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„Ein Schlag ins Gesicht der gesamten Kulturbranche!“: ZSK verlegen wegen des Plakat-Wahnsinns ihr Konzert von der Freiheit in den Bunker


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MOPOP sprach mit Joshi (2. v. l.) von ZSK über ihre Konzertverlegung. Foto: Matthias Zickrow

Die Berliner Punkband ZSK positioniert sich schon immer klar gegen Rassismus und jegliche andere Diskriminierung. Ganz klare Kante zeigen sie nun auch gegen die Corona-Schwurbeleien an den Wänden des Docks und der Großen Freiheit 36 – und verlegen ihre Freiheit-Show ins Uebel & Gefährlich. MOPOP sprach mit Frontmann Joshi über die Maßnahme.

MOPOP: Die beiden Clubs sind für ZSK wichtig, oder?

Joshi: Absolut, im Docks haben wir 2011 ein Reunion-Konzert gespielt. Da haben wir den Laden ausverkauft – das war phänomenal. Mit Bad Religion haben wir dort auch schon zwei Mal gespielt – großartige Erinnerungen. Wir lieben den Laden eigentlich sehr – die Große Freiheit auch. Der Club hat Tradition und ist eigentlich Kult. Es tut uns im Herzen weh, was da gerade passiert. Jedes Mal, wenn wir wieder neue Fotos von Corona-Leugner-Plakaten geschickt bekommen haben, waren wir echt erschrocken. Und sind es weiterhin!

Da war die Welt noch in Ordnung: ZSK 2019 in der ausverkauften Großen Freiheit 36. Foto: Fabian Lippke

 

Ihr verfolgt die Entwicklungen seit Anfang an?

Ja. Wir hatten gehofft, dass sich das noch klärt. Zu Beginn hat man auch viel Frust über den Lockdown herausgelesen. Dass die Clubs in Deutschland schließen mussten, war ja für alle eine völlig neue und vorher undenkbare Situation. Deswegen dachten wir zunächst, dass da bei denen jemand einfach nur enttäuscht und sauer war. Aber anstatt dass sich das legte und besser wurde, wurde es immer schlimmer. Was da zuletzt hing, ist furchtbar. Verschwörungs-Webseiten im Grenzbereich zum Rechtsextremismus. Das ist überhaupt nicht in Ordnung.

Was da zuletzt hing, ist furchtbar. Verschwörungs-Webseiten im Grenzbereich zum Rechtsextremismus. Das ist überhaupt nicht in Ordnung.

Joshi von ZSK über die Plakate am Docks und der Großen Freiheit

Deswegen verlegt ihr nun eure für 2022 geplante Hamburg-Show aus der Großen Freiheit ins Uebel & Gefährlich.

Genau. Wir können in keinem Club spielen, der solche Plakate duldet und aktiv aufhängt. Wir haben die Verlegung schon lange entschieden, verkünden es aber erst jetzt mit dem neuen Datum. Die Terminfindung hat gedauert, weil Corona gerade wie ein Schneepflug alle Tourdaten vor sich herschiebt.

Wisst ihr, wer von den Clubs dahintersteckt? Klar ist ja, dass es nicht die ganze Belegschaft ist.

Wir haben da wenig Einblick – öffentlich wird dazu ja auch kaum etwas gesagt. Da arbeiten ja wahnsinnig viele Leute – wir kennen viele seit Jahren – und wir wissen, dass die allermeisten es nicht in Ordnung finden, was da passiert. Für die tut es uns auch total leid, dass wir unser Konzert absagen, weil die davon ja leben. Wir wissen, dass deren Stimmen gerade nicht so recht gehört werden.

Was hofft ihr mit eurer Verlegung zu erreichen?

Wir machen damit klar, dass es für uns keine Toleranz für dieses ganze Corona-Leugner-Milieu gibt. Da liegen weltweit tausende Menschen auf den Intensivstationen und hunderttausende sind schon gestorben. Und dann hängen irgendwelche Spaßvögel Poster an ihren Club, auf denen quasi „Corona gibt’s gar nicht!“ steht. Das macht uns richtig wütend und hat auch nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun, sondern mit Verachtung fürs Leben.

Was hofft ihr für die Clubs und Mitarbeiter?

Natürlich würden wir uns wünschen, dass sich das irgendwie noch auflöst und man irgendwann in Zukunft wieder im Docks und der Großen Freiheit spielen kann. Aber im Moment sehe ich da keine Lösung. Die Hamburger Veranstalter und das Clubkombinat mit ganz vielen Clubs haben sich positioniert. Und das vorangegangene Statement der beiden Clubs sagt ja überhaupt nichts aus bzw. sagt: „Wir bleiben dabei!“ Ich hatte schon befürchtet, dass so was statt einer Entschuldigung kommt.

Kann es in den Clubs denn überhaupt wieder so werden, wie es mal war – oder ist schon zu viel zerstört?

Es müsste sich grundlegend etwas ändern. Dass die Plakate jetzt offenbar erst mal entfernt wurden, ist schon mal ein positives Signal, aber das reicht nicht aus. Mit einer Entschuldigung ist es nicht mehr getan. Aber bei allen Menschen auf dieser Welt habe ich immer die Hoffnung, dass sie ihre Meinungen ändern können.

Ja, das habe ich so noch nie erlebt, dass sich da alle zusammenschließen. Wenn so ein großer Veranstalter wie „FKP Scorpio“ so ein Statement unterzeichnet, finde ich das beeindruckend. Das Ganze ist aber auch ein Schlag ins Gesicht der gesamten Kulturbranche!

Joshi von ZSK

Die Kulturszene stellt sich gerade gegen die Clubs.

Ja, das habe ich so noch nie erlebt, dass sich da alle zusammenschließen. Wenn so ein großer Veranstalter wie „FKP Scorpio“ so ein Statement unterzeichnet, finde ich das beeindruckend. Das, was das Docks und die Große Freiheit da gemacht haben, ist ein Schlag ins Gesicht der gesamten Kulturbranche! Uns allen geht’s derzeit nicht gut. Alle wollen wieder Konzerte spielen! Aber doch nicht auf Kosten des Lebens von uns oder anderen! Alle denken: Verdammt noch mal! Aber keine Band und kein Club rastet aus und veröffentlicht so einen Quatsch. Das ist ja der Punkt bei Corona-Leugnern und Reichsbürgern: Die geben auf eine sehr komplexe gesellschaftliche Situation eine sehr einfache Antwort: „Die da oben haben die Pandemie erfunden, um uns zu unterdrücken!“ Das gefällt gewissen Leuten natürlich. Für alle, die gerade in der Kulturbranche ums Überleben kämpfen, ist das ein Riesen-Affront. Aber wir freuen uns jetzt erst mal auf unser Konzert im Uebel & Gefährlich. Wir lieben Hamburg und die Leute – und das bleibt auch so!

Uebel & Gefährlich: 15.4.2022, 27,50 Euro, die letzten Tickets gibt‘s hier!

Kommentar von MOPOP-Redakteurin Frederike Arns: Wahr gewordener Albtraum

Was habe ich für herrliche Konzertabende in den beiden Clubs erlebt! Ein Familienausflug mit meiner Mama und meinen Schwestern zu Paul Weller ins Docks. Oder in der Freiheit: Extrem lange Abende und ganz viel Energie bei den „Hardcore-Klassentreffen“ der „Persistence“-Tour. Als Mitglied der Turbojugend St. Pauli tolle Turbonegro-Konzerte bei den „Weltturbojugendtagen“. Oder bei Suicidal Tendencies mit auf die Bühne klettern und Frontmann Mike Muir die Hand schütteln!

All das hat mich durch die Corona-Zeit ohne Konzerte geschleppt. Ich dachte mir: Irgendwann wird’s in den beiden Clubs wieder so sein! Aber jetzt haben die Erinnerungen durch den Plakat-Wahnsinn einen ganz faden Beigeschmack bekommen. Schlimmer noch: Sie wurden irgendwie zerstört. Kann ich je wieder in Docks und Großer Freiheit unbeschwert, frei und unter Gleichgesinnten so was erleben? Im Moment halte ich das für unmöglich.

Docks und Große Freiheit – bzw. diejenigen, die von euch dafür verantwortlich sind –, was habt ihr da nur angerichtet? Nicht nur für Konzertliebhaber, sondern auch für die Veranstalter, die anderen Clubs, die ganzen anderen Institutionen, in denen sonst das kulturelle Leben tobt – und auch für Hamburgs Ruf als Musikstadt – ist das alles ein wahr gewordener Albtraum. Als wäre die Corona-Zeit nicht schon schlimm genug!

Die ganze Geschichte: Das Docks, die Große Freiheit 36 und die Plakate:

Dieses Plakat hat das Fass zum Überlaufen gebracht.

 

Die Geschichte um die Verschwörungs-Plakate begann im Sommer 2020 – für 20 Euro konnten am Docks „alternative“ Meinungen angepinnt werden. Wegen Schwurbeleien entbrannte ein Shitstorm gegen den Kiezclub – Geschäftsführerin Susanne Leonhard entschuldigte sich, wurde aber aus dem Club-Zusammenschluss Clubkombinat entlassen. Die Große Freiheit 36 sprang dem Docks ebenfalls mit Wandzeitungs-Flächen bei – und auch die TraumGmbH in Kiel. Alle drei Clubs wurden vom Kieler Kultur-Gastronomen Karl-Hermann Günther gegründet. Runde zwei folgte kürzlich. Mitte März hingen neue Plakate am Docks – zum Beispiel mit folgendem Text: „Stopp Lockdown: Bewaffnet euch mit Wissen“, darunter Links zu bekannten Corona-Verschwörern, die zum Teil Kontakte bis in die rechtsextreme Szene pflegen (siehe Foto). Hamburgs Konzertveranstalter distanzierten sich. Docks und Große Freiheit entfernten die Plakate zunächst, bezeichneten sie aber in einem gemeinsamen Statement als Meinungsfreiheit, woraufhin sich auch zuletzt das Clubkombinat und eine lange Liste von Hamburger Acts, Läden und weiteren Institutionen distanzierte. Einige Bands – darunter ZSK – haben nun ihre geplanten Konzerte aus der Großen Freiheit wegverlegt.

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