „Nee, dann musst du ein zweites und drittes Buch schreiben.“ Ich habe immer viel zu viel abgegeben. Was könnte ich noch alles erzählen! Über die intensive Hansa-Rostock- oder Band-Zeit, meine 50 beschissensten und besten Storys, wo ich entweder total Schwein war oder richtig abgeliefert habe. Oder: Monchi und Drogen, Rassismus oder Sexismus.

Alle Leute sind gerade so „woke“, aber ich komme darauf nicht klar. Denn wie oft war ich schon scheiße, sexistisch oder habe auf den Klimawandel nichts gegeben. So einen Satz wie „Vielleicht sollte ich mal eine Therapie machen.“ im Buch zu schreiben, ist mir auch total schwergefallen.

Monchi

Lass uns jetzt noch mal über deine Klo-Probleme reden.

Es ist jetzt einfach geil, sich den Arsch selbst abwischen zu können oder keine Klobrillen mehr zu zerbrechen. Dasselbe Gefühl empfinde ich auch, wenn ich Stufen laufe ohne komplett zu schwitzen. Und ich habe mir auch ganz lange eingeredet, dass man von Alkohol ja nicht dick wird. Das hört sich jetzt alles so dumm an. Aber das war mein Alltag. Und ich habe mich dann dazu entschieden, das alles nicht clownesk oder traurig aufzuschreiben, sondern so nüchtern wie möglich. Naja, und dann schreibe ich da eben, dass ich quasi vorgeschissen habe und die ganze Scheiße mit meinen riesengroßen Arschbacken bunkere. So war das einfach! Und viel davon ist immer noch in meinem Kopf: Wenn ich irgendwo reingehe, gucke ich zum Beispiel immer als erstes auf die Armlehnen der Stühle und frage mich, ob die mich aushalten. Das geht nicht auf einmal weg, weil das jahrelang mein Alltag war.

Ich dachte auch immer: Was habe ich bitte mit Bulimie-Menschen zu tun? Das würde ich niemals machen – Fressen und dann das ganze gute Essen wieder auskotzen. Aber beim Abnehmen habe ich das tatsächlich ausprobiert. Aber zum Glück habe ich das dann auch schnell wieder gelassen. Das ist nur drei, vier Mal passiert.

Monchi über seine besorgniserregende „Superkraft“

Du beschreibst im Buch auch deine angebliche „Superkraft“: Dich auf Knopfdruck übergeben zu können. Das ist ja besorgniserregend. Kannst du das immer noch?

Wenn ich vollgefressen bin, ja. Früher dachte ich, dass ich das immer kann. Aber das lag einfach daran, dass ich immer vollgefressen war. Ich musste dafür noch nicht mal den Finger in den Hals stecken, sondern konnte das innerhalb von zehn Sekunden aus mir selbst heraus. Ich dachte auch immer: Was habe ich bitte mit Bulimie-Menschen zu tun? Das würde ich niemals machen – Fressen und dann das ganze gute Essen wieder auskotzen. Aber beim Abnehmen habe ich das tatsächlich ausprobiert. Aber zum Glück habe ich das dann auch schnell wieder gelassen. Das ist nur drei, vier Mal passiert.

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In Marterias Video zu „Niemand bringt Marten um“ hast du dich dann das erste Mal so richtig dünner gezeigt. Vorher gab es noch die Überlegung, ob du im Video eine Fatsuit anziehst, um das zu verschleiern.

Das war die Idee des Regisseurs und das fand ich erst total genial. Zum Glück habe ich mich am Ende dagegen entschieden. Das wäre zu dumm gewesen. Aber wie ich darüber nachgegrübelt habe! Früher habe ich so oft gar nicht nachgedacht und einfach gemacht und heute zerdenke ich manchmal alles viel zu viel.

Lesungen: 20./21.5. im St. Pauli-Theater, der erste Termin ist ausverkauft, für den zweiten Termin gibt es hier noch einige Tickets

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