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Mit guter Laune und Glitzer gegen den Hass: Der Hamburger Jendrik vertritt Deutschland beim ESC


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Sieht aus wie ein unbekümmerter Sonnyboy, macht sich aber gute Gedanken: Jendrik (26) Foto: NDR/Universal 

Jendrik wollte es unbedingt schaffen, das mit dem großen Auftritt beim „Eurovision Song Contest“. Deshalb hat er es „einfach in die Welt hinausgeschrien“, wie er im MOPOP-Interview sagt. Hat geklappt! Der 26-jährige Hamburger überzeugte die Jury – und steht am Samstag mit seiner glitzernden Gute-Laune-Ukulele und dem fröhlichen Popsong „I Don’t Feel Hate“ in Rotterdam auf der Bühne. 

MOPOP: Wie kam es dazu, dass Sie ESC-Teilnehmer geworden sind?

Jendrik: Ich wollte unbedingt teilnehmen, habe im Internet aber keine Bewerbungsmöglichkeit gefunden. Deswegen habe ich es einfach in die Welt hinausgeschrien. Ich habe ein Musikvideo geplant und dabei auch „Behind the Scenes“-Material gedreht. Und in jedem davon sage ich „How to make ein Musikvideo, um dich beim ESC zu bewerben“ – immer wieder und wieder. (lacht) Diese Videos habe ich dann natürlich in den sozialen Netzwerken gepostet und irgendwann hat mich bei Instagram tatsächlich jemand angeschrieben, der meinte, er habe Kontakte zum ESC. Dem habe ich dann meinen Song „I Don’t Feel Hate“ geschickt. Daraufhin hat sich tatsächlich die Firma, die den Vorentscheid organisiert, gemeldet und mir eine Deadline für mein Video gegeben. Das Drehen und der Schnitt war sehr knapp, aber am Ende haben meine Freunde und ich es geschafft und damit war ich in der ersten Runde des nicht-öffentlichen Vorentscheids.

Und wie ging es dann weiter?

Die Jury besteht aus 20 Musikexpert:innen und 100 Menschen, die die Zuschauer:innen repräsentieren sollen. In der ersten Runde werden die Künstler:innen an sich bewertet, in der zweiten Runde die Songs. Da wurden ca. 300 Songs bewertet, die entweder schon durch die Künstler:innen vorhanden waren oder aus Songwritercamps stammten und noch gar keine festen Interpret:innen hatten. 15 Songs davon sind im Finale gelandet – mein eigener Song auch! Als nächstes mussten wir noch live vor Kamera performen.

Die Sellerie-Suppe hat der Teilnahme-Verkündung einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Jendrik (26)

Dann ist einige Zeit vergangen und irgendwann wurde Ihnen mitgeteilt, dass Sie ausgewählt wurden.

Ja, die Story ist unglaublich witzig, aber so ist es passiert: Das war am 1. Dezember 2020. Ich hatte von meinem Freund einen Adventskalender mit ausgefallenen Gerichten geschenkt bekommen. Ich kann nicht kochen und wir dachten, dass ich das dadurch vielleicht lerne. Hinterm ersten Türchen war eine Sellerie-Schaum-Suppe und dafür musste ich Zutaten einkaufen. Am gleichen Tag wollte die ARD mich mit der Zusage an der Tür überraschen und meine Reaktion aufnehmen. Die beiden Menschen, die es mir verkünden wollten, waren schon da, aber das Kamerateam noch nicht, als ich gerade zum Einkaufen herauskam. Die Überraschung wurde also ein bisschen zerstört. Denn als ich die gesehen habe, habe ich es schon ein bisschen geahnt. Denen blieb dann nur übrig, ihre Handykameras zu zücken und zu sagen: „Jendrik, du fährst dieses Jahr zum ESC!“ Die Handyaufnahmen waren dann natürlich auch nicht besonders gut … So hat die Sellerie-Suppe der Verkündung einen Strich durch die Rechnung gemacht. (lacht)

Worum geht’s in Ihrem Song „I Don’t Feel Hate“?

Die Message ist simpel: Wenn man Hass abbekommt, sollte man nicht mit Hass reagieren. Ich finde, dass man auf oberflächlichen Hass wie „Öh, warum trägst du einen Katzenpulli?“ mit „Weil ich es mag!“ reagieren sollte. Also: „I don’t care“. Und dann gibt es natürlich noch tiefergehenden, degradierenden Hass wie Rassismus, Homophobie oder Sexismus. Darauf sollte man nicht mit „I don’t care“ reagieren, sondern sagen: „Das ist nicht in Ordnung, so kannst du nicht mit Leuten umgehen und das mache ich dir jetzt auf respektvolle Weise klar.“ Ein Beispiel: Auf „Schwuchtel!“ sollte man also nie mit „Nazi!“ reagieren.

Haben Sie denn aufgrund des Songs Hass-Kommentare bekommen? Das ist ja das Gute: Der Song hebelt genau das aus.

Ich habe viel Hass bekommen. Der Song polarisiert und viele Leute finden ihn richtig scheiße. Aber ja, dann reagiere ich eben mit „I don’t feel hate!“

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Auf den Hass gehen Sie auch im Musikvideo ein – und jede Geschichte, die darin erzählt wird, bezieht sich auf eine der Farben der Pride-Flagge.

Ja, ich erzähle sechs Storys zu jeder Farbe in der Flagge. Gelb erzählt die Geschichte eines Freundes, der eigentlich immer alles total positiv sieht, aber im Job häufig als zu dick abgestempelt wird – aber trotzdem drüber steht. Die Farbe des Lichts steht im Video also für Optimismus und gleichzeitig Bodyshaming. Grün steht für Natur und im Video geht’s um Hass auf Klassen und Natürlichkeiten. Rot steht für Leben und dass jeder leben sollte, wie er möchte – ich gehe damit auf Homophobie und Hass auf die LGBT+-Community ein. Lila steht für Spirit und Religionshass. Da gehe ich darauf ein, warum Frauen nicht einfach ihr Kopftuch tragen können, wenn sie wollen. Bei der Farbe Blau geht’s um Harmonie in der Kunst und dass man nicht immer wie „Dein letzter Song war aber besser!“ sagen, sondern immer eher supporten sollte. Und bei Orange geht’s um Heilung und Sexismus bzw. sexuelle Belästigung.

Ich habe mich einfach in einen Mann verliebt und dann zu meiner Familie gesagt: „Ich habe einen Freund.“ Und nie: „Ich stehe eventuell auf Männer.“

Jendrik über seine Homosexualität

Auf Ihre eigene Homosexualität bezogen: Warum ist es in den heutigen Zeiten noch so relevant, wen man liebt? Und warum heißt es immer noch „Outing“? Der Begriff ist so negativ konnotiert.

Ich hatte tatsächlich gar kein richtiges Outing. Denn sobald man es so bezeichnet, macht man die Sexualität zu etwas Besonderem. Heterosexuelle müssen sich nicht outen – warum müssen Schwule das tun? Ich habe mich einfach in einen Mann verliebt und dann zu meiner Familie gesagt: „Ich habe einen Freund.“ Und nie: „Ich stehe eventuell auf Männer.“ Ich sage immer, dass ich meine Homosexualität während meines Studiums entdeckt habe, aber mir wird immer mehr bewusst, dass ich sie vorher wahrscheinlich lange unterdrückt habe. Schon krass, dass die Gesellschaft sowas heutzutage immer noch bewirken kann.

Jendrik ist eigentlich Musical-Darsteller in Hamburg

Wie hat sich Ihr Leben durch den ESC verändert? Als Musicaldarsteller hatten Sie wegen Corona sicher erst mal nicht so viel zu tun.

Ja, viele meiner Freunde sind immer noch arbeitslos. Deswegen: Rettet die Theaterleute! Die größte Umstellung bei mir ist, dass ich jetzt selbständig bin, vorher hatte ich als Musicaldarsteller ja immer Verträge. An die Ungewissheit bin ich aber gewöhnt – das sind ja auch immer befristete Jobs. Auch jetzt weiß ich natürlich nicht, was nach dem ESC kommt.

Jendrik mit seinem Markenzeichen – einer Glitzer-Ukulele. Foto: EBU/Andres Putting

 

Jetzt mal etwas weniger Ernsthaftes: Woher haben Sie Ihre Glitzer-Ukulele?

Die habe ich selber mit Strass-Steinen beklebt! Erst nur die Vorderseite fürs Video, aber der NDR hat sich jetzt auch um die Hinterseite gekümmert. Dann kann ich sie bei meinen ESC-Auftritt ordentlich herumschmeißen.

Macht es Sie eigentlich traurig, dass der ESC unter Corona-Bedingungen stattfindet und Sie nicht das absolute ESC-Feeling haben werden?

Die Fans sind trauriger als ich selber. Ich habe ja keinen Vergleich.

Sind Sie schon immer großer Fan von der Veranstaltung?

Ich dachte es! Aber jetzt, wo ich die verrückte ESC-Bubble kenne, weiß ich, dass ich doch immer nur ein normaler Zuschauer war.

Welchen Platz erhoffen Sie sich?

Die Eiiins natürlich! (lacht)

ESC: 22.5., 21 Uhr, Das Erste (ab 20.15 Uhr läuft: „Countdown für Rotterdam“ mit Barbara Schöneberger, Jan Delay, Sarah Connor, Zoe Wees und anderen)

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