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Antje Schomaker: „Politik ist etwas, worüber man sehr offen reden sollte“


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Singer/Songwriterin Antje Schomaker spielte am Wochenende auf dem Reeperbahn-Festival. Foto: Florian Quandt

Die Singer/Songwriterin hat eine klare Haltung – und die Hoffnung auf Veränderung

Antje Schomaker gelang mit Singer/Songwriter-Pop und viel Akustik der Durchbruch, sie spielte im Vorprogramm von Bosse und verkaufte das Uebel & Gefährlich aus. Jetzt ist Zeit für was Neues, findet sie. MOPOP sprach mit ihr über ihr Wahlkampf-Engagement für die Grünen, Politik in der Musikbranche und die „Keychange“-Initiative.

MOPOP: Du hast in den letzten Wochen aktiv für die Grünen getrommelt, bist hier in Hamburg während Robert Habecks Wahlkampfveranstaltung am Fischmarkt aufgetreten. Wie kam das?

Antje Schomaker: Ich war schon immer politisch aktiv, war mit 12 Jahren auf der ersten Umweltdemo und habe mich in der achten Klasse dafür eingesetzt, dass Recyclingpapier in meiner Schule eingeführt wird. Einmal habe ich mich als Littfasssäule verkleidet und Flugblätter verteilt – wenn ich das jetzt so erzähle, klingt das sonderbar, im Nachhinein wundert es mich irgendwie nicht, dass ich so wenige Freunde hatte (lacht). Aber im Ernst: Umwelt- und Klimaschutz sind für mich schon immer ein großes Anliegen und da lag es für mich auch nahe, mich für die Grünen auf die Bühne zu stellen.

Du bist da nicht allein: Bela B., Wolfgang Niedecken, Judith Holofernes, Frank Schätzing und viele andere Künstler:innen haben vor einigen Wochen einen gemeinsamen Aufruf veröffentlicht und eine Wahlempfehlung für die Grünen ausgesprochen.

Möglicherweise liegt das an der Verzweiflung und Angst, die viele teilen: Diese Legislaturperiode, die jetzt vor uns liegt, ist ganz entscheidend für die richtige Weichenstellung, um noch irgendwas gegen die fortschreitende Klimakrise zu tun. Dazu kommt, dass aus meiner Sicht in konservativen Medien eine gewisse Angst vor den Grünen verbreitet wurde, so nach dem Motto: Die wollen euch jetzt alles verbieten. Das hat sicherlich auch viele Künstler:innen aufgeweckt. Bevor man nach dem Wahlsonntag da steht und sagt: Scheiße, eigentlich hätten wir doch was machen können.

Nicht jede:r will verraten, wen sie oder er wählt …

Ja, diese Einstellung ist weit verbreitet: Man beruft sich dann aufs Wahlgeheimnis, obwohl das ja eigentlich etwas anderes bedeutet. Ich denke eher: Politik ist etwas, worüber man sehr offen reden sollte. Erst durch den Diskurs wird Veränderung machbar.

Ich finde es wichtig, sich antirassistisch und antisexistisch zu positionieren.

Antje Schomaker

Sollten sich mehr Künstler:innen politisch äußern?

Ich möchte niemandem vorschreiben, ob sie oder er sich äußert oder nicht. Aber wir haben mit wachsender Reichweite eine wachsende Verantwortung. Es sorgt für Orientierung, wenn Künstler:innen eine klare Haltung beziehen, gerade in solch politisch wichtigen Zeiten. Ich finde es wichtig, sich antirassistisch und antisexistisch zu positionieren, oder auch zu sagen: Bitte geht wählen – auch wenn man sich nicht parteipolitisch äußern möchte. Aber nicht nur Künstler:innen haben eine Verantwortung, das betrifft jede:n. Jede:r sollte den Mund aufmachen, wenn Dinge falsch laufen.

Hat dir auf deinem bisherigen Karriereweg schon mal jemand davon abgeraten, dich politisch zu äußern?

Ja, das wurde mir schon oft empfohlen. So nach dem Motto: Es wäre aus Karrieresicht schlauer, erstmal nur über Musik zu sprechen, um dann, irgendwann mal, in einem wichtigen Moment den Mund aufzumachen. Das Ding ist: Als Frau kann ich das gar nicht. Weil mir und allen anderen Künstlerinnen in Interviews oft auch sexistische Fragen gestellt werden. Wir werden gefragt, wie wir uns denn von den anderen Frauen abheben. Oder wie es so ist, als Musikerin Teil dieser Branche zu sein. Was wir für Gleichberechtigung tun und so weiter. Da habe ich mich schon häufiger gefragt: Warum fragt ihr mich das – und nicht mal Max Giesinger? Der Einsatz für Gleichberechtigung wird den Frauen zugeschrieben. Das ist mir übrigens auch schon passiert, bevor ich „Auf Augenhöhe“ veröffentlicht habe.

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In dem Song setzt du dich für Gleichberechtigung in der Musikbranche ein, wirst dabei von mehr als 120 Künstlerinnen unterstützt, beispielsweise Eva Briegel (Juli), Stefanie Heinzmann oder Lea. Hat der Song was bewirkt?

Auf jeden Fall. Es wird mittlerweile mehr über das Thema „Keychange“ gesprochen. Auch an Orten, an denen das vorher nicht passiert ist, beispielsweise in Radiointerviews. Und das ist das Wichtigste: Wenn sich Menschen mit ihrem eigenen Sexismus befassen, kommt Bewegung rein.

Wenn sich Menschen mit ihrem eigenen Sexismus befassen, kommt Bewegung rein.

Antje Schomaker

Woher rührt der Sexismus in der Musikbranche?

Die ganze Welt ist sexistisch, es ist ein strukturelles Problem. Diese Welt ist von Männern für Männer gemacht. Frauen werden als Randerscheinung wahrgenommen. Wir denken, die männliche Sicht sei universell. Es gibt ja tausende Beispiele. Da ist das generische Maskulinum, da sind technische Geräte, die für Männer konzipiert wurden – und die Frau passt sich dem an. Genauso ist es auch in der Musikbranche. Bei den großen Labels sind Männer die Bosse. Meine Hoffnung ist: Wenn die Musikbranche sich wandelt, dann wandelt sich vielleicht auch der Rest. Weil wir natürlich auch eine Vorbildfunktion haben, weil alle Musik hören.

Was kann jede:r Einzelne tun?

Ein guter Anfang ist, ein eigenes Bewusstsein zu entwickeln. Wen höre ich da im Radio? Wenn wir nicht im Radio gespielt werden, hat man nicht die Chance, uns zu mögen – egal ob Frauen oder nicht-binäre Künstler:innen. Wer nur Männer hört oder auf Bühnen sieht, mag halt nur Männer.

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Letzte Woche hast du deine neue Single „Zeichen“ herausgebracht.

In dem Song geht’s um eine Situation, die sicherlich einigen bekannt vorkommt: Darum, dass ich mich mal in einen guten Kumpel verliebt habe – und keine Ahnung mehr hatte, wo wir denn jetzt stehen. Das ist meinem Produzenten lustigerweise zur gleichen Zeit mit einer seiner guten Freundinnen passiert. Und dann waren wir im Studio und haben uns gegenseitig bemitleidet, wie kompliziert die ganze Sache ist. Und dann ist daraus das Lied entstanden.

Ich verändere mich natürlich als Mensch. Und das soll man auch hören.

Antje Schomaker

Auf deinem Debütalbum war viel Akustik-Pop, deine neuen Singles klingen anders: Elektronischer, treibender.

Beim ersten Album habe ich mich noch ein bisschen eingeklammert, hatte da noch ein paar Stimmen in meinem Umfeld, die immer sehr viel reingeredet haben. Das hat sehr viel Kraft gekostet. Bei meiner Single „Verschwendete Zeit“ habe ich dann mehr gemacht, was ich wirklich wollte. Ich hatte Bock auf 80er-Synthie-Sound und hab das durchgezogen, mich dadurch freigekämpft. Im Frühjahr 2022 kommt mein nächstes Album, da gibt’s dann noch mehr Überraschungen. Ich verändere mich natürlich als Mensch. Und das soll man auch hören.

Antje Schomaker spielt am 19.11.2022 – dann mit neuem Album im Gepäck – in der Fabrik, Tickets gibt‘s ab 31 Euro hier.

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