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Lina Burghausen: „Dass es viel mehr männliche als weibliche Artists gibt, ist für mich ein selbstgemachtes Problem“


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Lina Burghausen (31) hat unter dem Dach der Hamburger Plattenfirma PIAS das erste weltweite weibliche HipHop-Label 365XX gegründet. Foto: Vanessa Seifert

Lina Burghausen (31) ist die Gründerin des ersten All-Female.HipHop-Labels 365XX. Sie war es auch, die den Blog „365 Female* MCs“. Im MOPOP-Gespräch spricht die Leipzigerin über die Anfänge, die Künstlerinnen auf dem Label, Nachteile für Künstler:innen in der Musikindustrie und die nächsten Pläne für ihr Label.

MOPOP: Es gab mal eine Podiumsdiskussion mit Fler auf dem Reeperbahn-Festival. Er behauptete, Frauen seien keine guten Rapperinnen. Das war die Initialzündung bei dir und dadurch hat alles hat seinen Anfang genommen: dein Blog, für den du den „International Music Journalism Award“ bekommen hast, deine Label und seine Künstlerinnen.

Lina Burghausen: Ich würde es gar nicht so sehr als Initialzündung sehen, sondern vielmehr als der Tropfen, der ein sehr großes und volles Fass zum Überlaufen brachte. Letztlich hatte sich bei mir einfach wahnsinnig viel Frust aufgestaut zu diesem Thema. Der Drang, etwas zu machen, war eh schon da. Dass das alles so durch die Decke gehen würde, habe ich natürlich nicht geahnt. Auch wenn diese Geschichte immer irgendwie mit Fler zusammenhängen wird – ich denke da recht wenig drüber nach. Ich denke generell wenig über Fler nach, sondern habe mir angewöhnt, meine Aufmerksamkeit lieber auf die junge Generation an HipHop-Talenten zu legen – idealerweise weibliche, inter oder trans Talente. Am Ende spielt es auch keine Rolle, ob auf dieser Podiumsdiskussion Fler saß oder ein anderer Typ, der dieselben patriarchalen Gebetssätze runter erzählt. Dass sich was ändern musste, war klar.

Die 365XX-Singnigs bisher sind Die P, Palas, Yetundey, Skuff Barbie und Mariybu

365XX hat mittlerweile einen bunten Blumenstrauß an Künstlerinnen. Kannst du mal für jede Künstlerin sagen, was sie als „Blume“ ausmacht?

Das sind wirklich ganz unterschiedliche „Blumen“ bei 365XX – und genau das macht für mich den Reiz des Labels aus. Keine Künstlerin ist wie die andere – sie eint einzig und allein ihr Talent. Mit Die P als erstes Signing haben wir eine Künstlerin, die die Golden Era mit der Attitüde des Straßenrap vereint und auch live einfach ein echtes Tier ist. Tina Turnup und Babylit alias Palas geben dem Trap ein 2021er-Update – durch krassen Stimmeinsatz, eine feministische Grundeinstellung und ihren mystischen Witch-Trap-Style. Dann haben wir Yetundey, die wie ein Style-Chamäleon zwischen Deichkind-eskem Elektrorap, R‘n‘B und Pop pendelt, fließend in drei Sprachen rappt und schon als Reinkarnation von Nina Hagen gehandelt wird. Skuff Barbie kombiniert mit einer ganz einzigartigen Stimme R‘n‘B, Rap und Dancehall zu einem Sound, den es so in Deutschland einfach noch nicht gibt. Und Mariybu lebt das DIY-Artist-Dasein wie keine andere: Sie zeigt, wie Female Empowerment funktioniert und geht als Rapperin, Produzentin und Supporterin anderer FLINTA*-Personen mit dem besten Beispiel voran (Anmerkung der Redaktion: FLINTA steht für Frauen, lesbisch, inter, nicht-binär, trans und agender) . Wir haben außerdem noch ein sehr, sehr spannendes sechstes Signing – eine Rapperin, die gerade frisch nach Hamburg zieht und von dort aus die Rapszene aufräumen wird. Mehr darf ich aber leider noch nicht verraten.

Immer wieder werfen Musikerinnen das Handtuch, weil sie darauf verständlicherweise einfach keine Lust mehr haben. Mit meinen Projekten versuche ich, an all diesen Fronten etwas zu verändern.

Lina Burghausen (31)

Warum muss über die ganze Thematik unbedingt immer wieder geredet werden?

Leider ist es nach wie vor so, dass nicht alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht die gleichen Chancen haben und fair behandelt werden. Da ist die Musikindustrie keine Ausnahme. Dass es viel mehr männliche Artists als weibliche gibt, ist für mich ein selbstgemachtes Problem. Es fehlt an Vorbildern und Repräsentanz. Die Erwartungen an Musikerinnen sind noch immer andere als an Musiker und viele Künstlerinnen werden so in eine Schublade gesteckt und können sich nicht gleichermaßen kreativ entfalten wie ihre männlichen Kollegen. Dazu stoßen sie immer wieder auf Widerstände auf Bühnen, in Studios und in Verhandlungen – und leider auch häufig auf Übergriffe. Immer wieder werfen Musikerinnen das Handtuch, weil sie darauf verständlicherweise einfach keine Lust mehr haben. Mit meinen Projekten versuche ich, an all diesen Fronten etwas zu verändern.

Was sind die nächsten Schritte fürs Label? Wo gibt es Verbesserungsmöglichkeiten innerhalb der Szene gegenüber des Labels?

Viele unserer Künstlerinnen stehen ja noch recht am Anfang und haben einen sehr ungewöhnlichen Style. Da ist es wie bei allen Newcomer:innen – es gilt, viel Aufbauarbeit zu leisten, die richtigen Partner:innen zu finden und die Gatekeeper in der Branche von unserer Musik zu überzeugen. Grundsätzlich stoßen wir mit dem Label schon auf sehr großes Interesse, ich merke aber auch, dass wir uns ganz besonders beweisen müssen. Es geht eben nicht nur um irgendein neues Musiklabel – es gibt eine politische Ebene, die nur wenige andere Labels haben.

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