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„Damit sich endlich was ändert“: Das „Futur 2“-Festival ist nachhaltig, energieautark und weiblich

Nicht nur gemütlich und schön, sondern auch nachhaltig und energieautark: Das „Futur 2“-Festival steigt nach Corona-Zwangspause am Samstag (27.8.) endlich wieder im Elbpark Entenwerder.
Foto: Malte Meda

Kommenden Samstag (27.8.) steigt im Elbpark Entenwerder zum dritten Mal das „Futur 2“-Festival und man sollte es aus ganz vielen Gründen nicht verpassen: Der Eintritt ist kostenlos und das musikalische Line-up ist herrlich und fast ausschließlich weiblich. Es setzt auf Nachhaltigkeit, regionales und saisonales Essen ohne Fleisch und geht komplett energieautark über die Bühne. MOPOP sprach mit Kommunikationschefin Wiebke Schumacher über die Stromerzeugung, eine Weltneuheit, bewusste Statements und darüber, dass man sich so einiges bei diesem Festival abgucken sollte.

Auf der Fahrrad-Bühne des „Futur 2“ wird der Strom durch strampelnde Muskelkraft erzeugt. Hören alle auf, hört man also auch keine Musik mehr. Foto: Malte Medag

MOPOP: Kannst du noch mal erzählen, wie ihr auf die Idee für euer Festival gekommen seid?

Wiebke Schumacher: Auf einem Barcamp von„Green Events Hamburg“ haben wir uns die Frage gestellt, wie ein wirklich zukunftsfähiges Festival aussehen kann. Zufällig war dort auch jemand aus der Hamburger Umweltbehörde anwesend. Die fanden die Idee so spannend, dass wir gemeinsam weiter überlegt haben, wie wir diese Idee in die Realität umsetzen können. Und das haben wir dann 2018 zum ersten Mal – auch mit der Unterstützung der Umweltbehörde – gemacht.

Wiebke Schumacher (41) ist Kommunikationschefin des „Futur 2“. Foto: Miriam Mumont

Was unterscheidet das „Futur 2“ von anderen Festivals?

Es hat einen klaren Fokus auf Nachhaltigkeit und ist energieautark konzipiert. Wir erzeugen unseren kompletten Strom vor Ort regenerativ selbst. Außerdem haben wir ein Zero-Waste-Konzept und auch alle anderen Bereiche, wie Logistik, Sanitär, Gastro und Booking, sind unter der Prämisse begrenzt zur Verfügung stehender Energie konzipiert. Darüber hinaus haben wir mit der „#moinzukunft-“Meile einen Ort geschaffen, an dem man sich zu Nachhaltigkeits-Themen im Alltag informieren kann. Hier gibt es Mitmach-Aktionen wie Schminken mit Bio-Glitzer, Deo und Bienenwachstücher selbst herstellen und viele Aktionen für Kinder. Alles ist also voll mit konkreten Handlungsimpulsen für den Alltag, sodass jede/r etwas vom Spirit des Festivals mit nach Hause nehmen kann.

Alles ist voll mit konkreten Handlungsimpulsen für den Alltag, sodass jede/r etwas vom Spirit des Festivals mit nach Hause nehmen kann.

Kommunikationschefin Wiebke Schumacher (41)

Lass uns genauer über Strom sprechen: Wie erzeugt ihr den?

In diesem Jahr gibt es bei uns eine große Neuerung. Wir sind weltweit das erste Festival, das den Großteil der Energie aus grünem Wasserstoff – nämlich aus Windkraftanlagen aus Nordfriesland – bezieht. Übrig bleiben nach der Energiegewinnung nur Wasser und reiner Sauerstoff, der dann der Atmosphäre zugeführt wird und wiederum die Luft der Stadt verbessert. Mit dem Wasserstoff decken wir die komplette Grundlast des Festivals ab. Für alle anderen Bereiche greifen wir auf Solarenergie zurück. Außerdem haben wir unsere Fahrrad-Bühne, an der Fahrräder stehen, die einen Generator im Hinterrad haben. Unsere Besucher:innen müssen in die Pedale treten, um den Strom für die Bühne zu erzeugen.

Strom durch grünen Wasserstoff, Solarenergie und Muskelkraft

Man sitzt da also auf dem Fahrrad und erstrampelt den Strom für einen Act und wenn man aufhört, ist die Musik nicht mehr zu hören?

Im Prinzip schon. An der Bühne stehen ja mehrerer Fahrräder. Der Trittwiderstand erhöht sich, je mehr Energie benötigt wird. Wenn also der Bass einsetzt oder das Licht angeht, muss stärker getreten werden. So bekommen die Besucher:innen ein gutes Gefühl für die Schlüsselressource Strom und dafür, wie viel Energie bzw. Kraft man eigentlich für eine Kilowattstunde braucht. Wenn dann alle gleichzeitig aufhören zu strampeln, geht auch die Musik aus. Das ist schon passiert und auch so gewollt. In solchen Momenten wechselt dann die Aufmerksamkeit des Publikums zu den Radfahrer:innen. Die werden dann so lange angefeuert, bis wieder die richtige Menge Strom erzeugt wird. Es geht nämlich nicht darum, möglichst viel Strom zu erzeugen, sondern die Menge, die auf der Bühne gerade gebraucht wird. Wenn alle zu viel strampeln und das System in Überlast fährt, schaltet es sich ebenfalls ab.

Gastro: regional, saisonal, kein Fleisch

Auch bei der Gastronomie macht ihr einiges anders.

Ja, die ist dieses Jahr unser Schwerpunktthema. Auch in den letzten Jahren haben wir schon immer auf möglichst regionales, saisonales und/oder Bio-Essen gesetzt. In diesem Jahr setzen wir noch mal einen stärkeren Fokus auf Regionalität. Mit der „Hobenköök“ haben wir eine fantastische Partnerin gefunden, die das Backstage-Catering für Künstler:innen und Crew übernimmt und einen Foodstand für die Besucher:innen bereitstellt. Die Rezepte wurden extra von einem österreichischen Jungkoch mit regionalen Zutaten kreiert. Außerdem gibt es Pizza aus dem Holzofen, Bratwurst und Pommes, regionales Eis, Waffeln und Crèpes, Schorlen aus dem Alten Land und Bier aus dem „Wildwuchs Brauwerk“ – Hamburgs einziger Bio-Brauerei. Das Einzige, was es nicht gibt, ist Fleisch. Wir haben uns dieses Jahr für ein rein vegetarisches und veganes Catering entschieden. Zugunsten des Tierwohls und weil Fleisch einen unheimlich schlechten Fußabdruck hat.

Beim „Futur 2“ werden nur 26 Gramm Müll pro Besucher:in produziert

Thema Müll: Was macht ihr da?

Mit dem Zero-Waste-Konzept ist es natürlich unser Ziel, so wenig Müll wie möglich zu produzieren. Daher arbeiten unsere Gastromom:innen mit Mehrweggeschirr und unsere Partner:innen und Sponsor:innen dürfen keine Flyer oder Gimmicks verteilen, die schnell im Müll landen. Bei der letzten Ausgabe haben wir lediglich 26 Gramm Müll pro Besucher:in produziert. Das ist sehr wenig gerade im Vergleich zu großen Festivals, wo das Müllaufkommen bei rund zwei Kilogramm pro Person liegt. Fairerweise muss man dazu sagen, dass wir allein dadurch, dass wir ein Ein-Tages-Festival sind, keinen Campingplatz haben. Dennoch ist unsere Müllmenge im Vergleich zu anderen Ein-Tages-Veranstaltungen deutlich geringer als der Durchschnitt.

Queenwho sorgt für Rap-Energie im Line-up. Foto: Queenwho

Ihr habt auch schon Preise für all das gewonnen.

Ja, 2020 den Hamburger Club-Award in der Kategorie „Green Club/Festival des Jahres“ und den Europäischen Kulturmarken-Award in der Kategorie „Europäischer Preis für Nachhaltigkeit im Kulturmarkt 2020“. Das war beides eine große Ehre und es freut uns total, dass immer mehr Preise eine Kategorie für Nachhaltigkeit einführen, denn das verschafft dem Thema in der Branche die Sichtbarkeit und Wichtigkeit, die es verdient.

Kat Frankie wurde frisch als Headlinerin verkündet. Foto: Elina Kechicheva

Und jetzt zum Kern des Festivals. Die Musik, das Line-up! Erzähl mal ein bisschen, wer da ist.

Ich liebe unser Line-up in diesem Jahr. Jeder Act ist auf seine Art so fantastisch. Alle sind unterschiedlich und dennoch ist das Programm einfach rund. Ich bin sicher, dass jede/r seine oder ihre Lieblingsband entdecken kann. Wir haben ja gerade ganz frisch unsere Headlinerin Kat Frankie bestätigt. Sie spielt eine ihrer ganz seltenen Soloshows und da freuen wir uns sehr drauf. Mit Sofia Portanet bekommen wir krasse Neue-Deutsche-Welle-Energie, zu Magupi und Beatfoot kann man fantastisch tanzen. Queenwho kommt mit sensationellen Beats, Rapskills und Texten, die einfach cool und zeitgemäß sind. Und Grace Cummings wird einfach alle vom Hocker hauen. Zu Mis-Shapes sowie einigen weiteren großartigen DJs kann man den ganzen Tag feiern.

Beatfoot kommen aus Tel Aviv und machen einen Mix aus Acid Techno, Postpunk und Rave. Foto: Jonatan Bubu Cohen

In eurem Line-up gibt es fast nur Frauen. Das ist sicher auch ein Statement.

Klar. Wir wollten eigentlich den Künstler:innen, die für die ausgefallenen Festivals 2020/2021 bestätigt waren, die Chance geben, dieses Jahr zu spielen. Als dann aber klar wurde, dass von denen nur sehr wenige können, kam die Idee auf, dass wir dieses Jahr nur Female-Fronted-Acts dazu buchen. Es gibt so viele tolle Künstlerinnen da draußen. Trotzdem sind die meisten Line-ups sehr männlich dominiert. Also haben wir uns der Herausforderung angenommen. Und es war noch schwieriger als erwartet, ein in sich schlüssiges Programm zusammenzustellen. Wir waren spät dran und das Booking war in diesem Jahr ohnehin nicht einfach, weil es so wahninnig viele Veranstaltungen gibt. Und oft wurden uns fünf tolle männliche Acts als Alternativen angeboten, wenn eine Absage kam. Obwohl klar war, dass wir eigentlich nach Künstlerinnen suchten. Es gab also mehr als genug gute Argumente, das nicht durchzuziehen. Andererseits hat uns all das gezeigt, dass es eben genau darum wichtig ist, es doch zu tun. Das wurde zu unserem Ansporn. Damit sich endlich was ändert und damit es in einigen Jahren nicht mehr so schwer ist, ein diverses Line-up auf die Beine zu stellen. Und dabei geht es nicht nur um mehr Frauen auf den Bühnen, sondern um mehr Queerness, mehr BIPoC, mehr Menschen mit Behinderungen. Denn die Bandbreite an tollen Künstler:innen ist riesig, wir müssen ihnen nur die Chance geben, sich zu zeigen.

„Futur 2“-Festival: 27.8., ab 15 Uhr, Elbpark Entenwerder, Entenwerder 1, Eintritt kostenlos, mehr Infos unter futur2festival.de

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