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Mariybu: „Vielleicht macht es vielen Cis-Männern einfach Angst“


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Die EP „Bitchtalk“ der Hamburger Rapperin udn Produzentin Mariybu ist heute erschienen. Foto: Céline Maveau

Heute ist die EP „Bitchtalk“ der Hamburger Rapperin und Produzentin Mariybu erschienen. Im MOPOP-Interview spricht sie über ihr besonderes Plattenlabel 365XX, von einem Wendepunkt in der HipHop-Szene, über Queerfeminismus, über die positive Konnotation des Wortes „Bitch“ und ihre Vorbilder.

MOPOP: Was bedeutet dir das Signing bei 365XX? Die Verbindung muss echt stark und besonders sein – in „Intro“ erwähnst du das Label ja sogar.

Mariybu: Das Signing bei 365XX bedeutet mir die Welt. Für mich hat alles mit dem „365 Fe*male MCs“-Blog von Lina Burghausen angefangen. Durch die vielen Rapper:innen, die sie dort vorgestellt hat, habe ich die Vorbilder bekommen, die ich brauchte, um richtig anzufangen. Und jetzt bin ich auf dem daraus entstandenen Label gesignt, das ist schon krass geil! Lina ist wirklich eine unglaubliche Frau, die so wichtige Arbeit macht. Der Support beim Label ist einfach real – nicht nur musikalisch sondern auch menschlich. 365XX ist für mich wie eine nice Insel im Musikindustrie-Sumpf. Wenn deine persönlichsten Erlebnisse und Emotionen zur Ware werden – und das werden sie ja durch die Musik –, kann ich das nur mit Leuten durchziehen, die das alles fühlen, supporten und die Vision auch checken. Ich liebe es, dass nur Frauen und Queers gesignt sind – wir sind eine richtig nice Truppe.

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Du hast in diesem Jahr auch den Hamburger Musikpreis „Krach+Getöse“ vom Verein „RockCity“ gewonnen.

Das was derbe empowernd! Die maßgeschneiderte Förderung, die ich dadurch bekomme,  geht ja insgesamt ein Jahr, aber in kürzester Zeit sind schon so viele gute Dinge wie einige Auftritte passiert. Durch „RockCity“ habe ich verschiedene Beratungen zu Selbständigkeit und Management bekommen – und da kommt noch Einiges nach in nächster Zeit. Der Verein hilft mir einfach, das Ganze professioneller zu machen und auf ein neues Level zu bringen.

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Du hattest zuletzt einen Auftritt in Wilhelmsburg beim „Dockville“. Das war ja mal wieder möglichst nahe Interaktion mit der Szene. Mein Gefühl ist, dass gerade ein entscheidender Wendepunkt in ihr eintritt – eben durch so etwas wie 365XX oder die Initiative „#deutschrapmetoo“, die sexuelle Gewalt in der Szene aufdeckt. Nimmst du das im Kontakt mit dem Publikum auch auch wahr?

In der Szene, in der ich mich viel bewege – sie ist queerfeministisch –, war das Bewusstsein auch schon vorher da. Die Probleme sind ja nicht neu, werden jetzt gerade nur in der breiten Öffentlichkeit sichtbarer. Zum Song „Toxic“ etwa, der ziemlich gleichzeitig zum Start der Initiative „#deutschrapmetoo“ herauskam, habe ich so unglaublich viel Feedback bekommen. So viele haben mir erzählt, dass es ihnen genauso ging oder geht und es gut tut zu wissen, dass man nicht alleine mit so etwas ist. Die vielen Nachrichten haben auch mir wiederum gezeigt: Ich war und bin nicht alleine mit der Scheiße. Wir sind so viele und endlich werden wir richtig laut. Ich lieb‘s!

Mariybus EP ist heute (3.9.) bei 365XX/PIAS erschienen.

 

Die EP heißt „Bitchtalk“ und in den Songs „Zu viel“ und „Loyal Bitch“ kommt das Wort auch vor – warum ist das für dich kein „Schimpfwort“, sondern ein Statement?

Oft werden Frauen und Queers so bezeichnet, wenn sie bossy und aggressiv sind. Ich bin gerne bossy und auch aggressiv, wenn jemand Scheiße labert oder mich schlecht behandelt. Ich checke nicht, warum es ein Problem ist, wenn ich mich als Frau so verhalte, aber wenn ein Cis-Mann sich so verhält, das dann attraktiv ist. Deshalb bezeichne ich mich manchmal gerne als „Bitch“ und die meisten Songs meiner EP sind auf jeden Fall bossy und aggressiv. Für mich ist „Bitch“ als Selbstbezeichnung keine Beleidigung, ich hole mir das Wort zurück und besetze es positiv. Außerdem bedeutet es für mich körperliche Selbstbestimmung. „Bitch“ wird oft auch als Beleidigung für uns verwendet, wenn wir offen mit unserer Sexualität umgehen. Als ob das etwas Schlechtes wäre. Vielleicht macht es vielen Cis-Männern einfach Angst. Ich habe keinen Plan, was genau deren Problem ist. Also: Wenn sich Frauen und Queers als „Bitch“ bezeichnen und sich das Wort zurückholen, ist es für mich empowernd. Wenn Cis-Männer das Wort in den Mund nehmen, geht das gar nicht. Weil das die Gruppe ist, die dieses Wort als Beleidigung benutzt hat und es noch immer tut, auch wenn’s langsam echt lächerlich wird.

Wenn sich Frauen und Queers als „Bitch“ bezeichnen und sich das Wort zurückholen, ist es für mich empowernd. Wenn Cis-Männer das Wort in den Mund nehmen, geht das gar nicht. Weil das die Gruppe ist, die dieses Wort als Beleidigung benutzt hat und es noch immer tut, auch wenn’s langsam echt lächerlich wird.

Mariybu

Die EP handelt von toxischen Beziehungen, dem Nicht-Loskommen von einer vergangenen Liebe, von deiner „wilden“ Persönlichkeit, dass du manch einem „zu viel“ bist und von Loyalität und Zusammenhalt. Du bist sehr offen, ich habe das Gefühl, dich dadurch kennengelernt zu haben. Macht dir das auch Angst oder ist diese Offenheit der Schlüssel für alles und auch für dein Songwriting?

Es ist schon manchmal ein bisschen komisch, so viel preiszugeben. Aber das ist einfach meine Art, Musik zu machen. Das kommt einfach so raus und wenn ich im Nachhinein versuche, das Ganze abstrakter zu formulieren, finde ich es nicht mehr gut, dann catcht es mich nicht mehr. Außerdem habe ich echt wenig zu verstecken. Ich war schon immer ziemlich offen mit allem in meinem Leben, deswegen ist es in der Musik bei mir nicht anders. Und wie nice ist es, wenn man sowas wie in „Toxic“ teilt und nicht weiter darüber schweigt und sich dadurch mit anderen connected und gegenseitig empowert? Das lohnt sich einfach.

Eine Zeile lautet bei dir „Früher noch dafür geschämt, heute proud“: Erzähl mir mal ein bisschen von deinem Werdegang und deiner Entwicklung als Mensch und Rapperin. Warst du in der Schule „der Freak“?

Als Kind habe ich schon ein bisschen Rap gehört, aber irgendwann aufgehört, weil ich kein Bock auf die sexistische Scheiße hatte. Erst durch ein Konzert von der Rapperin Finna und durch Lina und ihren Blog bin ich wieder zum Rap gekommen. Dazwischen war ich irgendwie überall unterwegs, ein bisschen Rock und Punk, im Chor gesungen und auf jeden Fall immer erste Reihe auf allen Konzerten und im Moshpit barfuß unterwegs gewesen. In der Schule war ich schon eher anders. Ich hab immer mal wieder Versuche gestartet, mich anzupassen und irgendwo dazuzugehören, aber das hat nie so richtig geklappt. Ist, glaube ich, auf dem Dorf auch schwerer, als in der Stadt. Ich glaube, immer, wenn ich versucht habe mich anzupassen in meinem Leben, passt die Line „früher noch dafür geschämt“, weil ich gemerkt habe, dass ich irgendwie anders bin und das früher schlecht fand – zum Glück jetzt nicht mehr! Mit 15 bin ich dann auf eine Clique gestoßen, in der alle ein bisschen anders waren. Wir sind dann immer zusammen auf Festivals gefahren und haben ein bisschen linke Werte in unseren Dörfern verteilt. Das war echt wie ein Befreiungsschlag für mich, wir hatten eine richtig gute Zeit. Das war der Anfang davon, mich mehr zu akzeptieren, wie ich bin. Aber auch nach der Schule gab es immer wieder Lebensphasen, in denen ich versucht habe mich anzupassen. Das war echt ein langer Weg, um dahin zu kommen, wo ich jetzt bin – proud!

Hast du in deiner Teenager-Zeit auch deinen starken Klamottenstyle entwickelt?

Uff, woher der kommt, keine Ahnung. Ich habe auf jeden Fall schon in der Schulzeit meine Klamotten teilweise selbst genäht, weil ich mich in den „normalen“ Klamotten nicht so wiedergefunden habe. Wahrscheinlich habe ich einfach ein großes Bedürfnis danach, mich auszudrücken und das eben auch auch in meinen Klamotten.

Gibt es bei dir eigentlich so etwas wie ein Vorbild?

Nicht nur eins. Es gibt so unglaublich viele. Um ein paar Beispiele zu nennen: Wikiriot, weil sie mir beigebracht hat, dass es nichts gibt, wofür ich mich schämen müsste. Mein ganzes Kollektiv „Fe*Male Treasure“, weil sie mir zeigen was Solidarität ist. Rapperin Ebow, weil sie die schönsten queeren Songs macht, die es gibt und einfach ihr Ding durchzieht. Die Künstlerin Keke, weil sie so stark und soft gleichzeitig ist. und wie schon erwähnt, Lina Burghausen, weil sie seit Jahren gegen Sexismus im HipHop kämpft und niemals aufgibt. Übrigens: Viele meiner Vorbilder sind im Buch „Awesome HipHop Humans“, das bald erscheint, vertreten. Sookee hat‘s unter anderem geschrieben – sie ist auf jeden Fall auch ein Riesen-Vorbild. Sie hat so vielen den Weg frei gekämpft in den letzten Jahren, dafür werde ich ihr für immer dankbar sein. 

Mariybus EP „Bitchtalk“ ist bei 365XX/PIAS erschienen.

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