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Mitten in der Krise hat Amy Macdonald ein neues Album aufgenommen: „Musik kann ein Lebensretter sein“

„Corona hat uns gezwungen, einen Gang runterzuschalten“, sagt Amy Macdonald (33). Sie hat das Beste draus gemacht. Foto: Roger Deckker
„Corona hat uns gezwungen, einen Gang runterzuschalten“, sagt Amy Macdonald (33). Sie hat das Beste draus gemacht. Foto: Roger Deckker
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„The Human Demands“ kommt gerade recht in Zeiten der Krise: Es stand nach dem ersten Lockdown im Sommer und klingt dementsprechend euphorisch. Anfang Mai will Amy Macdonald es in der Hamburger Barclaycard Arena vorstellen. Im MOPOP-Interview erzählt die 33-Jährige von ihrem Eheglück, dem Verlassen der Bequemlichkeitszone und der Kulturkrise in ihrer Heimat.

Sie sind seit zwei Jahren mit dem schottischen Profi-Fußballer Ricky Foster verheiratet. Wie gefällt Ihnen das Eheleben?

Sehr gut! Es hat definitiv nichts an unserer Beziehung zueinander verändert. Mein Mann und ich sind jetzt sieben Jahre zusammen, da ändert sich eh nicht mehr so viel. Aber was es geändert hat, ist meine Sicht auf das Leben. Da ist jetzt diese tiefe Verbindung und das Wissen darum, dass da jemand ist, der sich um einen sorgt und in schwierigen Situationen den Rücken freihält. Es ist ein ziemlich schönes Gefühl.

Amy Macdonald hat in Las Vegas gehieratet

Ihre Hochzeit fand in Las Vegas statt. War ein singender Elvis zugegen?

Nein, so kitschig war es nicht. Es war eine richtige schöne Hochzeit. Ich wollte immer in Vegas heiraten. Die Idee war eigentlich, jeden zur Hochzeit einzuladen, den wir einladen müssen, und letztendlich würde dann eh keiner kommen, weil Vegas zu weit weg ist. Doch dann sind sie alle gekommen. Wir waren am Ende 60 Leute und haben es ordentlich krachen lassen im noblen Wynn Hotel.

Sie haben über Ihre Liebe das Lied „Fire“ geschrieben.

Und zwar direkt nach unseren Flitterwochen! Ich hatte es gar nicht so geplant, es war einfach eine Reflektion meines Gefühlszustandes. Ich fühlte mich so sicher und geborgen und bin gerade an einem sehr guten Platz. Und darum geht’s in dem Lied. Als mein Mann den Song das erste Mal hörte, meinte er sofort: „Das handelt von uns, oder?“ Mir war das etwas peinlich. Ich hab ihm gesagt, dass er sich daran gar nicht erst gewöhnen braucht. Ich werde nicht zur Romantikerin werden!

Das Lied „Bridges“ befasst sich mit dem Erwachen von Selbstliebe und dem Selbstbewusstsein als Frau.

Das ist nicht immer einfach. Die Musikindustrie kann ziemlich hart sein, speziell, wenn man wie ich mit 18 dort eintaucht. Ich wurde in eine Umgebung gepackt, in der ich mich nicht immer wohlfühlte. Aber ich war auch nicht selbstbewusst genug, um das klar zu äußern. Nachdem ich nun schon ein paar Jahre dabei bin, habe ich meine Stimme diesbezüglich gefunden. Mir wurde bewusst, wie wichtig es ist, meinem Umfeld mitzuteilen, wie ich mich fühle. Und ich bin auch nicht mehr still, wenn es darum geht, meine Meinung zu äußern. 

Auf Amy Macdonalds Album geht’s um Liebe und Selbstliebe

Viele junge Musikerinnen verkaufen sich über ein sexy Image. Sie taten das nie.

Zum Glück wurde ich auch mit Kleidung am Leib erfolgreich. Aber Frauen haben es definitiv schwerer, um ihrer Musik Gehör zu verschaffen und dabei ganz sie selbst zu sein. Es ist leider immer noch so, dass wir viel harscher beurteilt werden als Männer, die eigentlich tragen können, was sie wollen. Als Frau in diesem Beruf ist deine Optik immer wieder eine Überschrift wert. Erst kürzlich war Billie Eilish überall in den Nachrichten, weil sie sich doch tatsächlich erdreistet hatte, in legerer Alltagskleidung vor die Tür zu gehen. Es wurden schlimme Sachen über ihren Körper geschrieben und über das, was sie anhatte. Ich dachte nur, wie furchtbar das ist, dass wir 2020 immer noch nicht weiter sind diesbezüglich.

Waren auch über Sie schlimme Dinge zu lesen?

Oh ja! Gerade zum Anfang meiner Karriere passierte es ständig, dass sich an meiner Erscheinung abgearbeitet wurde. Sie bezeichneten mich regelmäßig als fett. Es gab Kritiken in Zeitungen, wo meine Musik oder das Konzert nicht mal Erwähnung fanden, sie konzentrierten sich nur darauf, was ich trug und wie ich aussah.

Wünschen Sie sich deshalb in dem Song „Statues“ zurück in den Mutterbauch?

Da ist die Nostalgie über mich gekommen. Ich reflektierte über mein bisheriges Leben, machte persönliche Bestandsaufnahme und lies mich von kindlichen Erinnerungen leiten. „Statues“ ist komplett inspiriert von der Straße, in der ich aufwuchs und den Geschichten, die dort passierten. Zu „The Hudson“ ließ ich mich von meinem Dad inspirieren, der mir erzählte, wie er mit meiner Mutter in den 70ern nach New York aufgebrochen war. Vielleicht wäre ich sonst heute gar nicht hier. Es zeigte mir einmal mehr, dass alles, was wir tun, unsere Zukunft verändern kann und alles aus einem bestimmten Grund geschieht.

Amy Macdonald kann sich vorstellen in die USA zu ziehen

Könnten Sie sich vorstellen, in einer Metropole wie New York City zu leben?

Ich liebe die Stadt, sie ist inspirierend und anders als alle anderen Städte. Ich möchte ja nicht meine europäischen Fans verprellen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich nach Amerika ziehe, ist gar nicht mal gering. Der Wunsch meines Mannes ist es, nach seiner aktiven Kicker-Karriere selbst Fußballtrainer zu werden. Er würde das gerne in Amerika ausprobieren. Wenn er das tun will, wäre ich definitiv an seiner Seite.

Mögen Sie es, auch mal Ihre Bequemlichkeitszone zu verlassen?

Wenn ich Musik mache, habe ich immer das Gefühl, außerhalb meiner Komfortzone zu sein. Denn ich bin immer nervös wegen allem Möglichen. Ich habe die Plattenfirma gewechselt. Seitdem ich 18 bin, kannte ich es nicht anders. Ich wollte einen Neuanfang. Es war gut, neue Leute um mich zu haben. mit frischen Ideen und viel Energie.

So sieht Amy Macdonalds Albumcover aus. Bild: Warner
So sieht Amy Macdonalds Albumcover aus. Bild: Warner

Sie haben gesagt, es sei die erste Platte, auf der Sie total Sie selbst sein konnten. Wie ist das zu verstehen?

Ich beziehe das auf den Entstehungsprozess. Ich war noch nie so involviert in jeden noch so kleinen Aspekt der Aufnahmen. Wir waren ein echtes Team. Ich werde auf die Zeit immer zurückblicken mit den liebevollsten Erinnerungen – was verrückt ist aufgrund der Situation, in der die Platte entstand.

Das Album heißt „The Human Demands“. Begreifen wir unsere menschlichen Bedürfnisse in der Krise bewusster?

Auf jeden Fall. Corona hat uns dazu gezwungen, einen Gang runterzuschalten. Das ist gut. Wir haben viel zu lange damit zugebracht, lächerlich viel Druck auf uns zu laden. Da ist es hilfreich, dass wir durch Entschleunigung realisieren, dass jeder von uns seinen eigenen Kampf mit dem Leben austrägt. Meine Hoffnung ist, dass wir ein bisschen umsichtiger und sorgsamer im Umgang miteinander werden.

Wie ist das mit Ihren eigenen Bedürfnissen?

Dafür brauchte es kein Corona, damit ich weiß, dass ich ein unglaublich pessimistischer Mensch bin. Ich habe mich selbst so unter Druck gesetzt, Druck selbst aufgebaut, es musste alles immer perfekt sein. Ich habe viel zu viel Zeit damit verbracht, mir Sorgen zu machen. Aber ich arbeite daran, besser zu werden. Doch das ist leichter gesagt als getan.

Was erhoffen Sie sich davon, in dieser Zeit neue Musik zu veröffentlichen?

Musik kann ein Lebensretter sein. Sie war es ganz gewiss für mich. Musik kann Menschen die jetzige Situation eine Zeit lang vergessen und sie besser fühlen lassen. Auch deshalb habe ich gesagt: keine Corona-Songs für mein Album, nichts Politisches! Ich will meine Fans nicht an die schlechten Dinge erinnern, die sowieso derzeit überpräsent sind. Es fühlt sich gut an, wenn ich ihnen in dieser merkwürdigen Zeit etwas geben kann, auf dass sie sich freuen können. Denn 2020 steht ja sonst eher für viele Entbehrungen.

Amy Macdonald über die Corona-Lage in Schottland

Wie ist die Stimmung in Ihrer Heimat Glasgow?

Wir hatten hier gerade drei Wochen den „Lockdown Light“, und nun wird schrittweise geöffnet. Ich fühle also euren Schmerz! Richtig doof ist, dass man nicht mal das Weihnachtsfest richtig planen kann, weil wir nicht wissen, ob es erlaubt sein wird, Familien-Zusammenkünfte zum Fest zu haben oder nicht.

Corona, Trump, Terror, Brexit – wie kommen Sie mit der Nachrichtenflut klar?

Oh, ich bin schlimm. Ich bin ein Informationsjunkie und ziehe mir wirklich jede Sendung rein. Ich bezweifle, ob das wirklich hilft, denn an manchen Tagen mache ich mir höllisch Sorgen. Aber ich muss trotzdem immer auf dem neusten Nachrichtenstand sein.

Wie ist es um die schottische Kultur- und Musikszene bestellt?

Das Problem mit Schottland ist, dass wir nicht unsere eigenen Finanzen unter Kontrolle haben. Wir müssen auf die Regierung im Vereinigten Königreich warten, damit sich etwas tut. Die schottische Regierung will der Musikbranche helfen, aber ihr sind die Hände gebunden.

Dann kann sich Schottland schon mal dran gewöhnen, wie es nach dem Brexit aussehen wird.

Wenn wir nicht unabhängig werden, ist das so. Corona bringt jedenfalls gerade zum Vorschein, warum das Vereinigte Königreich nicht funktioniert. Nicht nur Schottland, sondern auch viele Regionen im Norden Englands wurden in den strikten Lockdown geschickt. Aber sie bekommen nicht die Unterstützung, die sie brauchen. Die Tatsache, dass das Finanzinstitut zentral von London agiert, ist nicht für das ganze Land praktikabel. Das wird derzeit mehr als deutlich.

Glauben Sie, dass es zum Kahlschlag kommen wird, was die schottische Kultur- und Clubszene angeht?

Nicht nur dort, überall! Das ist zwar schlimm, aber Veranstaltungsräume können neu eröffnet werden. Ich denke primär an die Leute hinter den Kulissen – die wunderbaren, bestens ausgebildeten Crew-Mitarbeiter. Wenn Menschen von der Musikindustrie sprechen, sehen sie oft nur die KünstlerInnen im Rampenlicht. Aber die, die ihre Auftritte erst möglich machen, trifft es gerade am Härtesten. Und die meisten von ihnen haben bis heute keinerlei Support. Dabei tun sie etwas für uns alle, denn was wären wir ohne Musik, Theater und Live-Events? Wir hätten nicht viel, auf dass wir uns freuen könnten!

Gibt es Proteste in Glasgow?

Nicht wirklich. Aber es gibt zwei Lager: Die Leute, die einfach wollen, dass es vorbei ist und so schnell wie möglich zurück zur Normalität kehren möchten. Und diejenigen, die so verängstigt sind, dass sie am liebsten gar nicht mehr das Haus verlassen. Und dann sind da Leute wie ich, die irgendwo in der Mitte stehen, die die Regeln befolgen, sich aber trotzdem ein bisschen Normalität im Umgang mit dem Virus wünschen.

Amy Macdonald hofft, dass ihr Hamburg-Konzert stattfinden kann

In Deutschland gibt es Demonstrationen der Veranstaltungsbranche unter dem Motto „Alarmstufe Rot“.Würden Sie auf der Straße protestieren?

Wenn ich demonstrieren würde, dann nur für die Leute, die derzeit durchs Raster fallen, weil sie keine finanzielle Unterstützung bekommen – aber nicht gegen die Corona-Maßnahmen als solches. Denn ich glaube daran, dass die Regierungen ihr Bestes versuchen, um uns durch die Krise zu bringen. Sie stehen dem Unbekannten gegenüber, und keiner kann derzeit mit Gewissheit sagen, was das Richtige ist.

Glauben Sie, dass Ihre Deutschand-Tournee im Frühjahr stattfinden kann?

Ich bin da optimistisch. Und ich freue mich besonders auf Hamburg, denn ich habe tolle Erinnerungen an meine Auftritte im Stadtpark. Egal, ob ich dort bei Sonnenschein spielte oder im Regen – die HamburgerInnen waren immer großartig. Diesmal sind wir zwar in der Arena, aber wenn ich zurückkommen kann, gibt es ja auch ordentlich was zu feiern.

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Amy Macdonalds Album „The Human Demands“ ist bei BMG Rights/Warner erschienen. Das Konzert in der Barclaycard-Arena soll am 4. Mai 2021 (20 Uhr) stattfinden. Tickets gibt’s zwischen 49-89 Euro hier!

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