Folgen Sie uns

Wonach suchen Sie?

Festivals

Reeperbahn-Festival Tag 4: Zum Finale gibt’s Songs über „Dickheads“ – und eine überraschte Award-Gewinnerin

Kate Nash auf der Bühne, sie springt in die Luft
Energie! Kate Nash am späten Samstagabend bei ihrem Auftritt in der Großen Freiheit 36
Foto: Sebastian Madej

Beim großen Finale des Reeperbahn-Festivals wird’s noch einmal hochoffiziell: Im St. Pauli-Theater wird am Samstagabend der Anchor-Award verliehen, jener Preis, der Newcomern den Karrierestart erleichtern soll. „Nach reiflicher Überlegung haben wir uns dafür entschieden, eine Künstlerin auszuzeichnen, die eine magische Mischung aus großartigen Songs, starker Musikalität und Gemeinschaftssinn auf die Bühne bringt“, sagt Jury-Vorsitzende Tayla Parx – und kürt mit Strongboi das neue Projekt von Alice Phoebe Lou. Der Band sei es gelungen, sich im Laufe der Show gemeinsam mit dem Publikum in einen wahrhaft euphorischen Zustand zu spielen, so Parx. Genau das Gefühl, das man als Konzert-Fan sucht. Und manchmal auch findet:

The Joy: Da lauscht man im Backyard andächtig

Am vierten Festivaltag sind The Joy nicht nur eine Freude, wie der Name ganz ohne Etikettenschwindel sagt, sondern auch eine Art Salbe: Der knallvolle Molotow-Backyard, nicht unbedingt ein Ort der Ruhe (oder des konzentrierten Zuhörens), lauscht andächtig fünf Jungs aus Südafrika, die nur mit ihren Stimmen die Betriebstemperatur im Festivalalarm für eine halbe Stunde runterfahren. The Joy singen in Zulu, doch die Musik ist universal: eine enorm berührende Gesangsdarbietung, die Tradition mit angedeutetem Boyband-Charme (ohne Ausfallschritte) mischt.

Joan As Police Woman: Das Equipment spinnt

Viel los bei Joan Wasser: Am Freitag erschien ihr neues, zehntes Album „Lemons, Limes And Orchids“, dazu spielte sie ein spontan anberaumtes Release-Konzert bei „Michelle Records“. Fröhlich-plauderig kommt sie alleine auf die Backyard-Bühne und lässt sich selbst dann die Laune nicht vermiesen, wenn sie das Piano-Arrangement von „Remember The Voice“ (mit Ansage) versemmelt, und dann Probleme mit dem Klavierpedal hat, die sich selbst mit eilig herbeigebrachtem Tape nicht lösen lassen. Irgendwie ist der Wurm drin, die Künstlerin lobt überschwänglich The Joy, um mit perfektem komödiantischen Timing die Pointe zu setzen, dass die aber auch nicht mit spinnendem Equipment reisen müssen. Dann ist die halbe Stunde auch schon wieder viel zu schnell vorbei, zum Bedauern von Künstlerin und Publikum. Musikalisch (unverschuldet) mittel, menschlich famos.

Foto: Georg Wendt/dpa
Alice Phoebe Lou hat mit ihrer Band Strongboi den Anchor-Award gewonnen. Im Hintergrund: Jury-Mitglied Tim Bendzko

Voodoo Beach: Treibend, düster, jeder Song ein Hit

Der klaustrophobische Indierock von Voodoo Beach macht das Indra noch enger, irgendwie kann man sich die Musik nicht im Sonnenschein auf Festivalbühnen vorstellen. Wobei der Band aus Berlin ein großes Publikum zu wünschen wäre. Treibend, düster, mit ordentlich Hall, ist jeder Song ein Hit, ohne irgendwelchen Trends hinterherzurennen. Sängerin und Gitarristin Heike Rädeker spielte früher bei der Kult-Noiserockband 18th Dye und hat Voodoo Beach gerettet, als die Band nach dem Ausstieg ihrer Vorgängerin vor dem Aus stand – einfach, weil sie Fan der Musik war. Absolut nachvollziehbar. Eine Extra-Verneigung und -Umarmung gibt es auf der Bühne für Leihdrummer Lucas Wojatschke von der befreundeten Band Die Kerzen, der kurzfristig für den Auftritt einsprang („Nur drei Proben!“). Eine Band mit Helfer-Syndrom.

Marathon: Regler im roten Bereich

Die junge Band aus Amsterdam spielt im Molotow-Backyard ihr zweites Konzert des diesjährigen Reeperbahn-Festivals, diesmal zur angemesseneren Prime-Time am Sonnabend. Der extrem aufgeputschte Noiserock hat die Regler permanent im roten Bereich, Frisuren fliegen auf der Bühne und davor. Hier gibt’s nicht viel zu verstehen: Alles ist auf maximale Wirkung gebürstet, aber vielleicht sind Marathon besser in der Ursachenforschung als andere Bands, die dasselbe versuchen und scheitern. Läuft.

Alles deren Schuld: Ode ans Nichtstun

Ein Konzert zwischen Sockenständern, Hoodies und Schals? Auch das gibt’s beim Reeperbahn-Festival: Alles deren Schuld treten im St. Pauli-Fanshop auf – und der Laden brummt. Die Band aus Hamburg und Lüneburg spielt den neuen Song „Strawberry Green“ genauso wie „Lazy“, diese wunderbare Ode ans Nichtstun (oder besser: ans Nichtarbeiten). Indie-Rock, mal dreamy, mal krachig. Das perfekte Ende ihres ersten Festivalsommers sei das, sagen sie. Und kündigen spontan schonmal ein Konzert für den Winter an. Ende November im Molotow, muss man sich merken, Tickets gibt’s noch nicht zu kaufen.

Kabeaushé: Der Bass drückt, die Beats treiben

Kabeaushé trägt Uniform. Die ist rot, schwarz und gülden und sieht aus wie aus einem Fantasiestaat, in dem man auf Protz und Prunk steht. Und sie ist definitiv zu warm. Es ist kurz vor zehn und heiß im vollen Mojo-Club. Kabeaushé macht sich also nackig – jedenfalls obenrum. Besser. „Are you alive, Hamburg?!“, fragt der Kenianer in den Saal, vielleicht macht er sich Sorgen, dass nach und nach alle in der Wärme aufgeben. Muss er gar nicht. Das Publikum ist komplett am Start. Geht auch gar nicht anders bei dem, was Kabeaushé – eigentlich Kabochi Gitau – da auf der Bühne macht. Der Bass drückt, die Beats treiben, der Gesang hypnotisiert. „Future Pop“ nennt sich das, irgendwo zwischen Tyler, The Creator und Outkast. „Can you all just dance?!, ruft er wenig später. Aber sicher!

Verpassen war gestern! Der MOPOP-Kulturnewsletter weiß Bescheid. Musik, Theater und Kino, Ausstellungen, Festivals und Literatur: Wir haben die besten Tipps und sagen Ihnen, was sich wirklich lohnt. Immer donnerstags. Immer persönlich. Immer kurz und knapp. Und immer direkt in Ihr Postfach. Natürlich kostenlos. Hier klicken und anmelden.

Asha Jefferies: Flammen in der Nochtwache

Trotz des tollen Kurzauftritts am Reeperbus brennt später am Abend in der Nochtwache nicht gerade die Hütte beim Auftritt von Asha Jefferies. An der Band liegt’s nicht: Die hat sogar Bühnenoutfits mit Flammenmotiven an. Die Künstlerin aus Brisbane macht stimmstarken Gitarren-Indiepop, der in seiner Melodieseligkeit an The Beths erinnert oder den Noise-unterfütterten Singer/Songwriter-Pop von Gemma Hayes. Beim Hit „Brand New Bitch“ wandert der Flammen-Cowboyhut von Kopf zu Kopf und jeder steht mal solierend im Rampenlicht. Wirkt irgendwie sweet und wie eine Band, die sich aufrichtig mag.

W!zard: Auf schönste Art befreiend

Wer sich bis hierhin noch nicht hat anschreien lassen, kommt jetzt ins Headcrash. Oder versucht es zumindest. Die Schlange reicht bis fast zur Simon-von-Utrecht-Straße, die Tür regelt: Erst, wenn jemand rauskommt, kann ein anderer hoch in den Saal. Da stehen W!zard aus Bordeaux auf der Bühne – und das mit dem Anschreien klappt anfangs nur bedingt. Das Mikro spinnt. Als das behoben ist, gibt’s Lärm ohne Unterbrechung. Noiserock, Post-Hardcore, irgendwas mit „laut“. Und das Publikum schreit zurück. Auf schönste Art befreiend.

Kate Nash: Vorbild in Sachen „no bullshitting“

Man will allen Menschen mit Kindern zurufen: Hört Kate Nash! Lasst eure Kinder ihre Texte lernen! Denn die Britin ist nicht nur eine fantastische Musikerin, sondern auch ein Vorbild in Sachen „no bullshitting“. Ihre Songs handeln davon, wie wichtig es ist, auf seine eigenen Stärken zu vertrauen. Auf den eigenen Körper zu vertrauen. Selbstbewusst zu sein. Den eigenen Weg zu gehen. Und sich als Frau/Mädchen vor allen Dingen nichts von irgendwelchen Kerlen erzählen zu lassen. „Does anyone know any dickheads?“, fragt sie kurz vor Mitternacht in die knackvolle Große Freiheit – und: na klar! Jede(r) soll den Namen eines besonders großen „dickheads“ rausbrüllen – eine Kakophonie der Idioten. Kate Nash singt sich quer durch ihre lange Karriere. Von ebenjenem „Dickhead“ zu „My Little Alien“, „Life In Pink“, „Wasteman“ – und natürlich „Foundations“, diesem Über-Hit. Textsicher sind hier alle, auch bei „Mouthwash“. „This is my body. And no matter how you try and disable it: Yes I’ll still be here. And this is my mind. And although you try to infringe, you cannot confine.“ Kann man ruhig noch einmal sagen: Hört Kate Nash! (MW/NR)

Das 20. Reeperbahn-Festival findet vom 17.9. bis 20.9.2025 statt. Der Vorverkauf hat begonnen – Tickets gibt es hier.

Das könnte Dich auch interessieren

News

Es gilt als eines der bedeutendsten Jazz-Festivals in Deutschland und darüber hinaus: das Elbjazz in Hamburg. Nach einer einjährigen Pause kommt es nun –...

News

Bei seinem ersten Konzert seit Veröffentlichung der erfolgreichen Netflix-Doku über sein Leben hat Deutsch-Rapper Haftbefehl versichert, weg von den Drogen zu sein. „Ihr habt...

News

Vibrator im Songtext, Frauen-WG als Ausweg und ein Augenzwinkern zum Alter: Ina Müller packt Tabus und Alltagsträume auf ihr neues Album – mit viel...

News

Die ersten Künstler für die ZDF-Silvestershow „Silvester in Concert“ stehen fest. Johannes Oerding, Das Bo und Wanda sollen ihre bekanntesten Lieder singen, wie der...