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Inga Rumpf: „Darf ich was vorsingen?“


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Hier hängt Inga Rumpf lässig backstage in der Garderobe der Fabrik ab. Der Club  ist ihr „zweites Wohnzimmer“. Sie hat  richtig was zu feiern: Album, Autobiografie und ihren  75. Geburtstag. Alles Gute! Foto: Jim Rakete

Mit dieser Frage begann die Karriere der Hamburger Musiklegende – sie hat ein neues Doppelalbum, eine Autobiografie und feiert ihren 75. Geburtstag

Gerade frisch herausgekommen sind Inga Rumpfs Doppelalbum „Universe Of Drea­ms“ und ihre Autobiografie „Darf ich was vorsingen?“. Und noch mehr: Heute (2. August) feiert sie ihren 75. Geburtstag. Happy Birthday! Grund genug, ein großes MOPOP-Gespräch mit ihr über ihre Stimme, ihr Leben und Weggefährten wie Udo Lindenberg, Tina Turner und die Rolling Stones zu führen. Ihre hanseatische Bescheidenheit ist dabei allgegenwärtig.

War Ihre Stimme schon als Kind so markant?

Die war schon immer etwas tiefer – und dadurch ungewöhnlich. Mit vier Jahren habe ich mit dem Singen mein erstes Geld auf einer Betriebsfeier meines Vaters verdient. Der Chef hat mir dafür fünf Mark in die Hand gedrückt. Das war ganz viel Geld für mich – es war ja die Nachkriegszeit. Von da an wollte ich sowas öfter machen und bin ganz mutig durchs Treppenhaus, habe geklingelt und gefragt: „Darf ich was vorsingen?“

1951: Inga Rumpf mit dem Weihnachtsmann. Im gleichen Jahr hat sie ihr erstes Geld mit Singen verdient. Foto: privat

 

Mit dieser Geschichte beginnen Sie auch Ihre Autobiografie. Was für Lieder haben Sie denn gesungen?

Shantys und Volkslieder. Ich erinnere mich zum Beispiel an „Jetzt gang I ans Brünnele“. Das kam alles von meinen Eltern. Mein Vater hat Akkordeon und Mundharmonika gespielt und meine Mutter gesungen – sie war großer Hans-Albers-Fan, seine Lieder kannte ich deswegen auch alle.

„Ich war dann aber diejenige, die am ehrgeizigsten weitergeübt hat. Blutige Finger, Hornhaut – hatte ich alles. Aber da ist für mich mein Leben losgegangen. Musik hat mir Freiheit gegeben.“

Inga Rumpf (75)

In einem Jugendheim auf St. Pauli hatten Sie dann später weitere Auftritte.

Ja, dort habe ich auch die ersten Akkorde auf der Gitarre gelernt und dann auch gleich Unterricht in der Nachbarschaft gegeben – für fünf Mark die Stunde. Meine Freundinnen haben sich auch eine Gitarre geholt – die waren alle Fans von Peter Kraus und Elvis Presley. Ich war dann aber diejenige, die am ehrgeizigsten weitergeübt hat. Blutige Finger, Hornhaut – hatte ich alles. Aber da ist für mich mein Leben losgegangen. Musik hat mir Freiheit gegeben.

1960: Vom Gitarrenspiel hatte Inga Rumpf blutige Finger, übte aber trotzdem immer weiter. Foto: privat

 

Welche Musik hat Sie dazu bewegt, Sängerin zu werden?

Den Anfang machten Blues und Gospel – diese Musik lag mir stimmlich und gefühlsmäßig am nächsten. Mahalia Jackson und Nina Simone waren meine Vorbilder. John Lee Hooker oder Muddy Waters fand ich auch toll. Songs wie „Tom Dooley“ oder „House Of The Rising Sun“ waren mein Ding.

Ihre Mutter war Schneiderin, ihr Vater Seemann. Waren Sie mit Ihrer Musikkariere einverstanden?

Meine Mutter hat sich über meine Leidenschaft gefreut, aber dachte natürlich, ich komme damit unter die Räder. Ich war abends ja immer lange aus. Mein Vater fand die „Hottentotten“-Musik sowieso nicht gut. Meiner Mutter zuliebe habe ich auch erst mal drei Jahre eine Lehre als Schaufenster-Dekorateurin gemacht. Aber als ich meinen Kaufmannsgehilfen-Brief hatte, war ich weg. Mit meiner ersten Band, den City Preachers, haben wir dann eine Wohngemeinschaft gegründet.

 1956: Inga Rumpf  lernte  von ihrem Vater Shantys und Volkslieder. Foto: privat

 

Für Ihre Autobiografie haben Sie alte Tagebücher, Kalender und Zeitungsausschnitte durchgeguckt.

Die frühe Teenager-Zeit war peinlich. Es war lustig zu lesen, wie ich da gedacht und gefühlt habe. Aber durch all diese Recherchen habe ich auch viel über mich selbst gelernt – ich war ja quasi 60 Jahre unterwegs und da hat man zum Reflektieren keine Zeit. Ich habe letztlich wie eine Journalistin gearbeitet – nur mit dem geheimen Wissen über mich selbst.

Welche Erinnerungen rühren Sie am meisten?

Meine Eltern haben sich scheiden lassen und ich hatte lange keinen Kontakt zu meinem Vater. Irgendwann habe ich ihm aber geschrieben, weil ich ihn treffen wollte. Der hat erst gar nicht verstanden, was ich wollte und dachte, ich brauche Geld. Ich wollte einfach wissen, wie er ist. Ich konnte ihm dann verzeihen – auch die Schläge, die wir von ihm bekommen haben.

Haben Sie sich als Frau in der Musikbranche benachteiligt gefühlt?

Nein. Aber ich habe für mein Standing und meinen Respekt auch ganz viel gearbeitet – mehr als die anderen, hatte ich oft das Gefühl. Ich habe mich früh mit Technik beschäftigt und war mir nie zu schade, nachzufragen. Nur komponieren und singen war mir nicht genug. Es gab schon viele Frauen denen das ausreichte. Und Akzeptanz kommt bei uns ja oft erst, wenn bemerkt wird, dass wir wirklich etwas leisten.

Die City Preachers im Jahr 1969: Inga Rumpf (v. l.), Udo Lindenberg, Karl-Heinz Schott, Dagmar Krause und Jean-Jacques Kravetz. Foto: Laukeniks

 

Wofür sind Sie in Ihrem Leben am dankbarsten? Bereuen Sie etwas?

Ich wollte mit Musik mein Geld verdienen, die Welt und ganz viele Menschen kennenlernen. Das habe ich geschafft – aber bin auch viele Risiken eingegangen und habe teilweise mein Privatleben geopfert. Aber seit mittlerweile 20 Jahren lebe ich in der Wesermarsch, habe meinen Garten und wenn ich von der Bühne – mit einem Fuß noch im Himmel – zurückkomme, holt mich die Erdarbeit ganz schnell wieder auf den Boden zurück. Natürlich hatte mein Leben viele Sackgassen und Umwege. Aber das Einzige, was ich wirklich bereue, ist das Rauchen. Vor Kurzem habe ich endlich komplett aufgehört.

Was bedeutet Ihnen Hamburg?

Ich kenne die Stadt wie meine Westentasche. Ich habe in verschiedenen Stadtteilen gelebt – als ich klein war in St. Georg, zuletzt in Eppendorf. Hamburg ist für mich die schönste Stadt, die ich kenne und immer noch mein Zuhause. Viele Orte sind für meine Musikkarriere entscheidend: Das besagte Jugendheim auf St. Pauli, das „Flachsland“ in Barmbek und natürlich das „Onkel Pö“ in Eppendorf. Das war das Biotop der Hamburger Musikszene. Auch der Michel und die Hamburger Kirchen allgemein waren später sehr bedeutend für mich. Im Michel habe ich bei den Motorrad-Gottesdiensten über 15 Jahre gesungen. Die Fabrik ist mein zweites Wohnzimmer – dort habe ich seit den 70ern mit Frumpy, Atlantis und auch solo gespielt. Ich erinnere mich noch an die Menschenmassen draußen, die ein Verkehrschaos verursacht haben.

Warum sind Sie aus Hamburg weggezogen?

Irgendwann habe ich mich nach Ruhe gesehnt. Mein damaliger Freund, der aus dem Ruhrgebiet kam, und ich suchten irgendwas dazwischen. Irgendwann haben wir dieses Haus hier gefunden – da war es noch eine Ruine. Dann haben wir es zwei Jahre fertiggemacht, haben geheiratet und sind eingezogen. Bis 2017 war ich immer noch in Hamburg und hatte ein Studio, aber dann wurde Eigenbedarf angemeldet. Da dachte ich mir: Ich überlasse meine Stadt jetzt der jüngeren Generation.

1979 : Hat Inga Rumpf sich den  Bandnamen Black Rebel Motorcycle Club eigentlich  ausgedacht? Foto: privat

 

Auf dem neuen Album ist auch Ihr Song „I Wrote A Letter“ als Blues-Version. Den hat Tina Turner schon gesungen. Sie beide haben sich nie getroffen – was würden Sie mit ihr beschnacken, wenn Sie die Chance hätten?

Ich nenne sie meine große schwarze Schwester. Ich glaube, wir würden uns auf Anhieb verstehen. Ich fühle da eine innige Seelenverwandtschaft – obwohl sie ja einen ganz anderen Lebensweg hatte als ich. Ich weiß gar nicht, ob wir so viel reden würden. Ich glaube, wir würden uns einfach nur angucken, uns umarmen und lieb haben.

Sie waren auch mal mit Keith Richards, Ronnie Wood und Mick Taylor im Studio. Aus dieser Zeit stammen die Songs „Dance It Up“, „Two Is One“ und „I Am I“, die auf dem „Hidden Tracks“-Bonus sind. Wie waren diese Jungs so drauf?

1987 war ich für eine Produktion in London – und Keith Richards hatte Musik von mir gehört und zu meinem Produzenten gesagt: „When this Lady is in town, call me!“ Und dann kam Keith Richards tatsächlich aus Frankreich angeflogen – mit Ronnie Wood im Schlepp. Sie brachten mir eine Kiste bayerisches Bier mit, für sich selbst hatten sie Jack Daniels dabei. Und dann haben wir auf die Songs von mir gejammt, die sie gut fanden. Sie waren höfliche Gentlemen, wir waren ja einfach Kollegen. Aber ich war natürlich vorher aufgeregt und dachte: „Wow, meine Heroes!“

Sie waren auch in den USA mit Aerosmith und Lynyrd Skynyrd auf Tour. Die große Weltkarriere blieb aber aus. Ist da vielleicht auch etwas Gutes dran zu finden? Vielleicht hätten Sie sonst zu viele Drogen genommen.

Da ist was dran. Eine Weltkarriere stand auch gar nicht auf meinem Wunschzettel. Ich hatte tatsächlich mehrmals die Möglichkeit in den USA zu bleiben. Ich war auf Tour mit Atlantis, habe die Platte „I Know Who I Am“ dort eingespielt und wurde mehrfach von Produzenten eingeladen – nach Los Angeles zum Beispiel. Aber das hat immer nicht so recht geklappt – bei „I Know Who I Am“ wurde ich aus dem Vertrag entlassen, weil Rezession war und nur die Superstars bei der Plattenfirma geblieben sind. Ich bin auch zu gerne Europäerin, der „American Way Of Life“ war nie so geeignet für mich. Ich wäre dort fast verhungert – Fast Food war gar nicht meins.

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In „Universe Of Dreams“, dem Titeltrack des Albums, geht’s ums Innehalten und Nachdenken, ob man sich alle Träume erfüllt hat. Gibt es bei Ihnen da noch was?

Es hat sich wirklich alles erfüllt. Ich hoffe natürlich, dass jetzt mein Buch und meine Platte gut ankommen. Da stecken ein paar Jahre Arbeit drin. Außerdem wünsche ich mir, dass meine Fans und ich uns bald bei einem Konzert wieder gesund und munter wiedersehen können.

Udo Lindenberg und Sie sind ein Jahrgang – haben Sie ihm zum Geburtstag gratuliert?

Ja, natürlich. Per Anruf und SMS. Ich finde es toll, dass er die Kurve gekriegt hat. Hut ab!

Inga Rumpfs Album „Universe Of Drea­ms“ (inklusive „Hidden Tracks“) ist bei EarMusic/Edel erschienen, ihr Buch „Darf ich was vorsingen?“ beim Ellert & Richter Verlag).

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