
Die Produzentin aus Hamburg bekommt gerade riesengroße Werbung am Times Square
Die Hamburger Künstlerin Kuoko macht feinste elektronische Musik – vor Kurzem ist ihr selbstbetiteltes Debütalbum erschienen. Ihre Songs werden auf Streaming-Plattformen millionenfach gehört und diese Woche bekam sie von Spotify riesengroße Video-Werbung am Times Square. MOPOP sprach mit der viet-deutschen Produzentin über das Verlassen der Komfortzone, das Glück durchs Musikmachen, die Reduzierung auf Stereotype und das Musikbusiness.
MOPOP: Wie bist du zur Musik gekommen?
Kuoko: Als Jugendliche habe ich mit der Gitarre meiner Schwester eigene Songs geschrieben. Da habe ich mich noch mehr im Singer/Songwriter-Bereich bewegt. Irgendwann habe ich die elektronische Musik entdeckt – ich war einige Zeit in London und die Stadt ist ja ein Spot für das Genre. Ich war dann auch noch in einem anderen Projekt. Aber irgendwann habe ich beschlossen, dass ich alles alleine produziere und mit Kuoko anfange.
Warum hast du dich in der elektronischen Musik wohler gefühlt?
Beim Produzieren hast du so viele Möglichkeiten. Du kannst Welten ohne Grenzen erschaffen. Wenn ich eine Gitarre in der Hand gehalten habe, habe ich mich immer eingeschränkt gefühlt.
Wenn ich eine Gitarre in der Hand gehalten habe, habe ich mich immer eingeschränkt gefühlt.
Kuoko
Bist du Autodidaktin?
Ich war nie auf einer Schule. Man muss das heutzutage auch nicht, sondern kann sich übers Produzieren YouTube-Tutorials angucken. Einfach selber machen, that’s it!
Man kann dich als Universal-Künstlerin bezeichnen, weil du ja neben der Musik ganz viel anderes selbst machst: Deine Artworks, Outfits … Bist du Perfektionistin?
Den Perfektionismus will ich lieber loslassen. Der ist ja eine Folge davon, ganz viel selber zu machen. Aber wenn man Sachen abgibt, macht man einfach oft die Erfahrung, dass sie nicht mehr der eigenen Vorstellung entsprechen. Für mich heißt viel selber zu machen aber definitiv auch, ein spannenderes Leben und mehr Perspektiven zu haben. Mit allem, was ich anfasse, scheitere ich auch viel, aber lerne auch dazu. In der Musikproduktion passieren mir auch immer wieder vermeintliche Fehler, die dann aber eigentlich ganz interessant sind und gar nicht mehr falsch wirken.

Könntest du dir einen anderen Weg als die Musik vorstellen?
Nein. Ich habe das Gefühl, dass es so viele Leute gibt, die das auch gerne machen würden. Aber die kommen aufgrund ihrer zu hohen Erwartungen davon ab. Da muss man durch. Man muss machen, was einen glücklich macht! Mein Gefühl sagt mir, dass ich hier gerade genau richtig bin.
Man muss machen, was einen glücklich macht! Mein Gefühl sagt mir, dass ich hier gerade genau richtig bin.
Kuoko
Im Song „Hiding In The Dark“ geht es um Selbstschutz und -isolation. Bist du so ein Mensch?
Ich verstehe den Hang dazu total. Ich glaube, dass wir Menschen oft dazu neigen, darin zu versinken. Im Song geht es aber auch darum, dass ich es wichtig finde, aus dieser Komfortzone herauszukommen.
Es gibt auch den Song „Yellow Fever Gaze“ – kannst du mal erklären, was das ist?
„Yellow Fever“ ist die Fetischisierung asiatischer oder asiatisch aussehender Frauen und ihre Reduzierung auf Stereotype. Typische Beispiele wären eine unterwürfige Frau, ein nerdiges Mauerblümchen oder die eiskalte Kämpferin. Diese Bilder sind in der Gesellschaft so verankert. Damit wollte ich in dem Song brechen. Im Video überdrehen wir diese Klischees extra – das hat großen Spaß gemacht.
„Strong Girls Don’t Cry“ hat mit der Künstlerin Douniah ein deutschsprachiges Feature und dreht eine vermeintliche Schwäche in einer Stärke um.
Für den Song habe ich viel an unsere Mütter-Generation und starke Frauen gedacht. Meine Generation ist da gerade sehr im Wandel, wir schaffen es ganz gut, über Gefühle zu reden und auch verletzlich zu sein. Viele Frauen denken aber immer noch, dass sie stark sein müssen. Aber das gegenseitige Mitteilen ist doch gesund und Weinen ist nichts Schlechtes. Zu Douniahs deutschem Gesang: Er bricht zwar total mit dem Rest des sonst englischsprachigen Albums – aber das ist auch eine der tollen Überraschungen der Zusammenarbeit. Raus aus der Komfortzone.

Du bist die einzige weibliche Produzentin bei deinem Hamburger Label Kabul Fire.
Ich tauche gerne an Orten auf, wo man mich nicht unbedingt erwartet. Bei dem Label fühle ich mich sehr wohl, ich kann mich künstlerisch entfalten.
Hast du dich im Musikbusiness schon mal benachteiligt gefühlt?
Wenn man als weiblich gelesene Künstlerin mit einer männlich gelesenen Person bei einer Venue auftaucht, kann es passieren, dass man für die Travel Company gehalten wird. Als Musikproduzentin werde ich auch manchmal nicht ernst genommen oder gefragt, ob ich das denn wirklich alles selbst gemacht habe. Das ist natürlich bitter. Musikproduzenten sind in den Köpfen immer noch irgendwelche Macker. In den höheren Musikbusiness-Rängen geht’s noch sehr patriarchisch zu – an den Hebeln mit Macht und Geld sitzen Männer. Das wirkt sich aus. Deswegen spreche ich gerne immer wieder offen darüber – das muss in den Köpfen ankommen, dass Frauen so was auch können und selbstständig und fähig sind.
Kuokos selbstbetiteltes Debütalbum ist bei Kabul Fire Records erschienen.
