Von Olaf Neumann
Jan Delay alias Jan Philipp Eißfeldt navigiert seit einem Vierteljahrhundert souverän durch HipHop, Funk, Rare Grooves, Disco, R’n’B, Reggae und Rock. Die GEMA ehrte den Hamburger als Deutschlands besten Pop-Texter. Mit seinem Doppelalbum „Forever Jan (25 Jahre Jan Delay)“ geht er jetzt auf große Tournee – und spielt beim „Hamburger Kultursommer“ auf der Trabrennbahn in Bahrenfeld. MOPOP verlost Tickets!
MOPOP: Was braucht ein Song, damit er knallt?
Jan Delay: Das Allerwichtigste ist, dass das Ding auch bei einem oder einer Vierjährigen voll knallt. Dass er das Ganze kapiert, egal ob er die Sprache im Song spricht oder nicht. Der Groove, die Melodien und die Harmonien sind das A und O. Wenn du den Vierjährigen im Sack hast, musst du von da aus hochgehen. Sprichst du so viele Altergruppen wie möglich an, hast du einen potenziellen Hit. Solltest du ihn aber mit Kindermucke oder Schlumpftechno im Sack haben, sind alle über vier genervt. Also wird es schwer mit dem Hit.
Jan Delay & Disko No. 1: Am 24. August auf der Trabrennbahn
Ihre Tochter ist zehn. Fungiert sie für Sie zuweilen als musikalische Beraterin?
Ja, sie ist wirklich ein wichtiger Ratgeber, weil sie sich so entwickelt und verändert, dass ich manchmal baff bin. Sie denkt aber nicht, dass ihr Papa die tollste Musik überhaupt macht, sondern dass das sein Job ist. Sie interessiert sich für alles, was ich mache, hört aber natürlich ganz andere Musik.
Wie innovativ darf ein Hit sein?
Diese Frage kann ich nicht objektiv beantworten, denn jeder hat eine andere Auffassung von einem Hit und wie er entstehen kann. Ein Song kann komplett innovativ oder ausgefallen sein und trotzdem ein unfassbarer Welthit werden. Hätte ich Ihnen vor 21 Jahren „Seven Nation Army“ von The White Stripes vorgespielt und behauptet, es würde für ein paar Jahre der größte Song der Welt werden, hätten Sie mich für bescheuert gehalten. Das Stück klingt komisch und besteht ja nur aus einer Bassline und einer abgefuckten Kickdrum. Das zeigt, dass du innovativ sein und einen Riesenhit haben kannst. Kein Algorithmus kann die Schwingungen herstellen, die dafür sorgen, dass ein Song entsteht.
Mit Ihrem großen Vorbild Udo Lindenberg nahmen Sie 2006 den Song „Im Arsch“ auf. War diese Single erfolgreich?
Gemessen an anderen Singles auf gar keinen Fall, aber für mich war es ein sehr wichtiger Song. Das Video ist wie ein Mafia-Epos und mein absoluter Favorit.
Foto: Tine Ack/dpa/MOPO-ArchivErinnern Sie sich an Ihr erstes Treffen mit Udo?
Ja klar, da ist er zu uns ins Studio gekommen. Damals war das noch über dem alten Eimsbush-Büro in der Eimsbütteler Straße 63 auf dem Hinterhof. Ich war natürlich tierisch aufgeregt. Udo kam mit einem Mitarbeiter aus dem „Atlantic“-Hotel vorbei, der für ihn Tee kochen musste, und hat den Song direkt eingesungen. Es war krass. Ich glaube, wir haben da sogar ein bisschen gefilmt.
Hat er ein Faible für unkonventionelle Arbeitsmethoden?
Auf jeden Fall nicht tagsüber. Mit Udo kannst du tagsüber nichts machen. Der ist noch mehr Nachteule als ich.
Wie kam es eigentlich zu dem düsteren Text von „Im Arsch“?
Den habe ich Ende 2004 geschrieben. Das war zur Zeit der dritten Beginner-Platte „Blast Action Heroes“. Das erste Mal, dass eine deutsche Rap-Platte auf Platz eins ging. Das war cool, aber zeitgleich drohte die ganze Musikindustrie wegen Napster, Pirate Bay und CD-Brennerei zusammenzubrechen. Unsere Firma Eimsbush ist damals insolvent gegangen. Und trotzdem hatte „Im Arsch“ einen positiven Kick: dass du genau daraus Kraft schöpfst, ganz neu anfängst und etwas Derberes machst. Und bald wurde klar, dass ich auf die richtige Karte gesetzt hatte.
Der Hamburger feiert sein Doppelalbum „Forever Jan (25 Jahre Jan Delay)“
Ist Kunst immer optimistisch?
Kommt ganz darauf an, was man für Musik macht. Bei Blues ist das nicht wirklich zwingend, bei Schlager wäre es schon nicht schlecht. Ich habe mich dazu entschieden, dass ich das auf jeden Fall will und brauche. Klar, es gibt da draußen viel Scheiß, aber letztendlich will man auch dagegen etwas tun und was hilft es, schlecht drauf zu sein. Ich mache Musik, die dafür da ist, dass jemand seinen Arsch bewegt. Man kann versuchen, trotzdem andere Themen anzusprechen, aber so, dass es sich nicht über alles drüberlegt und die Songs pessimistisch klingen.
In dem Song „Spaß“ mit Denyo geht es um Fremdenhass. Die Nummer wirkt brandaktuell.
Der Song ist dem Rechtsruck geschuldet. Er wäre auch schon aktuell gewesen, als wir mit Beginner anfingen und die ganzen Flüchtlingsunterkünfte brannten.
Es ist auffällig, dass Bewegungen wie Kundgebungen für Demokratie oder der Klimaaktivismus keine Hymnen besitzen, keinen Soundtrack. Wieso läuft der Widerstand gegen die Apokalypse ohne Popmusik ab?
Entweder fehlt es an dem richtigen Lied oder dem richtigen Künstler. Vielleicht ist es auch so schwierig, weil heutzutage so viele Dinge auf die Goldwaage gelegt werden. Du musst als Künstler tausendmal mehr auf das aufpassen, was du sagst, als diejenigen, die deinen Song zu einer Hymne machen. Es ist alles so sensibel geworden.

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Heutzutage wollen sich alle gegenseitig möglichst wenig weh tun. Wie denken Sie über die hypersensible, achtsame Debattenkultur der Gegenwart?
Diese Kultur ist gerade auf der linken Seite zuhause, und das macht es oft schwierig, zusammen an einem Strang zu ziehen. Meistens ist es für langweiligere Kunst leichter, größeren Anklang zu finden, weil spannende Kunst oft irgendjemanden anpisst. Aber das war immer schon so.
Machen Sie sich beim Texten heute mehr Gedanken als früher?
Das alles hat meine Alarmglocken sicher noch einmal geschärft, aber ich finde es gut, dass ich mich verändere und Menschen Wörter, die verletzen, aus ihrem Sprachgebrauch streichen. Aber nicht aus Zwang, sondern weil es eine gute Sache ist. Bei dem Song „Türlich, türlich“ von Das Bo und mir zum Beispiel gab es anfangs die Zeile „Gucken spastisch aus der Wäsche wie gekaut und ausgepuckt“. Irgendwann wurde mir bewusst: „spastisch“ ist diffamierend. Seitdem sage ich lieber „dümmlich“.
MOPOP verlost Karten für das Konzert in Hamburg!
Sie gehen jetzt auf Best-of-Open-Air-Tour. Als erfolgreicher Künstler ist man ja die ganze Zeit umringt von Leuten, die applaudieren. Was macht das mit einem?
Es gibt bestimmt auch Musiker, bei denen niemand applaudiert. Man muss sich das ja auch verdienen. Ich bin dafür sehr dankbar und hebe auch nicht ab, sondern ich analysiere den Applaus lieber. Meine Antennen sind fein justiert. Ich bin eher der Typ, der hinhört, wie laut die Leute bei welchem Song klatschen, um zu merken, welche Titel wichtig sind, live gespielt zu werden und welche eher nicht. Nicht das Lied, bei dem die Leute am meisten springen, ist das Tollste, sondern es gibt auch viele andere Momente in der Musik.
Wie oft erleben Sie vollkommene Konzerte, die zu Hundert Prozent gelingen?
Ich will jetzt nicht blasiert klingen, aber das kommt schön öfters vor. Es gibt viele Aspekte außerhalb der Ebene, die wir als Musiker unter Kontrolle haben. Das perfekte Konzert beinhaltet auch ein perfektes Publikum, das das genauso empfindet wie wir. Oder tolles Wetter oder eine wunderschöne Kulisse. Aber wenn es nur darum geht, was wir da auf der Bühne abliefern, dann ist das perfekte Konzert gar nicht so selten.
Trabrennbahn Bahrenfeld: 24.8., 19 Uhr, Support: Haiyti, 64,75 Euro
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Wer mitmachen will, schickt bis 12.8., 24 Uhr, eine E-Mail mit Betreff „Delay“ an [email protected] und beantwortet folgende Frage: Wie heißt das aktuelle Album des Hamburgers?
Veranstalter des Gewinnspiels ist die Morgenpost Verlag GmbH. Bei einer Teilnahme gelten unsere AGB als akzeptiert. Diese AGB finden Sie unter www.mopo.de/gewinnspiel-agb
































